VwGH 99/18/0123

VwGH99/18/012316.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des B L, (geboren am 21. November 1965), vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 1999, Zl. St 1082/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, der sich nach der Aktenlage seit 28. September 1992 im Bundesgebiet befinde, sei am 30. April 1998 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Suchtgifthandels nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 Suchtmittelgesetz, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass er im Zeitraum von Anfang Jänner 1998 bis in die zweite Februarhälfte 1998 etwa 45 g Heroin in der Absicht in Verkehr gesetzt habe, sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Angesichts dieses die öffentliche Ordnung und Sicherheit im höchsten Maß gefährdenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne kein Zweifel bestehen, dass vorliegend nicht nur der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, sondern sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - als gerechtfertigt erweise.

Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG betreffe, sei zunächst festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer genannten und ebenfalls im Bundesgebiet lebenden Angehörigen (Schwester, Nichte und Neffe) nur dann vom Schutzbereich dieser Norm erfasst wären, wenn sie mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebten, was nach der Aktenlage jedoch nicht der Fall sei und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden sei. Auf Grund seines mehr als sechsjährigen inländischen Aufenthaltes sei jedenfalls von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme zu bejahen, weil im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung des Aufenthaltsverbots aus den im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen (konkret: mit Rücksicht auf die Verhinderung von strafbaren Handlungen und den Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei und unter Bedachtnahme auf die hohe Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten selbst eine ansonsten völlige soziale Integration des Fremden der Erlassung der vorliegenden Maßnahme auch aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstehe. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden. Dies umso mehr, als auch der aus seinem etwa sechsjährigen inländischen Aufenthalt ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten (vor allem den Suchtgifthandel in Form der gewerbsmäßigen Begehung) eine ganz erhebliche Minderung erfahren habe.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Unmöglichkeit der Rückreise in sein Heimatdorf wegen der Verweigerung des Militärdienstes sei im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, weil mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht die Verpflichtung zur Ausreise in ein bestimmtes Land ausgesprochen werde und bei der Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG unter dem Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG nur ein solcher zu verstehen sei, der sich auf das in Österreich geführte Privatleben des Fremden erstrecke, und nicht Umstände dazu zählten, die künftig in einem (bestimmten) anderen Land das Privatleben des Fremden beeinträchtigen könnten.

Zutreffend habe die erstinstanzliche Behörde das vorliegende Aufenthaltsverbot auf unbestimmte Zeit (unbefristet) erlassen. Angesichts des aufgezeigten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und vor allem auf Grund der Tatsache, dass er in gewerbsmäßiger Absicht gehandelt habe, könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde hält indes den angefochtenen Bescheid im Grunde des § 37 FrG für rechtswidrig und vertritt die Ansicht, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht dringend geboten sei, um die Öffentlichkeit vor dem Beschwerdeführer zu schützen, weil im Hinblick auf seine Verbüßung der Freiheitsstrafe von seiner Läuterung auszugehen sei.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den mehr als sechsjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und die daraus ableitbare Integration zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben angenommen. Wenn sie trotzdem die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG bejaht hat, ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen. Zu Recht hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 99/18/0022, mwN) die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch unter Bedachtnahme auf die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers auf Grund der konkret betroffenen, in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit dringend geboten ist. Diese Notwendigkeit wird im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, dass dem Beschwerdeführer die gewerbsmäßige Begehung des Suchtgiftdelikts zur Last liegt und er die strafbare Handlung somit in der Absicht vorgenommen hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Mit dem Beschwerdevorbringen, dass er mittlerweile die über ihn verhängte Freiheitsstrafe verbüßt habe und dadurch geläutert sei, ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen, liegt doch das für seine Verurteilung ausschlaggebende Fehlverhalten des Beschwerdeführers, das dieser unbestrittenermaßen von Anfang Jänner 1998 bis in die zweite Februarhälfte 1998 gesetzt hat, noch viel zu kurz zurück, um auf Grund des verstrichenen Zeitraums eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die besagten öffentlichen Interessen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides annehmen zu können.

Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich. Die aus dem mehr als sechsjährigen Aufenthalt und der behaupteten beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich ableitbare Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangene Straftat eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Im Übrigen ist mit der belangten Behörde festzuhalten, dass auf Grund der großen Sozialschädlichkeit von Suchtgiftdelikten selbst eine ansonsten volle soziale Integration des Beschwerdeführers der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zl. 98/18/0170, mwN). Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten nachhaltigen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.

2.3. Soweit die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde "im Lichte des § 37 Abs. 1 FrG" die "Ermessensabwägung" unrichtig vorgenommen habe und hiebei - wie sich aus § 38 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. Abs. 2 FrG ableiten lasse - das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers nicht als Grund für eine Minderung seiner privaten Interessen hätte heranziehen dürfen, ist ihr zu entgegnen, dass mit der von der belangten Behörde angenommenen Minderung der Integration in ihrer sozialen Komponente nichts anderes zum Ausdruck gebracht wird, als dass das große Gewicht des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers durch seine aus seiner Integration (die neben der Dauer seines Aufenthaltes auch von seinem Verhalten in Österreich abhängt) ableitbaren persönlichen Interessen nicht wesentlich reduziert wird.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 16. April 1999

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