Normen
BAO §208 Abs2;
GrEStG 1955 §1;
GrEStG 1955 §18 Abs3;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
BAO §208 Abs2;
GrEStG 1955 §1;
GrEStG 1955 §18 Abs3;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 7. Dezember 1982 verkauften der Beschwerdeführer und seine Gattin die ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft EZ 3, KG Wies, Grundbuch Eibiswald, an M. J. . In der Abgabenerklärung, die am 5. Jänner 1983 beim Finanzamt für Gebühren für Verkehrsteuern Graz (Finanzamt) einlangte, wurde der Kaufgegenstand beschrieben, der Kaufpreis genannt und um Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 angesucht. Mit Schreiben vom 20. Jänner 1983 wies das Finanzamt die Käuferin auf die Pflichten gemäß § 18 Abs. 3 Z. 5 GrEStG 1955 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 hin.
Nach Zwangsversteigerung der gegenständlichen Liegenschaft wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Eibiswald vom 30. September 1986 der Zuschlag an E. E. und M. E. erteilt. Dieser Erwerbsvorgang wurde dem Finanzamt am 21. Oktober 1986 mit dem dafür vorgesehenen Formular angezeigt; der im Formular unter Punkt 4 lit. b enthaltene Text wurde durch den Hinweis, dass das Grundstück vom Veräußerer im Jahr 1982 durch den Kauf vom 7. Dezember 1982 erworben wurde, vervollständigt; unter Punkt 4 lit. c erfuhr der vorgedruckte Text "für den zu b) genannten Erwerbsvorgang wurde seinerzeit Grunderwerbsteuerbefreiung wegen .... beantragt" keine Veränderung oder Ergänzung.
Die diesbezüglich vom Beschwerdeführer schon im Berufungsverfahren und mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde vorgelegte Abgabenerklärung war zwar, wie aus dem Formularausdruck hervorgeht, für das Lagefinanzamt (Bewertungsstelle) bestimmt und enthält einen Einlaufstempel des Finanzamtes Deutschlandsberg, nicht aber des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Graz.
Mit Schreiben vom 7. Jänner 1992 richtete das Finanzamt an das Gemeindeamt Wies die Anfrage, ob das Grundstück bebaut wurde. Die Gemeinde antwortete mit Schreiben vom 23. Jänner 1992, dass das Grundstück unbebaut geblieben sei und dass es mit Versteigerung vom 30. September 1986, "(mitgeteilt am 15. Dezember 1986)" an E. E. und M. E. weiter veräußert worden sei. Darauf schrieb das Finanzamt mit Bescheid vom 15. September 1993 der M. J. die Grunderwerbsteuer gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 vor. Dieser Bescheid konnte nicht zugestellt werden, da M. J. verzogen war. Eine eingeholte Meldeauskunft verlief zunächst negativ.
Mit ("Solidarschuld-")Bescheid vom 16. August 1994 schrieb das Finanzamt dem Beschwerdeführer gemäß § 9 GrEStG 1987 in Verbindung mit § 6 BAO auf Grund der Gesamtschuldnerschaft mit M. J. die zur Gänze offene Grunderwerbsteuer vor.
In seiner dagegen erhobenen Berufung gab der Beschwerdeführer die Anschrift der M. J. an. Die Käuferin hätte die Absicht gehabt, eine Arbeiterwohnstätte zu errichten, sei aber finanziell in Schwierigkeiten geraten, sodass es schließlich zur Zwangsversteigerung gekommen sei. Es sei unbillig, ihn 12 Jahre nach dem Verkaufsabschluss zur Haftung heranzuziehen, es liege Verjährung vor. Die Käuferin könne zur Tilgung herangezogen werden.
In der Folge legte der Beschwerdeführer ein Schreiben des Ehegatten der M. J. vom 29. August 1994 vor, wonach M. J. nach einem Verkehrsunfall im Jahre 1992 nicht mehr berufstätig sei und dass bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Forderungen des Finanzamtes an M. J. herangetragen worden seien.
