VwGH 98/13/0123

VwGH98/13/012319.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde des Dr. W in W, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien I, Franziskanerplatz 5, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Juni 1998, Zl. GA 10 - 43/1/98, betreffend Strafaufschub, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §176 Abs1;
FinStrG §179 Abs1;
VwRallg;
FinStrG §176 Abs1;
FinStrG §179 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 9. Juni 1995 war der Beschwerdeführer im Instanzenzug des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 150.000,--, im Falle deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 40 Tagen verurteilt worden. Eine gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 3. Juli 1996, 95/13/0175, als unbegründet abgewiesen.

Ein vom Beschwerdeführer gestelltes Ansuchen um gnadenweise Nachsicht der über ihn verhängten Strafe war vom Bundesminister für Finanzen mit Bescheid vom 5. September 1996 abgewiesen worden, gegen welchen Bescheid der Beschwerdeführer gleichfalls Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hatte, welcher seine Beschwerde mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1996, 96/13/0182, abgewiesen hat.

Nachdem die belangte Behörde auch ein vom Beschwerdeführer gestelltes Ansuchen um Zahlungserleichterung mit Bescheid vom 27. Februar 1997 als unbegründet abgewiesen hatte, stellte der Beschwerdeführer am 17. März 1997 im Hinblick auf die Uneinbringlichkeit der Geldstrafe unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des § 179 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit den §§ 176 Abs. 1 sowie 177 Abs. 1 und 2 FinStrG einen Antrag auf Aufschiebung des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe "bis zur Ausheilung meiner Geisteskrankheit bzw. bis zur Strafnachsicht als Schadensgutmachung aufgrund Verurteilung der Republik Österreich durch die Europäische Menschenrechtskommission", den er mit folgendem Vorbringen begründete:

Der Beschwerdeführer leide seit Jahren an einer so genannten akuten "Fiskal-Psychose (Geisteskrankheit)", die ihn verhandlungs- und haftunfähig mache. Einzelheiten darüber seien den ärztlichen Gutachten in dem beim Landesgericht für Strafsachen Wien unter einer näher genannten Aktenzahl anhängigen Finanzstrafverfahren zu entnehmen. Des Weiteren habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 3. Juli 1996, 95/13/0175, in welchem die Verurteilung des Beschwerdeführers durch die Finanzstrafbehörde bestätigt worden sei, alle schuldausschließenden Tatsachen "unterschlagen und vertuscht", worin eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu erblicken sei. Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes habe der Beschwerdeführer sich an die Europäische Menschenrechtskommission gewandt, es werde die Kommission die Republik Österreich zur Schadensgutmachung durch Nachsicht der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe verurteilen. Diese Schadensgutmachung würde durch einen sofortigen Strafvollzug vereitelt und unmöglich gemacht werden. Die Erhaltung der Möglichkeit einer Schadensgutmachung durch Strafnachsicht, wie sie aufgrund des Begehrens des Beschwerdeführers von der Europäischen Menschenrechtskommission von der Republik Österreich verlangt werden werde, stelle im Sinne des § 177 Abs. 1 FinStrG einen triftigen Grund zur Aufschiebung des Strafvollzuges dar.

Mit Schreiben vom 25. April 1997 ersuchte das Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz das örtlich zuständige Bezirkspolizeikommissariat darum, den Beschwerdeführer zwecks Feststellung der Hafttauglichkeit einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

Vom Bezirkspolizeikommissariat erging daraufhin am 2. Juni 1997 an den Beschwerdeführer die Ladung mit der Aufforderung, zwischen dem 9. Juni und dem 12. Juni 1997, jeweils um 10 Uhr, zur amtsärztlichen Untersuchung zu erscheinen. Mit Amtsvermerk vom 17. Juni 1997 wurde vom Kommissariat festgehalten, dass der Beschwerdeführer bis dato nicht erschienen sei, und daraufhin das Erledigungsersuchen an das Finanzamt zurückgemittelt.

