VwGH 98/16/0311

VwGH98/16/031117.5.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Nikolaus Schindler, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 16. September 1998, Zl. RV129/1-9/98, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21;
BewG 1955 §15 Abs1;
BewG 1955 §17 Abs2;
BewG 1955 §3;
ErbStG §19 Abs1;
ErbStG §19 Abs2;
BAO §21;
BewG 1955 §15 Abs1;
BewG 1955 §17 Abs2;
BewG 1955 §3;
ErbStG §19 Abs1;
ErbStG §19 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Universalerbin nach ihrer am 3. September 1997 verstorbenen Tante. Im Nachlass befand sich unter anderem ein verbüchertes Bestandrecht an einer Wohnung, welches auf einen zwischen der Erblasserin mit der W-GmbH (im Folgenden: Bestandgeberin), am 18. Februar 1974 abgeschlossenen "Wohnbesitz-(Bestand-)Vertrag" zurückgeht. Die W-GmbH hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, aufgrund eines ihr bis zum 6. Juli 2050 zustehenden Baurechtes errichtet. Das gesamte Bestandentgelt in Höhe von S 310.537,- war bereits mit 1. Juni 1973 fällig. Der Vertrag war für die Bestandgeberin bis 6. Juli 2050 unkündbar bzw. konnte nur aus wichtigem Grund von ihr aufgelöst werden. Dem Bestandnehmer kam ein Kündigungsrecht zu, wobei Voraussetzung die Nominierung eines Nachfolgers war. In diesem Fall sollte der ausscheidende Bestandnehmer von der Bestandgeberin die zwischen ihm und dem Nachfolger vereinbarte und vom Nachfolger einbezahlte Summe ausbezahlt erhalten. Das Nutzungsrecht war ausdrücklich vererblich. Für den Fall, dass dies gesetzlich zulässig werden sollte, war die Einräumung von Wohnungseigentum in Aussicht genommen, wozu die Bestandgeberin im Voraus ihre Zustimmung erteilte. Im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens wurde dieses Bestandrecht mit dem Bestandentgelt bewertet.

Mit dem am 15. Jänner 1998 erlassenen Bescheid schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg der Beschwerdeführerin Erbschaftssteuer vor. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage bewertete das Finanzamt das Bestandrecht ausgehend von einem fiktiven monatlichen Mietzins von S 90,-/m2 mit dem 18-fachen Jahresbetrag (§ 15 Abs. 1 BewG).

Nach einer diesbezüglich nicht stattgebenden Berufungsvorentscheidung beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und berief sich darauf, dass eine Durchschnittsmiete von S 90,-/m2 überhöht sei, es seien höchstens S 60,- bis S 80,-

erzielbar. Die Wohnung sei abgewohnt. Außerdem dürfe die Bewertung nicht zu einem höheren Ergebnis führen als ein anteiliger Grundstücks-Einheitswert.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung zu anderen Punkten statt und setzte die Erbschaftssteuer ausgehend von einem fiktiven Zins von S 90,-/m2 fest Die belangte Behörde begründete dies damit, dass an der erblichen Wohnung von der Erblasserin das Wohnungsrecht mit Wohnbesitz- (Bestands-) Vertrag erworben worden sei. Daher sei auch im Verlassenschaftsverfahren der Wert dieser Wohnung mit einem fiktiven Nutzungswert zu errechnen und nicht der Einheitswert als Grundlage für die Nachlassaktiva einzusetzen gewesen. Ein Wohnbesitz- (Bestands-) Gegenstand sei nicht einer Eigentumswohnung gleichzuhalten. Ein solcher Gegenstand sei nicht nach § 19 Abs. 2 ErbStG mit dem Einheitswert für inländisches Grundvermögen zu bewerten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerin - aus dem Beschwerdeinhalt immerhin erkennbar - in ihrem Recht auf Anwendung des Einheitswertes verletzt erachtet.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 19 Abs. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 (ErbStG) richtet sich die Bewertung grundsätzlich nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften). Unter anderem für inländisches Grundvermögen sieht § 19 Abs. 2 ErbStG (in der hier anwendbaren Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000) jedoch eine Bewertung mit dem vor Entstehen der Steuerschuld zuletzt festgestellten Einheitswert nach den Vorschriften des Zweiten Teiles des Bewertungsgesetzes (Besondere Bewertungsvorschriften) vor. Nach dem - im Ersten Teil des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) enthaltenen - § 15 Abs. 1 BewG ist der Gesamtwert von wiederkehrenden Nutzungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, die Summe der einzelnen Jahreswerte abzüglich der Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen, wobei von einem Zinssatz von 5,5% p. a. auszugehen ist. Der Gesamtwert darf das Achtzehnfache des Jahreswertes nicht übersteigen. Dabei sind gemäß § 17 Abs. 2 BewG Nutzungen und Leistungen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbraucherortes anzusetzen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die Nachweise bei Dorazil, ErbStG3 (1990), Pkt. 9.21 zu § 19 ErbStG, und Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, III Erbschafts- und Schenkungssteuer Rz 84 Abs. 2 zu § 19 ErbStG, insbesondere das hg. Erk. vom 2. März 1972, Zl. 929/71; zuletzt siehe das Erk. vom 27. Mai 1999, Zl. 96/16/0038) kann allerdings der Wert des Nutzungsrechts an einem Wirtschaftsgut nicht größer sein, als der steuerliche Wert des genutzten Wirtschaftsgutes selbst. Ein Nutzungsrecht an einer Wohnung, worunter jedenfalls auch ein dingliches Bestandrecht zu verstehen ist, kann also höchstens mit dem auf die Wohnung entfallenden Anteil am Einheitswert - im vorliegenden Fall jenem des Baurechts der Bestandgeberin - in die Erbschaftssteuerbemessungsgrundlage einfließen. Dieser Anteil ist nach § 3 BewG, wonach der Wert eines mehreren Personen zustehenden Wirtschaftsgutes (darunter ist hier nach dem hg. Erk. vom 13. Dezember 1995, Zl. 93/13/0067, die wirtschaftliche Einheit zu verstehen, die den Oberbegriff bildet; diese kann sowohl ein einzelnes Wirtschaftsgut sein, als auch sich aus mehreren Wirtschaftsgütern zusammensetzen) auf die Beteiligten im Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen ist, zu ermitteln, wobei im vorliegenden Fall so vorzugehen ist, wie wenn eine Eigentumswohnung zu bewerten wäre.

Die belangte Behörde ist zwar zunächst zutreffend von einer wiederkehrenden Nutzung, welche nach § 15 Abs. 1 BewG zu bewerten ist, ausgegangen, hat aber die Maßgeblichkeit des anteiligen Einheitswertes als Obergrenze für die Bewertung außer Acht gelassen. Die im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretene Ansicht, ein Bestandrecht sei nicht einer Eigentumswohnung gleichzuhalten, verkennt darüber hinaus, dass der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nach § 21 BAO auch im Bereich des BewG Geltung hat (vgl. das hg. Erk. vom 23. November 1987, Zl. 87/15/0068). Dieser Grundsatz verbietet es aber, Bestandrechte, die dem Bestandnehmer zwar ähnliche, aber weniger Rechte als einem Wohnungseigentümer einräumen, höher zu bewerten als ein mit Wohnungseigentum verbundener Miteigentumsanteil am selben Objekt zu bewerten wäre.

Der angefochtene Bescheid war somit inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Mai 2001

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