Offenbar auf Grund dieser Adressenangabe wandte sich das Finanzamt an das Finanzamt für den 12., 13., 14. und 23. Bezirk mit der Bitte um zwangsweise Einbringung des Abgabenbetrages auf Grund des Rückstandsausweises vom 9. November 1994 an M. J. . Nach dem Rechenschaftsbericht des Vollstreckers wurden am 16. Dezember 1994, 15. März 1995, 18. Juli 1995 und 24. Oktober 1995 Vollstreckungsversuche unternommen, die Abgabenschuldnerin wurde aber nicht angetroffen. Auch der Versuch einer Lohnpfändung scheiterte, weil die Drittschuldneranfrage negativ war.
In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 25. November 1997 führte das Finanzamt aus, es habe erst durch Anfrage an die Gemeinde Wies im Jänner 1992 von der Aufgabe des begünstigten Zweckes Kenntnis erlangt, sodass keine Verjährung vorliege. Die Grunderwerbsteuer sei bei der Käuferin uneinbringlich.
In seinem Vorlageantrag verwies der Beschwerdeführer auf die Abgabenerklärung, die die Erwerber am 20. Oktober 1986 nach der Zwangsversteigerung abgegeben haben. Durch diese Abgabenerklärung hätte die Behörde jedenfalls Kenntnis von der Änderung des bisherigen Sachverhaltes erlangt, weshalb mit 31. Dezember 1991 Verjährung eingetreten sei. Gerügt wird auch, dass keine Einbringungsversuche bei der Käuferin unternommen worden seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Zur geltend gemachten Verjährung führte die belangte Behörde aus, unter einer ordnungsgemäßen Anzeige im Sinne der Bestimmungen des § 208 Abs. 2 BAO könne nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur eine solche verstanden werden, die gegenüber der zuständigen Abgabenbehörde zeitgerecht, richtig und vollständig erstattet werde. Der unbestrittenen Anzeige der Erteilung des Zuschlages vom 20. Oktober 1986 sei aus der dafür vorgesehenen Rubrik 4c nicht zu entnehmen, dass die Veräußerin M. J. anlässlich des Erwerbes der Liegenschaft am 7. Dezember 1982 Grunderwerbsteuerbefreiung beantragt habe. Die Aufgabe des begünstigten Zweckes durch den der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang vom 30. September 1986 sei somit nicht ordnungsgemäß angezeigt worden, weil die Anzeige nicht geeignet gewesen sei, der Behörde ein vollständiges Bild über den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt zu verschaffen. M. J. sei ihrer Verpflichtung zur Anzeige der Aufgabe des begünstigten Zweckes nicht nachgekommen. In Begünstigungsfällen trete der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund. Erst durch die Vorhaltsbeantwortung der Gemeinde Wies vom 27. Jänner 1992 habe die Behörde Kenntnis von der Aufgabe des begünstigten Zweckes erlangt. Daher sei die Verjährung erst mit 31. Dezember 1992 in Lauf gesetzt worden.
Die Berufungsbehörde verwies auch auf zahlreiche ergebnislose Exekutionsversuche gegenüber M. J., weshalb die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Entrichtung der Abgabenschuld aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit auch noch nach fast 12 Jahren gerechtfertigt gewesen sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt erachtet, nach Eintritt der Verjährung keine Grunderwerbsteuer mehr entrichten zu müssen.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten
und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der auf den Beschwerdefall noch anzuwendende § 4 GrEStG 1955
lautete auszugsweise:
"(1) Von der Besteuerung sind ausgenommen:
... 2. beim Arbeiterwohnstättenbau
a) der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten
...
(2) ... Die im Abs. 1 Z. 1 bis 4 und Z. 7 bezeichneten Erwerbsvorgänge unterliegen der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von acht Jahren aufgegeben wird."
Gemäß § 17 Z. 4 GrEStG 1955 sind Steuerschuldner bei allen übrigen Erwerbsvorgängen die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen.
Nach § 18 Abs. 3 Z. 5 leg. cit. ist die Abgabenerklärung nach Abs. 1 binnen zwei Wochen auch dann vorzulegen, wenn einer der im § 4 Abs. 2 oder § 9 Abs. 2 angeführten Tatbestände eintritt.
Die Verjährungsfrist für die Grunderwerbsteuer beträgt gemäß § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre. Gemäß § 208 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährung des Rechtes auf Festsetzung der Grunderwerbsteuer in den Fällen, in denen der dieser Abgabe unterliegende Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wird, nicht vor Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von dem Erwerbsvorgang Kenntnis erlangt; dies gilt sinngemäß auch für die gemäß § 18 Abs. 3 GrEStG 1955 zu erklärenden Umstände. Ordnungsgemäß angezeigt heißt in diesem Zusammenhang zeitgerecht, richtig, vollständig und bei der zuständigen Behörde angezeigt (vgl. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II/3 - Grunderwerbsteuergesetz 1987, § 1, Rz 50 wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).
