VwGH 98/18/0071

VwGH98/18/007118.1.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des M I, (geboren am 12. November 1957), in Wien, vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Februar 1998, Zl. SD 1047/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §130;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs2;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §130;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Februar 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der zuvor nach sichtvermerksfreier Einreise auf Grund einer Verpflichtungserklärung über einen bis 25. April 1989 gültigen Sichtvermerk verfügt und sich am 3. Mai 1989 wieder nach Jugoslawien abgemeldet habe, sei im November 1989 wieder nach Österreich gekommen und habe wieder kurzfristige Sichtvermerke auf Grund einer Verpflichtungserklärung erhalten. Erst ab Jänner 1991 habe er eine Beschäftigungsbewilligung (zunächst als Fensterputzer, dann als Kraftfahrer) erhalten und habe sich hier niederlassen können.

Der Beschwerdeführer sei am 4. Februar 1994 vom Bezirksgericht Floridsdorf wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu einer Geldstrafe und am 5. Mai 1997 (vom Landesgericht Wiener Neustadt) wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, § 130 erster Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon einem Monat unbedingt, jeweils rechtskräftig verurteilt worden. Wie aus der Begründung des (letztgenannten) Urteils hervorgehe, habe er im Zeitraum von Ende 1996 bis April 1997 im Raum Wien und in Brunn/Gebirge in diversen Großmärkten gewerbsmäßig Waren gestohlen und sei bei der Strafbemessung u.a. die Wiederholung der strafbaren Handlungen als erschwerend gewertet worden. Demnach bestehe kein Zweifel, dass die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG in zweifacher Hinsicht vorlägen, weil der Beschwerdeführer zum einen von einem inländischen Gericht zu einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten, zum anderen mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei.

Das den gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige zweifellos die öffentliche Ordnung und Sicherheit in hohem Maß, sodass vorliegend (auch) die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. In einem solchen Fall sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter dem Vorbehalt der §§ 37 und 38 leg. cit. gerechtfertigt und notwendig.

Auf Grund des bisherigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers (und im Hinblick auf seine aufrechte Beschäftigung) im Bundesgebiet liege ein mit diesem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privatleben vor. Dessen ungeachtet sei jedoch die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes auf Grund des Dringend-geboten-Seins dieser Maßnahme im Grunde des § 37 FrG zu bejahen. Wie oben dargelegt, sei der Beschwerdeführer nicht einmal durch eine rechtskräftige Verurteilung davon abgehalten worden, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Hiemit habe er deutlich dokumentiert, dass er nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten strafrechtlichen Normen seines Gastlandes zu beachten. Vor allem der Umstand, dass er zuletzt wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt worden sei, lasse eine positive "Zukunftsprognose" für ihn nicht zu. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen ihn sei daher zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter als dringend geboten zu erachten.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den achtjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass der daraus ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers in erheblichem Maß beeinträchtigt worden sei. Diesen solcherart geschmälerten privaten Interessen des Beschwerdeführers sei das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüberzustellen. Bei Abwägung dieser Interessen gelange die belangte Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Der Hinweis des Beschwerdeführers, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wäre im Grunde des § 38 "Abs. 3" (offensichtlich gemeint: Abs. 1 Z. 3) FrG unzulässig, geht schon im Hinblick darauf, dass er keinen zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz im Bundesgebiet aufzuweisen vermöge, ins Leere. Ebenso seien die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 FrG nicht gegeben.

Was die Gültigkeitsdauer dieser Maßnahme betreffe, so erscheine die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Befristung gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (zweiter und vierter Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Gegen diese Beurteilung bestehen im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen zu den beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers, denen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Straftaten zu Grunde liegen, keine Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer vertritt indes die Meinung, die belangte Behörde hätte zu begründen gehabt, weshalb sie betreffend sein zukünftiges Verhalten zu einer weniger günstigen "Zukunftsprognose" als das Landesgericht Wiener Neustadt gelange, das in seinem Urteil die Verhängung einer zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe für ausreichend angesehen habe, um ihn in Zukunft von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Obwohl der Beschwerdeführer bereits einmal wegen einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen - wenn auch nur zu einer Geldstrafe - rechtskräftig verurteilt worden war, konnte ihn diese Verurteilung nicht davon abhalten, innerhalb eines Zeitraums von nicht einmal drei Jahren in einschlägiger Weise rückfällig zu werden und ein weit gravierenderes Vermögensdelikt, nämlich gewerbsmäßig einen schweren Diebstahl, zu begehen.

Darüber hinaus verkennt die Beschwerde, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigt-Seins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den die Strafbemessung und die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichtes und ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes zu beurteilen hatte. Dass auch eine teilbedingt nachgesehene Strafe ein Aufenthaltsverbot rechtfertigen kann, ergibt sich im Übrigen auch aus § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zlen. 99/18/0015, 0033, mwN).

In Anbetracht des gesamten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sein weiterer Aufenthalt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründe und somit die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann auch keine Rede davon sein, dass diese Annahme einer weitergehenden Begründung im angefochtenen Bescheid bedurft hätte.

3. Auch das Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde die Beurteilung nach § 37 Abs. 2 FrG unrichtig getroffen habe, ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides zugunsten des Beschwerdeführers auf dessen seit November 1989 durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich Bedacht genommen und zutreffend einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff in sein Privatleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat aber - unter gebührender Bedachtnahme auf diese persönliche Interessenlage - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten sei. Dieser Beurteilung ist beizupflichten, hat doch der Beschwerdeführer dadurch, dass er im Jahr 1996 in einschlägiger Weise rückfällig wurde und bis April 1997 gewerbsmäßig in wiederholten Tathandlungen einen schweren Diebstahl verübte, klar zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich nicht gewillt ist, die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften zu respektieren.

Im Hinblick auf dieses große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Selbst wenn er, wie die Beschwerde vorbringt, seit fast zehn Jahren, seit 1988, durchgehend in Österreich aufhältig sein sollte, käme den für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechenden persönlichen Interessen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch sein Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse, zumal die Integration des Beschwerdeführers in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch dieses Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde.

4. Wenn die Beschwerde vorbringt, es stelle eine denkunmögliche Rechtsauslegung dar, wenn die belangte Behörde das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, das überhaupt erst zur Notwendigkeit einer "Ermessensabwägung" geführt habe, nunmehr nochmals dazu verwende, um die Wertigkeit seiner sozialen Integration durch eben diese Straffälligkeit niedriger zu erachten, als es ohne eine etwaige Straffälligkeit der Fall wäre, ist ihr zu entgegnen, dass mit der von der belangten Behörde angenommenen Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente nichts anderes zum Ausdruck gebracht wird, als dass das große Gewicht des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers durch seine aus seiner Integration (die neben der Dauer seines Aufenthaltes auch von seinem Verhalten in Österreich abhängt) ableitbaren persönlichen Interessen nicht wesentlich reduziert wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 99/18/0123).

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Jänner 2000

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