Mit Bescheid vom 11. September 1997 wies das Finanzamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer maßgebliche Gründe, die einen Strafaufschub rechtfertigen würden, nicht genannt habe, während die von ihm behauptete Haftunfähigkeit nicht habe überprüft werden können, weil der Beschwerdeführer der Vorladung des Amtsarztes ohne Angabe von Gründen nicht Folge geleistet habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Administrativbeschwerde, in welcher er vorbrachte, in seinem Aufschiebungsantrag vom 17. März 1997 eine Krankheit geltend gemacht zu haben, die ihn gänzlich haftunfähig machen würde. Dass dieses Vorbringen nicht überprüft werden könne, sei unrichtig, weil sich der Beschwerdeführer in seinem Antrag ausdrücklich auf die fachärztlichen psychiatrischen Gutachten im näher genannten Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien berufen habe, in welche Gutachten die Finanzstrafbehörde unschwer hätte Einsicht nehmen können. Eine Vorladung des zuständigen Amtsarztes habe der Beschwerdeführer nie zugestellt erhalten. Es hätte im Übrigen der Amtsarzt auch nichts anderes tun können, als besagte Gutachten einzusehen, weil nur ein Facharzt für Psychiatrie und kein "simpler Amtsarzt" seine die Haftunfähigkeit begründende seelische Gemütskrankheit (chronische Psychose) diagnostizieren könne, wie dies in den genannten Gutachten geschehen sei.

Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdeführer daraufhin mit Schreiben vom 14. Jänner 1998, einer neuerlichen Ladung des zuständigen Amtsarztes Folge zu leisten und dabei sämtliche Befunde und Gutachten mitzubringen. Gleichzeitig trug die belangte Behörde der Finanzstrafbehörde erster Instanz auf, die amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers neuerlich zu veranlassen, welchem Ersuchen das Finanzamt mit Schreiben vom 20. Jänner 1998 an das zuständige Kommissariat entsprach.

Am 2. Februar 1998 lud das Kommissariat den Beschwerdeführer zur amtsärztlichen Untersuchung für den 18. Februar 1998 mit dem Ersuchen vor, ärztliche Befunde mitzubringen. Mit Schreiben vom 16. Februar 1998 teilte der Beschwerdeführer dem Kommissariat mit, mit Grippe im Bett zu liegen und der Ladung für den 18. Februar 1998 deshalb nicht nachkommen zu können. Es mögen die Gutachten aus dem Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien angefordert werden, welche dem Beschwerdeführer nicht herausgegeben würden. Die ärztlichen Befunde über die physischen Erkrankungen (Herz- und Magenerkrankungen), welche ebenfalls Haftunfähigkeit begründeten, werde der Beschwerdeführer selbst mitbringen.

Am 25. März 1998 lud das Kommissariat den Beschwerdeführer für den 9. April 1998 vor. Mit Schreiben vom 9. April 1998 teilte der Beschwerdeführer dem Kommissariat mit, er sei am heutigen Tage zur Untersuchung erschienen, sei aber nach einer Stunde Wartezeit weggeschickt worden, weil der Amtsarzt heute nicht amtiert habe. Der Beschwerdeführer übermittle gleichzeitig jene Befunde, welche er heute dem Amtsarzt übergeben hätte, wenn dieser da gewesen wäre. Wegen der aus diesen Befunden ersichtlichen Krankheiten müsse der Beschwerdeführer täglich Medikamente einnehmen und regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen zum Arzt gehen, damit sich sein Krankheitszustand nicht verschlechtere; der Beschwerdeführer sei deshalb gänzlich haftunfähig. Da nun alle Krankheitsbefunde im Akt des Kommissariates auflägen, könne sich der Amtsarzt auch ohne persönliches Erscheinen des Beschwerdeführers ein Bild von dessen Krankheitszustand und der dadurch bedingten Haftunfähigkeit machen und sein amtsärztliches Gutachten allein aufgrund der Aktenlage abgeben. Angeschlossen waren diesem Schreiben folgende Unterlagen:

