Normen
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine jugoslawische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführerin sei seit 10. Oktober 1992 auf Grund eines ihr erteilten Sichtvermerks im Bundesgebiet aufhältig. Auf Grund ihrer - mittlerweile geschiedenen - Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger seien ihr in weiterer Folge über Antrag ein Befreiungsschein sowie weitere Sichtvermerke und zuletzt eine Aufenthaltsbewilligung bis zum 11. Juli 1995 erteilt worden. Ein Verlängerungsantrag sei zweitinstanzlich mit Bescheid vom 17. November 1995 abgewiesen worden, weil der begründete Verdacht bestanden habe, die Beschwerdeführerin wäre eine Scheinehe eingegangen, um so Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bzw. eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Einer dagegen eingebrachten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof sei mit Beschluss vom 21. Oktober 1996 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.
Die Beschwerdeführerin sei während ihres Aufenthalts in Österreich viermal rechtskräftig wegen versuchten Diebstahls verurteilt worden. Nach den ersten beiden Verurteilungen durch den Jugendgerichtshof Wien vom 7. Jänner 1992 und vom 25. September 1992 sei von der Bundespolizeidirektion Wien ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung gegen die Beschwerdeführerin eingeleitet worden. Die Fremdenbehörde habe dann aber von einer fremdenpolizeilichen Maßnahme Abstand genommen und die Beschwerdeführerin (niederschriftlich) dahingehend verwarnt, dass sie bei weiteren Verstößen gegen die österreichische Rechtsordnung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen hätte. Dessen ungeachtet sei die Beschwerdeführerin neuerlich straffällig und am 12. Jänner 1994 vom Bezirksgericht Floridsdorf und am 28. Februar 1997 vom Bezirksgericht Hernals jeweils wegen versuchten Diebstahls rechtskräftig verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin bestreite diese Verurteilungen nicht, wende jedoch ein, dass diese eine derart geringe "kriminelle Energie" aufwiesen, dass sie nicht als Voraussetzung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß §§ 18 bis 20 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, herangezogen werden könnten.
Nach (dem nunmehr in Kraft stehenden) § 36 Abs. 1 FrG könne gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, dass ein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. § 36 Abs. 2 FrG sehe in seiner Z. 1 als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 vor, dass der Fremde mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei. Dieser Tatbestand sei durch die viermalige rechtskräftige Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen versuchten Diebstahls zweifelsfrei erfüllt. Weder der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 12. Jänner 1994 betreffend Absehung vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht, in dem das Gericht seiner Hoffnung Ausdruck verliehen habe, dass der Vollzug der Geldstrafe ausreiche, die Beschwerdeführerin in Hinkunft von weiteren Straftaten abzuhalten, noch ihre niederschriftliche Verwarnung durch die Erstbehörde hätten die Beschwerdeführerin davon abhalten können, neuerlich in fremdes Eigentum einzugreifen. Sie bringe durch ihr Verhalten eine derart krasse Geringschätzung fremden Vermögens zum Ausdruck, dass vorliegend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - gerechtfertigt und erforderlich erscheine.
Die Beschwerdeführerin lebe seit etwa fünfeinhalb Jahren mit ihren drei minderjährigen Kindern in Österreich, weshalb von einem Eingriff in ihr Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG auszugehen gewesen sei. Dessen ungeachtet sei die gegen die Beschwerdeführerin gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten. Ihr bisheriges Verhalten verdeutliche sehr augenfällig, dass sie offenbar nicht in der Lage oder nicht Willens sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Eine Zukunftsprognose könne daher für die Beschwerdeführerin nicht positiv ausfallen, zumal sie - wie dargelegt - ungeachtet der bereits erfolgten Verurteilung und trotz der niederschriftlichen Ermahnung an ihrer kriminellen Neigung festgehalten habe.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den etwa fünfeinhalbjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich beeinträchtigt werde. Ihrer Sorgepflicht gegenüber ihren minderjährigen Kindern könne die Beschwerdeführerin grundsätzlich auch dadurch nachkommen, dass sie die Kinder ins Ausland mitnehme. Diesen - solcherart geminderten - privaten Interessen der Beschwerdeführerin stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität "entgegen". Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde führt gegen den bekämpften Bescheid unter anderem ins Treffen, dass § 36 Abs. 1 FrG im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach dem Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, selbst im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 FrG nicht mehr von der zwingenden Erlassung eines Aufenthaltsverbotes spreche; vielmehr habe diese nach Ermessen der Behörde (arg.: "kann") zu erfolgen.
Damit zeigt die Beschwerde im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
2. Der vorliegend maßgebliche § 36 Abs. 1 FrG lautet:
"Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
- 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder
- 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft."
Diese Bestimmung räumt der Behörde insofern Ermessen ein, als sie die Behörde ermächtigt, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der in den §§ 36 bis 38 FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen abzusehen. Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von dem besagten Ermessen "im Sinne des Gesetzes" Gebrauch zu machen. Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu in seinem Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490, ausgesprochen, dass die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 1 FrG in Erwägung zu ziehen hat, ob und wenn ja welche Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sprechen und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des FrG leiten zu lassen.
Es könnten etwa - anders als bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG - öffentliche Interessen zugunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Maßnahme nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 36 Abs. 1 FrG dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0123, mwH.)
3. Die belangte Behörde hat jedoch im bekämpften Bescheid zur Frage des Ermessens lediglich festgehalten, dass das Aufenthaltsverbot "vorliegend ... gerechtfertigt und erforderlich" erscheine. In seinem eben zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass eine vergleichbare Wortfolge (nämlich: "in einem solchen Fall...gerechtfertigt") nach dem unter II.2. Gesagten keinesfalls eine nachvollziehbare Begründung der Ermessensentscheidung darstelle und die Behörde ihren Bescheid in diesem Beschwerdefall insofern mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet habe. Der Gerichtshof sieht keinen Anlass, im Fall des vorliegend angefochtenen - ebenso wie im Beschwerdefall Zl. 98/18/0123 kurze Zeit nach dem Inkrafttreten des FrG mit 1. Jänner 1998 (§ 111 Abs. 1 leg. cit.) erlassenen - Bescheides von dieser Rechtsprechung abzugehen.
3. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. August 2000
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