VwGH 98/13/0199

VwGH98/13/019926.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der J-GmbH in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. September 1998, Zl. RV/231-07/02/98, betreffend Abrechnung im Sinne des § 216 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §215;
BAO §216;
BAO §239;
BAO §215;
BAO §216;
BAO §239;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In dem nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1997, 93/13/0050, fortgesetzten Berufungsverfahren erging eine mit 18. November 1997 datierte Berufungsentscheidung, mit welcher der Berufung der Beschwerdeführerin betreffend Haftung gemäß § 14 BAO "infolge Entrichtung der Abgabenschuld" stattgegeben und die Haftungsschuld der Beschwerdeführerin für erloschen erklärt wurde. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. Jänner 1998, 98/13/0001, wegen fehlender Berechtigung zu ihrer Erhebung (keine Rechtsverletzungsmöglichkeit, weil mit der stattgebenden Berufungsentscheidung der erstinstanzliche Haftungsbescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt worden sei) nach § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen.

Nach der Aktenlage stellte die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 8. Juni 1998 einen Antrag gemäß § 216 BAO auf Entscheidung darüber, dass sie gegenüber der Abgabenbehörde eine Forderung auf Rückzahlung eines Betrages von S 311.541,-- samt anteiligen Aussetzungszinsen habe. Sie habe sich nunmehr mit ihrer Rechtsmeinung durchgesetzt, dass sie nicht zur Haftung heranzuziehen sei. Sie habe damit den Haftungsbetrag von S 311.541,-- zu Unrecht geleistet. Einem diesbezüglichen Rückzahlungsansuchen vom 3. Dezember 1997 sei aber nicht entsprochen worden. Da wegen der Zurückweisung des Rückzahlungsansuchens offenkundig sei, dass Meinungsverschiedenheiten über das Erfüllen von Zahlungsverpflichtungen bzw. das Entstehen eines Guthabens durch zu Unrecht erfolgte Zahlungen bestünden, sei zur Klärung derartiger Auseinandersetzungen das Verfahren nach § 216 BAO der geeignete Rechtsbehelf.

Die Abgabenbehörde erster Instanz erließ einen Abrechnungsbescheid vom 17.Juli 1998, in dem sie dem Haftungsbetrag nur die darauf von der Beschwerdeführerin in den Jahren 1993 und 1994 geleisteten Abstattungen in derselben Höhe gegenüberstellte, und dazu die bescheidmäßige Absprache traf, die "Abgabenschuldigkeiten lt. Hafungsbescheid vom 17. Jänner 1992 plus Pfändungsgebühren von S 317.771,-" seien erloschen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den Abrechnungsbescheid eingebrachten Berufung, in der neuerlich die Feststellung eines Guthabens in der Höhe der geleisteten Zahlungen beantragt worden war, keine Folge. In der Begründung vertrat die belangte Behörde u.a. den Standpunkt, dem Einwand der Beschwerdeführerin, dass sie zur Haftung nicht heranzuziehen sei, sei zu entgegnen, dass der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Haftungsbescheid mit der Berufungsentscheidung vom 18. November 1997 nur deshalb stattgegeben worden sei, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 17. September 1997, 93/13/0050) "nicht darüber abzusprechen ist, ob die Haftung der Bw. im Zeitpunkt der Betriebsübergabe bestanden hat, sondern eine derartige Haftung für den Zeitpunkt der Erlassung der Berufungsentscheidung auszusprechen ist". Da die Berufungsentscheidung jedoch erst nach Entrichtung der gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten ergangen sei, sei die Zahlung dieser Schuld nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "Fassung eines inhaltlich richtigen Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO" verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde gemäß § 216 BAO darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid). Fragen der Abgabenverrechnung durch die Abgabenbehörde sind nicht Gegenstand eines Rückzahlungsverfahrens nach § 239 BAO, sondern sind nur in einem allenfalls vorangehenden Verfahren nach § 216 mittels Erlassung eines Abrechnungsbescheides zu klären (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2310, mwN). Insoweit kann auch - entgegen einer offenbar in der Gegenschrift vertretenen gegenteiligen Ansicht - das Bestehen eines Guthabens Gegenstand eines Abrechnungsbescheides sein.

Weiters ist festzuhalten, dass die Berechtigung, einen Abrechnungsbescheid zu verlangen, über den engen Wortlaut der Bestimmung des § 216 BAO hinausgeht. Es geht bei dieser Bestimmung nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung. Es kann also auch die Prüfung und die Darstellung der Ergebnisse verlangt werden, ob die rechnungsmäßige Anlastung der Abgabenfestsetzung (nicht aber die Abgabenfestsetzung selbst) und die entsprechenden Gutschriften bei verminderten Festsetzungen kassenmäßig ihren richtigen Ausdruck gefunden haben. Mit dem Abrechnungsbescheid ist über umstrittene abgabenbehördliche Gebarungsakte schlechthin zu entscheiden (vgl. dazu Stoll, a.a.O., 2314, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1997, 96/16/0285).

Ausgehend von dieser Rechtslage hätte im Abrechnungsbescheid auch auf die kassenmäßige Vollziehung der offenkundig zu einer "sonstigen Gutschrift" führenden stattgebenden Berufungsentscheidung vom 18. November 1997 Bedacht genommen werden müssen. Warum der Berufung gegen den Haftungsbescheid Folge gegeben wurde, ist bei dem auf die Rechtmäßigkeit der Buchungsvorgänge beschränkten Inhalt eines Abrechnungsbescheides nicht von Relevanz. Da dies die belangte Behörde offensichtlich verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 1999

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