Normen
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;
AVG §6 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Geltungsdauer vom 14. Oktober 1994 bis 14. Oktober 1996 zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem damaligen österreichischen Ehegatten. Die Beschwerdeführerin beantragte am 29. August 1996 die Verlängerung dieser Bewilligung. Im Verwaltungsakt findet sich eine Heiratsurkunde, aus der hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin am 7. Juli 1993 (einen österreichischen Staatsbürger) geheiratet hat. Am 27. Februar 1997 wurde der damalige österreichische Ehegatte der Beschwerdeführerin vor dem Landeshauptmann von Wien niederschriftlich einvernommen. In dieser Einvernahme gab er (zuletzt) an, er habe am 7. Juli 1993 mit der Beschwerdeführerin eine Scheinehe geschlossen. Er habe für die Eheschließung S 10.000,-- erhalten. Es habe keine Vermittler gegeben. Er habe die Beschwerdeführerin zufällig kennen gelernt. Eine Ehescheidung nach einem Jahr sei vereinbart worden.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. März 1997 wies dieser den Antrag der Beschwerdeführerin vom 29. August 1996 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG 1992) ab. Gestützt auf die Angaben des damaligen österreichischen Ehegatten der Beschwerdeführerin nahm der Landeshauptmann von Wien an, die Beschwerdeführerin sei am 7. Juli 1993 eine "Scheinehe" eingegangen. Dieses Verhalten begründe die in § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1992 umschriebene Annahme, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte am 24. März 1997.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie den österreichischen Staatsangehörigen, den sie am 7. Juli 1993 geheiratet hatte, nach wie vor als "ihren Ehemann" bezeichnete.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. August 1997 gab diese der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. März 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG statt und behob den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos. Begründend führte die belangte Behörde in dieser Entscheidung aus, gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 AufG bräuchten Fremde keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, wenn sie aufgrund näher genannter Rechtsakte in Österreich Niederlassungsfreiheit genössen. Aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, Zl. B 592/96, sei § 29 FrG 1992 jedenfalls dahin auszulegen, dass die Aufenthaltsberechtigung von Drittstaatsangehörigen sämtlicher EWR-Bürger, also auch die Aufenthaltsberechtigung von Drittstaatsangehörigen österreichischer Staatsbürger, einheitlichen (begünstigenden) Regelungen unterworfen sei. Gemäß § 29 FrG 1992 unterlägen Ehegatten von EWR-Bürgern, nach dem Vorgesagten daher auch solche von Österreichern, lediglich der Sichtvermerkspflicht, genössen jedoch im Übrigen Niederlassungsfreiheit. Zu diesem Personenkreis zähle aber auch die Beschwerdeführerin. Über ihren Antrag sei folglich von einer unzuständigen Behörde entschieden worden. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben gewesen. Die erstinstanzliche Behörde wäre nämlich gehalten gewesen, den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 6 AVG an die gemäß § 65 FrG 1992 zuständige Fremdenpolizeibehörde weiterzuleiten.
Die Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin erfolgte am 22. September 1997.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Mai 1998 verfügte diese "aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel" die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 11. August 1997 abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 1 und 3 AVG in Verbindung mit § 70 Abs. 1 AVG und versetzte dieses Verfahren in den Stand vor Erlassung des zuletzt genannten Bescheides zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, nunmehr seien ihr Tatsachen bekannt geworden, die eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 3 AVG könne die Wiederaufnahme eines durch Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen verfügt werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkämen, die allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbei geführt hätten. Aufgrund von Unterlagen, welche der belangten Behörde nachträglich zugekommen seien, sei ersichtlich, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem österreichischen Ehegatten mit einem am 18. April 1997 in Rechtskraft erwachsenen Beschluss geschieden worden sei.
Weiters werde festgehalten, dass der geschiedene österreichische Ehegatte der Beschwerdeführerin zu Protokoll gegeben habe, die am 7. Juli 1993 geschlossene Ehe sei eine "Scheinehe" gewesen. Er habe dafür S 10.000,-- erhalten. Es sei von vornherein lediglich eine einjährige Ehedauer vereinbart worden. Dies sei der belangten Behörde bei Erlassung des Bescheides vom 11. August 1997 nicht bekannt gewesen, weil sich die Berufungsbehörde auf die im Antrag gemachten Angaben und vorgelegten Urkunden, die den Anschein der Vollständigkeit erweckt hätten, gestützt habe. Es seien demnach Tatsachen bekannt geworden, die einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbei geführt hätten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin erachtet sich erkennbar in ihrem Recht auf Unterbleiben der amtswegigen Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens bei Fehlen der rechtlichen Voraussetzungen hiefür verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 AVG in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 51/1991 lautete:
"§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
...
