Normen
FrG 1997 §47 Abs3;
FrG 1997 §47 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der am 20. Juni 1978 geborene Beschwerdeführer beantragte mit einem am 19. Dezember 1997 beim Landeshauptmann von Wien eingelangten Antrag die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit seiner Mutter.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Juni 1998 wurde dieser als Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung gewertete Antrag gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG) abgewiesen, weil der in Österreich aufhältige Beschwerdeführer mit einem Touristensichtvermerk, gültig vom 17. November 1997 bis 31. Dezember 1997, nach Österreich eingereist sei und den nach dieser Einreise begonnenen Aufenthalt mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag fortsetzen habe wollen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er die Feststellung seines Inlandsaufenthaltes nicht bestritt, unter anderem aber darauf hinwies, seine Mutter, mit der er zusammenleben wolle, sei österreichische Staatsbürgerin.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. September 1998 wies dieser die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 20, 21, 10 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 2 Z 3 sowie 10 Abs. 3 FrG ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei bereits volljährig, weshalb eine Bewilligung zum Aufenthaltszweck der Familiengemeinschaft mit Fremden nicht erreicht werden könne; weiters sei gemäß § 10 Abs. 3 FrG die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung auf Grund einer Verpflichtungserklärung der Mutter des Beschwerdeführers nicht zulässig. Darüberhinaus habe der Beschwerdeführer auf Grund seines an den Ablauf seines Visums C anschließenden unrechtmäßigen Aufenthalt sowohl den Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z 2 als auch den des § 10 Abs. 2 Z 3 FrG verwirklicht. Die öffentlichen Interessen seien im Hinblick auf Art. 8 MRK höher zu bewerten als die privaten Interessen des Beschwerdeführers.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 47 Abs. 3, § 49, § 89, § 94 und § 112 FrG 1997 lauten (auszugsweise):
"§ 47. ...
...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind folgende Angehörige eines EWR-Bürgers:
- 1. Ehegatten;
- 2. Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt wird;
3. Verwandte und Verwandte des Ehegatten in aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.
...
§ 49. (1) Angehörige von Österreichern gemäß § 47 Abs. 3, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, genießen Niederlassungsfreiheit; für sie gelten, sofern im Folgenden nicht anderes gesagt wird, die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach dem 1. Abschnitt. Solche Fremde können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen. ...
...
§ 89. (1) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft der Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.
(2) Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen trifft jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese, wenn es sich um den Aufenthaltstitel
1. für einen Drittstaatsangehörigen handelt, der nach dem 4. Hauptstück Niederlassungsfreiheit genießt;
...
§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.
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(4) Über Berufungen gegen Bescheide, die im Zusammenhang mit der Erteilung von Niederlassungsbewilligungen vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde erlassen worden sind, entscheidet der Bundesminister für Inneres.
...
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Soweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergibt, ist die Sache ungeachtet ihres Verfahrensstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten."
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung ( vom 1. Juli 1998) erstmals vorgebracht, seine Mutter sei österreichische Staatsbürgerin. In der vorliegenden Beschwerde weist er ergänzend darauf hin, dass auch seine minderjährigen Geschwister österreichische Staatsbürger seien. Auf ihn sei jedoch auf Grund seiner damals bereits erreichten Volljährigkeit die seiner Mutter erteilte österreichische Staatsbürgerschaft nicht erstreckt worden. Wann genau seiner Mutter die österreichische Staatsangehörigkeit erteilt worden sei, gibt der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Beschwerde an. Aus seinem Vorbringen lässt sich aber schließen, dass dies zwischen dem Zeitpunkt seiner Antragstellung (19. Dezember 1997), wo er die philippinische Staatsangehörigkeit seiner Mutter angab, und dem Zeitpunkt der Einbringung der Berufung (1. Juli 1998), in der er auf die zwischenzeitig erteilte österreichische Staatsbürgerschaft hinwies, eingetreten sein könnte.
Ob seine Mutter nun im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz, das war der 18. Juni 1998, bereits österreichische Staatsbürgerin war oder (noch) nicht, ist für den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aber ohne Bedeutung, weil die belangte Behörde in jedem der beiden Fälle ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet hat.
Maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung eines Bescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I E. 74, 75 zu § 6 AVG wiedergegebene Judikatur). Da aus dem Grunde des § 65 AVG im Berufungsverfahren kein Neuerungsverbot gilt, ist der Berufungswerber von der Erstattung neuen Tatsachenvorbringens zur nach dem Vorgesagten für die Beurteilung der Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht ausgeschlossen.
