VwGH 98/20/0512

VwGH98/20/051221.10.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über 1. den Antrag des Bundesministers für Inneres auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der zu der hg. Zl. 98/20/0512 protokollierten Beschwerde und 2. über diese Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Juli 1998, Zl. 202.142/0-VII/20/98, betreffend Asylgewährung (mitbeteiligte Partei: RY, Wien),

Normen

AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §71 Abs1 Z1;
FrG 1997 §57;
VwGG §26 Abs1 Z4;
VwGG §46 Abs1;
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §38 Abs5;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §71 Abs1 Z1;
FrG 1997 §57;
VwGG §26 Abs1 Z4;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. beschlossen

Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1. In dem am 14. Mai 1999 überreichten Antrag auf Wiedereinsetzung bringt der Bundesminister für Inneres vor, am 29. April 1999 sei ihm der zur hg. Zl. 98/20/0283 ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1999 zugestellt worden, nach dessen Begründung die Frist für die Erhebung einer Amtsbeschwerde gemäß § 38 Abs. 5 AsylG in den Fällen der Eintragung des anzufechtenden Bescheides in das "Asylwerberinformationssystem" bereits mit dieser Eintragung beginne. Hievon sei der Antragsteller bisher nicht ausgegangen, weshalb er die zu der hg. Zl. 98/20/0512 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. Juli 1998, über die der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht entschieden habe, erst am 16. November 1998 erhoben habe. Der angefochtene Bescheid sei ihm vom Bundesasylamt erst am 9. Oktober 1998 mit einem Bericht vorgelegt, aber schon kurz nach seiner Zustellung an das Bundesasylamt am 17. August 1998 in das "Asylwerberinformationssystem" eingetragen worden.

Dem auf diese Begründung gestützten Wiedereinsetzungsantrag ist aus den im Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. 99/20/0253, dargestellten Gründen gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben. Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf den genannten Beschluss verwiesen, wobei auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird.

2. Der Mitbeteiligte, dessen Staatsangehörigkeit nicht bekannt ist, stützte seinen am 4. Februar 1998 eingebrachten Asylantrag darauf, dass er seit 1988 Mitglied des "Revolutionsrates des Abu Nidal" gewesen sei. Er habe für diese Organisation seit 1993 im Libanon an den kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen und sich dort in verschiedenen Palästinenserlagern aufgehalten. Er sei dann aus dem Stützpunkt seiner Organisation geflohen, weil er einen Befehl des für den Stützpunkt Verantwortlichen XY nicht ausgeführt habe. Dieser Auftrag, einen seiner Freunde umzubringen, sei ihm gegenüber damit begründet worden, dass sein Freund ein Verräter der Organisation wäre und für Israel spionieren würde. Da er die Ausführung dieses Befehls verweigert habe, habe er damit zu rechnen, dass man ihn selbst umbringen würde.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Februar 1998 wurde der Asylantrag des Mitbeteiligten gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen und zugleich gemäß § 8 AsylG ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten "in den Herkunftsstaat" zulässig sei. Das Bundesasylamt ging davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers angesichts seiner geographischen und politischen Unkenntnisse über die Verhältnisse im Libanon gänzlich unglaubwürdig seien. Es sei auszuschließen, dass er im Libanon aktiv an den kriegerischen Auseinandersetzungen teilgenommen habe.

Es sei auch nicht glaubwürdig, dass er aus dem Libanon stamme.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte fristgerecht

Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung, insoweit

sie sich gegen die Abweisung des Asylantrages richtete, gemäß § 6 Z 3 AsylG als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde sah im Einklang mit der Beurteilung des Bundesasylamtes die Angaben des Beschwerdeführers "als total unglaubwürdig" an.

Mit Spruchpunkt II. ihres Bescheides gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten gegen den Ausspruch nach § 8 AsylG insoweit Folge, als sie diesen Spruchteil des Bescheides des Bundesasylamtes "ersatzlos behob". Dies begründete die belangte Behörde damit, dass sich die Feststellung der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden gemäß § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat beziehe. Der Herkunftsstaat sei gemäß § 1 Z 4 leg. cit. jener Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Gegenständlich habe das Bundesasylamt völlig zutreffend ausgeführt, "jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass der Libanon das Land Ihres letzten gewöhnlichen Aufenthaltes (gemeint: des Asylwerbers) war". Aufgrund der "ostentativ gezeigten Verweigerung der Mitwirkungspflicht" seien auch weitere Ermittlungsversuche zwecklos, zumal "nach dem bisherigen Verhalten des Asylwerbers nicht geschlossen werden darf, dass er bei einer weiteren Befragung mehr preisgeben würde". Da auch die Staatsangehörigkeit ungeklärt sei, könne eine Feststellung gemäß § 8 AsylG nicht getroffen werden.

Gegen diesen aufhebenden Spruchteil des Bescheides der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde des Bundesministers für Inneres mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und in der fristgerecht erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen

Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Auffassung des beschwerdeführenden Bundesministers, im Falle der Abweisung eines Asylantrages beziehe sich die gemäß § 8 AsylG zu treffende Feststellung über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden entsprechend der vom Bundesasylamt gewählten abstrakten Formulierung auf "den Herkunftsstaat", wird zwar vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Im Ergebnis erweist sich aber die Beschwerde dennoch als berechtigt, weil die ersatzlose Aufhebung des Ausspruches des Bundesasylamtes nach § 8 AsylG auf einer Verkennung der Rechtslage beruht.

Gemäß § 8 leg. cit. hat die Behörde im Falle der Abweisung eines Asylantrages bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des betroffenen Asylwerbers in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 98/20/0561, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zum Ausdruck gebracht, dass der Begriff des "Herkunftsstaates" im Sinne des § 8 AsylG dahin zu verstehen ist, dass damit derjenige Staat bezeichnet wird, hinsichtlich dessen die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aufgrund seines Antrages zu prüfen ist. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Mitbeteiligte wahrheitswidrig den Libanon als den Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes bezeichnet habe und dort für diesen entgegen seinen offensichtlich unrichtigen Angaben keine Bedrohungssituation bestehe. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zlen. 98/20/0464, 99/20/0220, weiters ausgesprochen, dass im Falle einer offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechenden Behauptung, somit einer evident falschen Darstellung einer Bedrohungssituation in einem vom Asylwerber fälschlich als seinen Herkunftsstaat bezeichneten Staat, die Asylbehörde ohne ein weiteres konkretes Vorbringen oder sonstigen konkreten Hinweis keine Veranlassung hat, Ermittlungen zur Ausforschung des (tatsächlichen) Herkunftsstaates des Asylwerbers anzustellen. Die Behörde ist nicht verhalten, in einem solchen Fall zu ermitteln, welcher Staat der (wahre) Herkunftsstaat des Asylwerbers sein könnte und ob er dort allenfalls im Sinne der Flkonv bedroht sein könnte.

Davon ausgehend hätte im vorliegenden Fall die belangte Behörde ihrer Prüfung für einen Ausspruch gemäß § 8 AsylG , den sie nach dieser Bestimmung im Falle der Abweisung des Asylantrages vorzunehmen hatte, den Libanon zugrunde legen müssen.

Der Bescheid der belangten Behörde war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. Oktober 1999

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