2. neue Tatsachen und Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbei geführt hätten, oder
...
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden."
§ 1 Abs. 3 Z. 1 und § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG lauteten auszugsweise:
"§ 1. ...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
1. auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbarer Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;
...
§ 2. ...
(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere
...
4. in Österreich geborene Kinder von Fremden, ..., Personen,
die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 aufenthaltsberechtigt sind oder waren,
... insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen
ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht
beeinträchtigt wird, und ..."
§ 29 und § 65 FrG 1992 lauteten (auszugsweise):
§ 29. (1) Angehörige von EWR-Bürgern, die zwar Fremde aber
nicht EWR-Bürger sind (Drittstaatsangehörige) unterliegen der Sichtvermerkspflicht gemäß § 5.
...
(3) Begünstigte Drittstaatsangehörige sind
1. Kinder bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres und Ehegatten;
...
§ 65. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese."
Zu Recht weist die Beschwerdeführerin zunächst darauf hin, dass die Angaben des geschiedenen österreichischen Ehegatten der Beschwerdeführerin, welche von der belangten Behörde (mit) als Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens ins Treffen geführt wurden, bereits aus dessen niederschriftlicher Einvernahme vor der erstinstanzlichen Aufenthaltsbehörde vom 27. Februar 1997 hervor gingen.
Demnach durfte die belangte Behörde allein aufgrund dieser Aussage nicht vom Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes des § 69 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 3 AVG ausgehen, zumal ihr diese Aussage bei Erlassung des Bescheides vom 11. August 1997 entweder bekannt war, oder aber bei Lektüre des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes hätte bekannt sein müssen. Dafür, dass die Organwalter der belangten Behörde an einer solchen Lektüre gehindert gewesen wären, ergeben sich weder aus dem Akteninhalt noch aus den Bescheidfeststellungen irgendwelche Hinweise. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens zum Nachteil des Betroffenen gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist jedoch nicht zulässig, wenn der Behörde ein Verschulden an einer allfälligen Unkenntnis der neu hervorgekommen Tatsachen traf (vgl. die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E. 265 zu § 69 AVG wiedergegebene Judikatur).
Insoweit die belangte Behörde die in Rede stehende Aussage als Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens heranzog, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Aber auch der von der belangten Behörde im Rahmen des Wiederaufnahmegrundes der neu hervor gekommenen Tatsachen weiters ins Treffen geführte Umstand der Scheidung der Ehe der Beschwerdeführerin (bereits) am 18. April 1997 vermag den angefochtenen Bescheid aus nachstehenden Erwägungen nicht zu tragen:
Es mag vorerst zutreffen, dass der am 18. April 1997 in Rechtskraft erwachsene Scheidungsbeschluss eine der belangten Behörde ohne ihr Verschulden unbekannt gebliebene neu hervor gekommene Tatsache im Verständnis des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darstellen könnte (vgl. zur nachträglichen Kenntnis der Behörde von einem Ehenichtigkeitsurteil das hg. Erkenntnis vom 27. September 1995, Zlen. 95/21/0577, 0578).
Voraussetzung für die Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG wäre aber darüber hinaus, dass die neu hervorgekommene Tatsache "allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbei geführt hätten". Der in Rede stehende Wiederaufnahmetatbestand zielt darauf ab, unrichtige Sachverhaltsannahmen der Behörde unter näher umschriebenen Voraussetzungen einer nachträglichen Korrektur zuzuführen. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG geht wohl zunächst vom Regelfall aus, dass die Behörde bei Erlassung des Bescheides im wiederaufzunehmenden Verfahren die von ihr unrichtig angenommenen Tatsachen einer richtigen rechtlichen Beurteilung zugeführt hat. In einer solchen Konstellation liegt eine im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG relevante neu hervor gekommene Tatsache dann vor, wenn ihre Berücksichtigung (wiederum) bei richtiger rechtlicher Beurteilung voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbei geführt hätte.
