VwGH 98/18/0341

VwGH98/18/034117.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bazil, über die Beschwerde des BK, geboren am 4. April 1974, vertreten durch Mag. Andrea Prochaska, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 50, als beigegebene Verfahrenshelferin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. August 1998, Zl. SD 298/98, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13a;
AVG §39a Abs1;
FrG 1993 §75 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
AVG §13a;
AVG §39a Abs1;
FrG 1993 §75 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 6. August 1998 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gemäß § 75 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, fest, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Unter Verweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei zu einem nicht bekannten Zeitpunkt, angeblich am 6. April 1998, über einen unbekannten Grenzübergang und ohne Reispass in das Bundesgebiet gelangt. Anlässlich seiner Kontrolle und Festnahme am 7. April 1998 sei er im Besitz eine Handtelefons gewesen, das er von einem gewissen Patrick erhalten hätte.

Den vorliegenden Feststellungsantrag habe der Beschwerdeführer im Zug eines gegen ihn eingeleiteten Ausweisungsverfahrens erhoben. Bei seiner Einvernahme am 14. April 1998 habe er in diesem Zusammenhang zu Protokoll gegeben, dass er drei Wochen vor seiner Einreise nach Österreich nach Liberia zurückgekehrt wäre, festgestellt hätte, dass sich sein Onkel die Farm seines Vaters angeeignet hätte, und gehört hätte, dass sein Onkel jemanden angeheuert hätte, um den Beschwerdeführer umzubringen. Der Beschwerdeführer hätte seinem Onkel entkommen können und wäre an die Elfenbeinküste und weiter mit dem Schiff nach Europa geflohen. Der Beschwerdeführer habe weiters angegeben, in seiner Heimat weder strafrechtlich noch politisch verfolgt zu werden, und sein Einverständnis zu seiner Ausweisung erklärt. Der Beschwerdeführer habe den (im Feststellungsantrag behaupteten) Umstand nicht erwähnt, dass sein Onkel ein einflussreicher Politiker wäre und die Miliz bzw. Soldaten angewiesen hätte, den Beschwerdeführer festzunehmen. Auch habe der Beschwerdeführer kein Wort über seine Verhaftung durch Soldaten und die bevorstehende Hinrichtung verloren.

Die Aussage des Beschwerdeführers vom 14. April 1998 lasse die späteren schriftlichen Depositionen einwandfrei als unglaubwürdig erkennen. Der Beschwerdeführer behaupte, von seinem Onkel massiv bedroht zu werden, ohne darzulegen, worin die Bedrohung bestanden hätte. Sein Versuch, bei staatlichen Stellen, und zwar bei Gericht und der Polizei, und bei kirchlichen Stellen Schutz zu finden, wäre an der Macht seines Onkels gescheitert. Er wäre im März 1998 von Soldaten seines Onkels verhaftet worden; in der Nacht vor seiner Hinrichtung wäre dem Beschwerdeführer die Flucht gelungen, ohne dass er darlege, wie dies gelungen wäre.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, er hätte Fragen nach einer allfälligen politischen Verfolgung nicht verstanden, sei angesichts seiner ursprünglichen Angaben nicht nachvollziehbar. Bei dieser Sachlage bestehe kein Anlass zur Einräumung von Parteiengehör oder zu einer neuerlichen Vernehmung zum Sachverhalt. Es wäre dem Antragsteller oblegen, alles Zweckdienliche vorzubringen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 FrG überprüfbar und nachvollziehbar zu machen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei angesichts der obigen Darstellung nicht glaubwürdig; es seien daher keine stichhaltigen Gründe dafür zu erkennen, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, einer vom Staat ausgehenden oder auch nur gebilligten unmenschlichen Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwN.)

2. Die Beschwerde bringt vor, dass bei der Einvernahme am 7. April 1998 ein gewisser Revierinspektor P., bei jener am 14. April 1998 ein Dr. L. als Dolmetscher fungiert hätten. Es sei anzunehmen, dass es sich nicht um gerichtlich beeidete Dolmetscher der englischen Sprache gehandelt hätte. Es bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer durch nicht ausreichend befugte Dolmetscher und nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise einvernommen worden sei.

Weiters rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung ausreichender Nachforschungen durch die Behörde über jene Umstände, die für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG notwendig seien. Die Behörde habe es unterlassen, den Beschwerdeführer dahingehend zu belehren, dass er sein Vorbringen auch bezüglich der Stichhaltigkeit der Gründe für die Annahme der Gefährdung umfangreich darzulegen hätte. Hätten die Behörden den Beschwerdeführer diesbezüglich belehrt, hätte er bereits bei seinen Einvernahmen alles Zweckdienliche vorgebracht, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 FrG prüfbar und nachvollziehbar zu machen. Die Behörde habe es unterlassen, von Amts wegen durch Fragestellung darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 57 FrG geltend gemachten Umstände vervollständigt würden, Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder angebotene Bescheinigungsmittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben würden, die zur Begründung des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 57 FrG notwendig erschienen.

Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bestünden. Nach Ansicht des Beschwerdeführers habe er in seinem Antrag vom 28. April 1998 und in seinen Berufungen gegen die Ausweisung und gegen den erstinstanzlichen Feststellungsbescheid glaubwürdig und nachvollziehbar dargelegt, dass sein Onkel ein einflussreicher Politiker wäre und die Miliz bzw. Soldaten angewiesen hätte, den Beschwerdeführer festzunehmen. Bereits bei seiner Einvernahme am 14. April 1998 habe er angegeben, dass ihn sein Onkel umbringen wollte. Auf Grund der weiteren glaubwürdigen und nachvollziehbaren Angaben hätten die Behörden zur Ansicht gelangen müssen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme einer Bedrohung bestünden. Die belangte Behörde habe es weiters unterlassen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 33 FrG und § 57 Abs. 4 FrG zu begründen. Der Beschwerdeführer liefe sowohl in Liberia als auch in Cote d' Ivoir Gefahr, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

3. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

3.1. Die belangte Behörde legte ausführlich und nachvollziehbar dar, weshalb sie den Behauptungen des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte. So habe er bei seiner Einvernahme am 14. April 1998 den wesentlichen Umstand nicht erwähnt, dass sein Onkel ein einflussreicher Politiker wäre und die Miliz bzw. Soldaten angewiesen hätte, den Beschwerdeführer festzunehmen; er habe kein Wort darüber verloren, bereits von Soldaten verhaftet gewesen zu sein und dass er hätte hingerichtet werden sollen (vgl. hiezu die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers, Seite 24 der vorgelegten Verwaltungsakten). Demgegenüber habe der Beschwerdeführer später - nunmehr ganz neu - behauptet, sein Onkel hätte ihn massiv bedroht. Wegen der Macht seines Onkels wäre ihm Schutz bei staatlichen und kirchlichen Stellen verweigert worden. Er wäre von Soldaten seines Onkels verhaftet worden, jedoch wäre ihm in der Nacht vor seiner Hinrichtung die Flucht gelungen, ohne dass dargelegt worden sei, wie ihm die Flucht gelungen wäre. (Vgl. hiezu das Vorbringen im Antrag auf Feststellung, Seite 34f der Verwaltungsakten.)

3.2. Damit tat der Beschwerdeführer jedoch - entgegen seiner Ansicht - nicht dem eingangs genannten Erfordernis Genüge, im Rahmen des vorliegenden Feststellungsverfahrens das Bestehen einer aktuellen Verfolgungsgefahr im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG durch konkrete, seine Person betreffende, durch Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun, verweist doch die belangte Behörde schlüssig auf die Divergenzen in den Angaben des Beschwerdeführers, die einer Glaubhaftmachung entgegenstehen. Die von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachte Würdigung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig begegnet demnach im Rahmen der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Überprüfungsbefugnis keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 98/18/0305, mwN).

3.3. Die von der belangten Behörde aus der mangelnden Glaubhaftmachung drohender Verfolgung gezogene Schlussfolgerung, dass keine stichhaltigen Gründe im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG vorlägen, begegnet somit ebenfalls keinen Bedenken.

4.1. Durch die bloße Mutmaßung, er wäre durch nicht ausreichend befugte Dolmetscher und nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise einvernommen worden, vermag der Beschwerdeführer keinen konkreten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Zu Unrecht geht er davon aus, dass gerichtlich beeidete Dolmetscher heranzuziehen gewesen wären, weil gemäß § 39a Abs. 1 AVG grundsätzlich der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die zur Einvernahme des Beschwerdeführers beigezogenen Dolmetscher gerichtlich beeidete waren.

4.2. Die weitere Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, von Amts wegen durch Fragestellungen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben vervollständigt würden, ist ebenfalls nicht zielführend, weil die - damit erkennbar angesprochene - Verpflichtung zur Rechtsbelehrung gemäß § 13a AVG die Behörden nicht dazu verhält, einer Partei Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit dem Standpunkt der Partei von der Behörde allenfalls Rechnung getragen wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0124).

4.3. Schließlich geht die Rüge der mangelnden Begründung eines öffentlichen Interesses an der Abschiebung iSd § 57 Abs. 4 FrG schon deshalb ins Leere, weil die belangte Behörde gerade nicht zum Schluss gelangte, der Beschwerdeführer sei in Liberia iSd § 57 Abs. 2 leg. cit. bedroht, sodass das besagte öffentliche Interesse im vorliegenden Feststellungsverfahren nicht zu prüfen war.

Auch ist eine allfällige Säumigkeit der Behörden in der Entscheidung über den Feststellungsantrag betreffend Cote d' Ivoir (Elfenbeinküste) nicht Gegenstand der vorliegenden Bescheidbeschwerde.

5. Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, ist die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 2001

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