Normen
EStG 1988 §19;
EStG 1988 §30 Abs4;
EStG 1988 §30;
EStG 1988 §19;
EStG 1988 §30 Abs4;
EStG 1988 §30;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner Einkommensteuererklärung für 1995 machte der Beschwerdeführer unter anderem "negative Spekulationseinkünfte" in Höhe von S 542.430,-- geltend. Dieser Betrag, welcher im Jahr 1995 auf Grund eines Vergleiches mit Maria G. (der Käuferin eines im Jahr 1984 verkauften Liegenschaftsteiles) bezahlt worden sei, sei als Korrektur zum Spekulationsgewinn 1984 zu sehen und stelle daher nachträgliche Ausgaben dar.
Anlässlich der Veranlagung des Beschwerdeführers zur Einkommensteuer 1995 berücksichtigte das Finanzamt die "negativen Spekulationseinkünfte" mit der Begründung nicht, dass nachträgliche Werbungskosten, somit solche, die erst anfielen, nachdem bereits die Steuerpflicht von Spekulationseinkünften eingetreten sei, im Jahr der Verausgabung als Spekulationsverlust nur mit positiven Spekulationseinkünften ausgleichsfähig seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung ab. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften seien durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten definiert, für welche nach Maßgabe des § 30 Abs. 4 EStG das Zu- und Abflussprinzip des § 19 leg.cit. jedenfalls soweit gelte, dass Ausgaben, die in einem späteren Jahr als jenem des Zufließens des Veräußerungserlöses erwüchsen, auf die Ermittlung des Spekulationsgewinnes des früheren Jahres ohne Einfluss blieben und nur mit einem im Abflussjahr entstandenen Spekulationsgewinn ausgeglichen werden könnten. Ein solcher sei im Beschwerdefall nicht angefallen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Bei der Einkommensteuer im Allgemeinen und bei der Erfassung von Spekulationsgeschäften im Besonderen geht es um die Besteuerung der im Einkommen zu Tage tretenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die aus einem solchen Veräußerungsgeschäft resultierende Leistungsfähigkeit wird nur dann zutreffend erfasst, wenn die mit dem Geschäft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Aufwendungen oder Erlösminderungen als negative Einkommenskomponenten berücksichtigt werden. Andernfalls käme es insoweit zur Besteuerung von Einkommen, das gar nicht erzielt wurde. Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben daher die Auffassung vertreten, dass das strenge Zufluss-Abfluss-Prinzip des § 19 EStG 1988 für die steuerliche Erfassung von Spekulationsgeschäften nur eingeschränkt zur Anwendung kommen kann. § 30 EStG 1988 betrifft danach nicht notwendigerweise nur Vorgänge eines Veranlagungszeitraumes, sondern dient der vollständigen Erfassung des Überschusses aus dem Spekulationsgeschäft unter Bedachtnahme auf bestimmte (auch mehrjährige) Fristen, innerhalb derer die Realisierung erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, 93/14/0124, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1994, B 1297/93, VfSlg. 13.724).
In seinem Erkenntnis vom 11. Dezember 2002, B 941/02, hat der Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass dieser Gedanke auch gilt, wenn es in Besteuerungsperioden nach der Realisierung des Veräußerungsgewinns im Zusammenhang mit diesem Geschäft zu Werbungskosten oder Erlösminderungen kommt. Die durch die Veräußerung von Wirtschaftsgütern erworbene Leistungsfähigkeit kann nur an Hand einer Totalbetrachtung ermittelt werden, bei der auch solche - mit dem Veräußerungsvorgang in Zusammenhang stehenden - Werbungskosten und Erlösminderungen Berücksichtigung finden, die in Veranlagungszeiträumen nach der Veräußerung abfließen. Wenn der Gesetzgeber daher in § 30 Abs. 4 letzter Satz EStG1988 anordnet, dass dann, wenn die Spekulationsgeschäfte innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt zu einem Verlust führen, dieser nicht ausgleichsfähig ist, so muss diese Norm (einschränkend) auf jene Fälle bezogen werden, in denen aus einem Spekulationsgeschäft insgesamt ein Verlust erzielt wurde. Ist aus dem Spekulationsgeschäft hingegen im Veräußerungsjahr ein Gewinn erzielt und der Besteuerung unterworfen worden, wobei spätere Abflüsse noch nicht berücksichtigt wurden, so müssen, um ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden, nachträgliche Werbungskosten oder Erlösminderungen im Abflussjahr bis zum Betrag dieses Gewinnes zum Ausgleich mit anderen Einkünften (Einkunftsarten) zugelassen werden. Der Wortlaut des § 30 Abs. 4 letzter Satz EStG1988 steht einer Berücksichtigung derartiger (nachträglicher) Werbungskosten oder Erlösminderungen nicht entgegen. Die Vorschrift kann auch so gelesen werden, dass das dort verankerte "relative Verlustausgleichsverbot" nur dann eingreift, wenn ein Spekulationsgeschäft gesamthaft betrachtet zu einem Verlust geführt hat. Entsteht der "Verlust" hingegen bloß periodenbezogen durch den Abfluss von nachträglichen Werbungskosten oder Erlösminderungen, die einem in einem früheren Veranlagungszeitraum getätigten, insgesamt mit Gewinn abschließenden Veräußerungsgeschäft zuzurechnen sind, dann würde die Vernachlässigung dieser negativen Einkommenskomponenten zur Besteuerung eines fiktiven Einkommens führen und insoweit mit dem Prinzip der Besteuerung nach der persönlichen Leistungsfähigkeit in Konflikt kommen.
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die vom Beschwerdeführer im Jahr 1995 bezahlten und für dieses Jahr als "nachträgliche Werbungskosten" geltend gemachten Beträge, welche unbestritten mit dem entsprechenden Veräußerungsgeschäft des Jahres 1984 als Erlösminderungen in Zusammenhang stehen, in verfassungskonformer Auslegung des § 30 Abs. 4 letzter Satz EStG 1988 zum Abzug zuzulassen gewesen wären.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 27. Mai 2003
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