Der mit dem angefochtenen Bescheid aufgehobene Bescheid der belangten Behörde vom 11. August 1997 beruhte aber nicht nur auf der irrtümlichen Sachverhaltsannahme des aufrechten Bestandes der Ehe der Beschwerdeführerin, sondern auch auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes:
Die belangte Behörde ging zunächst in Einklang mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, B 592/96-6, davon aus, dass Drittstaatsangehörige von Österreichern Drittstaatsangehörigen von EWR-Bürgern im Sinne des § 29 FrG 1992 gleichzuhalten wären. Aus dieser Annahme - deren Richtigkeit hier dahingestellt bleiben kann - leitete die belangte Behörde sodann ab, dass Ehegatten von Österreichern gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG keine Aufenthaltsbewilligung benötigten. Daraus zog sie die weitere Konsequenz, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "in Wahrheit" als Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz 1992 zu qualifizieren sei. Hieraus wiederum leitete sie die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörden gemäß § 65 FrG 1992 zur Entscheidung über diesen Antrag ab.
Jedenfalls die Umdeutung des ausdrücklich auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin in einen solchen auf Erteilung eines Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz 1992 im Bescheid vom 11. August 1997 war rechtlich unzutreffend.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/1526, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführte, ist "Sache" des Verwaltungsverfahrens im Fall einer Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht die Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 29 FrG 1992. Schon die Verordnungsermächtigung des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG, welche die Bundesregierung berechtigte, Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufenthaltsberechtigt sind, unter näher umschriebenen Voraussetzungen von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen auszunehmen, zeigt, dass auch für Personen, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG erfüllen, eine Aufenthaltsbewilligung ausgestellt werden kann. Daher war die Frage, ob einem gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG Niederlassungsfreiheit genießenden Fremden (dem die Beschwerdeführerin auf Basis der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gleichzuhalten wäre), die von ihm beantragte Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht. Für eine Umdeutung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung in einen solchen auf Erteilung eines Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz 1992 bestand keine Rechtsgrundlage.
Aus dem Vorgesagten folgt zunächst, dass der mit dem angefochtenen Bescheid aufgehobene Bescheid vom 11. August 1997 bei richtiger rechtlicher Beurteilung auch auf Basis der von der belangten Behörde irrigerweise getroffenen Sachverhaltsannahmen nicht hätte ergehen dürfen. Auch wenn man - was hier dahingestellt bleiben kann - davon ausgehen wollte, dass dieser Umstand der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grunde des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nicht entgegenstünde, wobei in einer solchen Konstellation die Relevanz der neu hervor gekommenen Tatsachen an der unrichtigen Rechtsmeinung, wie sie im letztinstanzlichen Bescheid im wiederaufzunehmenden Verfahren ausgedrückt wurde, zu messen wäre, erwiese sich der angefochtene Bescheid dennoch als rechtswidrig:
Nach dem Vorgesagten liegt dem Bescheid vom 11. August 1997 die unrichtige Rechtsansicht zugrunde, ein Antrag einer Ehegattin eines Österreichers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei in Wahrheit als solcher auf Erteilung eines Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz 1992 zu werten, für dessen Behandlung die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörden bestünde. Auf Basis dieser ihrer unrichtigen Rechtsansicht hätte die belangte Behörde aber auch bei Kenntnis des Umstandes, dass die Ehe der Beschwerdeführerin am 18. April 1997, also nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, geschieden wurde, zu keinem anderen Ergebnis kommen können.
Maßgebend für die Zuständigkeit einer Behörde zur Erlassung eines Bescheides ist die Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung. Bei Änderung der für die Zuständigkeit maßgebenden Umstände ist das Verfahren von der nunmehr zuständigen Behörde fortzuführen; ändern sich aber die für die Zuständigkeit einer Behörde erster Instanz maßgeblichen Umstände nach der Erlassung des Bescheides, so ist dies für die funktionelle Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde ohne Relevanz (vgl. Antoniolli-Koja, a.a.O. 338, sowie die bei Walter-Thienel, a.a.O. E. 86 zu § 6 AVG wiedergegebene Judikatur).
Ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 11. August 1997 hätte sie daher den erstinstanzlichen Bescheid auch dann ersatzlos aufzuheben gehabt, wenn sie auf Sachverhaltsebene davon ausgegangen wäre, dass die Beschwerdeführerin, allerdings erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, ihre Eigenschaft als Angehörige eines österreichischen Staatsangehörigen verloren hätte. Diese erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretene Sachverhaltsänderung hätte nämlich die im Zeitpunkt dieser Bescheiderlassung nach Rechtsmeinung der belangten Behörde vorgelegene Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde nicht geheilt. Eine ersatzlose Behebung durch die Berufungsbehörde hat nämlich dann zu erfolgen, wenn die untergeordnete Behörde unzuständig war. Hat eine unzuständige Behörde einen Bescheid aufgrund eines Parteienantrages erlassen, dann hat die Berufungsbehörde den Bescheid nicht nur ersatzlos aufzuheben, sondern den Antrag auch an die zuständige Behörde weiterzuleiten (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz. 547). Diese Weiterleitung hätte allerdings im Falle des Eintrittes der Voraussetzungen für die Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde erst während des Berufungsverfahrens an diese letztgenannte Behörde zu erfolgen. Die Frage, an welche Behörde gemäß § 6 AVG weiterzuleiten ist, ist jedoch nicht Gegenstand des Spruches des Bescheides der Berufungsbehörde betreffend die ersatzlose Aufhebung. Die belangte Behörde wäre daher auch in Kenntnis der Ehescheidung - immer auf Basis ihrer unrichtigen Rechtsansicht - lediglich zur ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bescheides funktionell zuständig gewesen.
Die belangte Behörde hätte folglich in Kenntnis der im Zuge des Berufungsverfahrens erfolgten Ehescheidung auf Basis ihrer Rechtsansicht keinen im Spruch anders lautenden Bescheid zu erlassen gehabt. Lediglich die gemäß § 6 AVG gebotene Abtretung, die nicht einen Teil des Bescheidspruches bildet, hätte an die während des Berufungsverfahrens nach Auffassung der Berufungsbehörde zuständig gewordene Aufenthaltsbehörde erster Instanz erfolgen müssen.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren beruht auf einem Additionsfehler.
Für das fortgesetzte Verfahren ist nun Folgendes zu beachten:
Die Rechtskraft des nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides nun wieder dem Rechtsbestand angehörenden Bescheides vom 11. August 1997 reicht nur so weit, als in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Dabei ist eine Änderung des Sachverhalts wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebenden Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit zur Abweisung des Antrages der Partei geführt haben, nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Wesentlichkeit einer Sachverhaltsänderung ist in diesem Zusammenhang nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 586 f).
Da - wie oben dargelegt - für die Frage der Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides maßgeblich war, ist für die Frage, ob der im Bescheid vom 11. August 1997 erfolgte Ausspruch der Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde einer neuerlichen Entscheidung derselben über den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung entgegensteht, darauf abzustellen, ob nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Dies wäre aber unter der Voraussetzung, dass die Ehe der Beschwerdeführerin nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides geschieden wurde, auf Basis der - wie eben dargelegt - in diesem Zusammenhang maßgeblichen unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde im Bescheid vom 11. August 1997, der Fall gewesen. Die für die Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde im Zeitpunkt ihrer Bescheiderlassung auf Basis der (unrichtigen) Auffassung der Berufungsbehörde maßgebliche Sachlage (Bestand der Ehe mit einem österreichischen Staatsangehörigen) hätte sich nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in einem insoweit wesentlichen Punkt (Scheidung dieser Ehe) geändert. Damit stünde aber, ohne dass es hiezu einer Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 11. August 1997 abgeschlossenen Verfahrens bedurft hätte, nach Rechtskraft der Ehescheidung der letztgenannte Bescheid einer (neuerlichen) Qualifikation des Antrages der Beschwerdeführerin als eines solchen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und einer Entscheidung darüber durch die (neuerlich) zuständig gewordene Aufenthaltsbehörde (nunmehr die Niederlassungsbehörde) nicht im Wege. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wäre daher ungeachtet des Bescheides der belangten Behörde vom 11. August 1997 ab Rechtskraft ihrer Ehescheidung am 18. April 1997 wiederum von der erstinstanzlichen Aufenthaltsbehörde, nach Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 von der (identen) erstinstanzlichen Niederlassungsbehörde zu behandeln gewesen.
Wien, am 21. Dezember 1999
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