Wäre die Mutter des Beschwerdeführers bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz österreichische Staatsbürgerin gewesen, wäre die erstinstanzliche Behörde aus folgenden Gründen zur Erlassung des am 18. Juni 1998 zugestellten Bescheides unzuständig gewesen:
Das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 19. Dezember 1997 war am 1. Jänner 1998, dem Tag des Inkrafttretens des FrG 1997, bei der erstinstanzlichen Aufenthaltsbehörde anhängig. Aus dem Grunde des § 112 FrG 1997 war das Verfahren als solches auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung fortzuführen. Insoweit sich hiedurch die Zuständigkeit einer anderen Behörde ergab, wäre die Sache gemäß § 112 letzter Satz FrG 1997 ungeachtet ihres Verfahrensstandes der zuständigen Behörde erster Instanz abzutreten gewesen. Aber auch wenn sich in einer späteren Phase des erstinstanzlichen Verfahrens ergeben hätte, dass die Behörde erster Instanz nicht oder nicht mehr zur Entscheidung über den Antrag zuständig wäre, wäre dieser gemäß § 6 AVG an die zuständige Behörde weiterzuleiten gewesen.
Wurde die Mutter des Beschwerdeführers also bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens österreichische Staatsbürgerin, so wäre auf den Beschwerdeführer als ihren Verwandten in absteigender Linie, der das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, die Bestimmung des § 47 Abs. 3 Z 2 FrG 1997 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 FrG 1997 anzuwenden gewesen und er hätte nach dieser Bestimmung Niederlassungsfreiheit genossen.
Diesfalls wäre aber gemäß § 89 Abs. 2 Z 1 FrG 1997 zur Entscheidung im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer angestrebten Niederlassungsbewilligung nicht der Landeshauptmann, sondern die Bezirksverwaltungsbehörde bzw. die Bundespolizeibehörde zuständig gewesen. Es hätte daher an der Zuständigkeit des Landeshauptmannes von Wien zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides gefehlt.
Die gemäß § 94 Abs. 4 FrG 1997 im Instanzenzug zuständige belangte Behörde hätte diesfalls den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufzuheben gehabt. Sodann wäre der Antrag an die Bundespolizeidirektion Wien weiterzuleiten gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, 98/19/0228). Die von der belangten Behörde stattdessen getroffene Sachentscheidung erwiese sich aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Wäre die Mutter der Beschwerdeführers aber erst nach der Erlassung der Bescheides erster Instanz und vor Berufungseinbringung österreichische Staatsbürgerin geworden, so wäre die Behörde erster Instanz zur Erlassung ihres Bescheides (noch) zuständig gewesen, die Zuständigkeit wäre erst danach weggefallen.
Wie dargestellt, ist, da es im Verwaltungsverfahren anders als nach § 29 JN für das zivilgerichtliche Verfahren keine perpetuatio fori gibt, auch auf nach Anhängigwerden einer Verwaltungssache bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eintretende Änderungen in den für die Zuständigkeit maßgebenden Umständen Bedacht zu nehmen und das Verfahren von der danach zuständig gewordenen Behörde weiterzuführen. Mit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides aber ist die Zuständigkeit der Berufungsbehörde fixiert; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen in für die Zuständigkeit der Erstbehörde relevanten Umständen vermögen an der einmal gegebenen (funktionellen) Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde nichts mehr zu ändern. (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 11. April 1984, Zl. 82/11/0358, vom 30. Mai 1995, Zl. 95/18/0120, vom 21. Dezember 1999, Zl. 98/19/0142, sowie Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht,
7. Auflage, Rz 82).
Die belangte Behörde als funktionell zuständige Rechtsmittelbehörde hätte in diesem Fall zwar eine Sachentscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers treffen dürfen, allerdings hätte sie dabei die Vorschriften der §§ 47 und 49 FrG 1997 zu vollziehen gehabt. Dadurch, dass sie dies unterlassen hat, hat sie ihren Bescheid auch bei dieser Fallkonstellation mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde Feststellungen zu dem oben wiedergegebenen Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers zu treffen. Sie belastete hiedurch ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehren betrifft den Ersatz der Umsatzsteuer, die neben dem pauschalierten Ersatz von Verfahrenskosten nicht angesprochen werden kann.
Wien, am 25. August 2000
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