Gemäß § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Im vorliegenden Fall ist entscheidend, ob eine "ordnungsgemäße Anzeige" aller Umstände vor dem 31. Dezember 1986 vorlag; bei Bejahung dieser Frage begann die Verjährungsfrist am 1. Jänner 1987 und endete mit 31. Dezember 1991.
Die seinerzeitige Abgabenerklärung vom 21. Dezember 1982 enthielt alle für die Beurteilung des Abgabensachverhaltes erforderlichen Umstände; offenbar ist auf Grund dieser Abgabenerklärung die Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt worden.
Auch wenn der Beschwerdeführer nur die für das Lagefinanzamt bestimmte Durchschrift der Abgabenerklärung vom 20. Oktober 1986 vorgelegt hat, ist die belangte Behörde selbst im angefochtenen Bescheid und in der Gegenschrift davon ausgegangen, dass auch ihr diese Abgabenerklärung zugekommen ist. Diese Abgabenerklärung enthielt aber nicht nur den Hinweis auf das Vorgeschäft zwischen dem Beschwerdeführer und M. J., sondern auch darauf, dass seinerzeit Grunderwerbsteuerbefreiung beantragt worden sei. Aus diesen Angaben ergab sich unzweifelhaft, dass vier Jahre vorher ein Erwerb stattgefunden hatte, für den eine - wenn auch nicht näher präzisierte - Grunderwerbsteuerbefreiung geltend gemacht worden war.
Jedenfalls war auf Grund der Abgabenerklärung vom 20. Oktober 1986 im Zusammenhang mit der Abgabenerklärung vom 22. Dezember 1982 das Finanzamt ohne weiteres im Stande, das Vorliegen des Verwirkungstatbestandes nach § 4 Abs. 2 GrEStG zu beurteilen. Durch die Weiterveräußerung der Liegenschaft innerhalb der Frist von 8 Jahren und vor Erfüllung des begünstigten Zweckes wird nämlich der begünstigte Zweck aufgegeben, wobei auch die Weiterveräußerung im Zuge einer gerichtlichen Versteigerung eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes durch den Erwerber darstellt (siehe die Nachweise bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern II/3, Grunderwerbsteuergesetz 1955, erging zum H 14/1H zu § 4 Abs. 2 GrEStG).
Die belangte Behörde beruft sich darauf, dass in Begünstigungsfällen der Grundsatz der Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund trete und es an der Partei liege, die Umstände darzulegen, die für eine Begünstigung sprechen. Trotzdem hat sie von sich aus, allerdings erst am 7. Jänner 1992, beim Gemeindeamt angefragt, ob das Grundstück bebaut wurde. Genau diese Anfrage hätte aber auch auf Grund der Abgabenerklärung vom 20. Oktober 1986 erfolgen können, womit vollständige Gewissheit über den Abgabentatbestand vorgelegen wäre.
Der vorliegende Fall ist mit dem vergleichbar, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 4. März 1999, Zl. 98/16/0372, entschieden hat. Damals war in einem 1984 abgeschlossenen Kaufvertrag die Grunderwerbsteuerbefreiung in Anspruch genommen worden, im Jahr 1989 erfolgte eine Zwangsversteigerung, was der Abgabenbehörde in diesem Jahr bekannt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof ging davon aus, dass die Verjährungsfrist am 1. Jänner 1990 zu laufen begonnen hätte und ohne Unterbrechungshandlung die Verjährung am 31. Dezember 1994 eingetreten wäre; allerdings wurden Unterbrechungshandlungen in Gestalt von Anfragen in den Jahren 1988 und 1993 festgestellt, sodass gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist neu zu laufen begann.
Im vorliegenden Fall liegen solche Unterbrechungshandlungen zwischen dem 1. Jänner 1987 und dem 31. Dezember 1991 jedoch nicht vor. Eine zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene Handlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO erging erst durch die Anfrage an die Gemeinde am 7. Jänner 1992.
Da die belangte Behörde somit trotz eingetretener Verjährung die Steuervorschreibung billigte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Mai 2001
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