.) Die ärztliche Bescheinigung eines Facharztes für innere Medizin vom 29. Jänner 1962, in welcher bekundet wird, dass der Beschwerdeführer seit einer Angina und Polyarthritis im Jahre 1954 an einem "Vitium cordis" leide, welches Veranlassung geboten habe, den Beschwerdeführer dauernd vom Turnen zu befreien. Der Klappenfehler sei zwar derzeit kompensiert, es sei der Beschwerdeführer jedoch veranlasst, jede forcierte und dauernde körperliche Anstrengung zu vermeiden. Im Jahre 1957 sei der Beschwerdeführer außerdem wegen eines Klumpfußes operiert worden; der linke Fuß sei gegenüber dem rechten atrophisch.

.) Ein Befundbericht eines Facharztes für medizinische und chemische Labordiagnostik vom 12. Februar 1998 mit dem Inhalt "Linkstyp, Sinusrhythmus, Frequenz 75 p.m., geringe intraventrikuläre Leitungsstörung, sonst o.B."

.) Ein Gastroskopiebefund eines Facharztes für innere Medizin vom 10. März 1997 mit dem Ergebnis "axiale Hiatushernie. Refluxoesophagitis III.", einem medikamentösen Therapievorschlag und dem Bericht, dass dem Patienten Verhaltensregeln ausgehändigt worden seien.

.) Der Röntgenbefund eines Facharztes für Radiologie vom 4. Oktober 1995 mit dem Ergebnis einer geringen Abflussbehinderung im Bereiche der rechten Harntrakthälfte, einer Vergrößerung der Prostata und einer relativ großen Restharnmenge, wobei beide Nieren sonographisch unauffällig geblieben seien.

Einem Aktenvermerk des Kommissariates vom 14. April 1998 kann entnommen werden, dass die Amtsärztin am 9. April 1998 tatsächlich wegen anderweitigen Einsatzes nicht zur Verfügung gestanden war.

Am 14. April 1998 lud das Kommissariat den Beschwerdeführer für den 29. oder 30. April 1998 neuerlich mit dem Ersuchen vor, eventuell ausständige Befunde mitzubringen. Mit Schreiben vom 28. April 1998 teilte der Beschwerdeführer dem Kommissariat mit, es habe sich sein Krankheitszustand durch plötzlich auftretende Atemnot verschlechtert, weshalb er sich jeweils vormittags am 28. April einer Herz-, am 29. April einer Röntgen- und am 30. April einer Blutuntersuchung habe unterziehen müssen, sodass es ihm gänzlich unmöglich gewesen sei, auch noch um 9,30 Uhr zur amtsärztlichen Untersuchung zu kommen. Er verweise jedoch nachdrücklich auf sein Schreiben vom 9. April, mit welchem er ohnehin alle Befunde übersandt habe. Da dem Kommissariat bereits auch alle Befunde aus dem Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien über die psychischen Krankheiten des Beschwerdeführers vorlägen, könne sich der Amtsarzt auch ohne persönliches Erscheinen des Beschwerdeführers ein Bild von dessen Krankheitszustand und der dadurch bedingten Haftunfähigkeit machen. Die Krankheiten des Beschwerdeführers ließen sich ohnehin nicht durch bloßen Augenschein seiner Person vom Amtsarzt erkennen, weshalb das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers vom diagnostischen Standpunkt aus völlig unnötig und sinnlos sei.

In den Verwaltungsakten liegen zwei in dem vom Beschwerdeführer genannten Strafverfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien von Fachärzten für Psychiatrie und Neurologie erstattete Sachverständigengutachten ein:

Das Gutachten des Prim. Dr. Heinrich G. beruht auf einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 12. Mai 1995 und kommt zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zwar nicht akut geisteskrank sei, dass bei ihm aber ein Befund nachweisbar sei, der im Sinne eines Borderline-Syndroms qualifiziert werden könne. Bei diesem Syndrom handle es sich um eine schwere psychische Störung, welche den endogenen Psychosen nahe stehe und unter Umständen in eine Akutpsychose übergehen könne. Dieses Borderline-Syndrom habe mit dem gegenständlichen Strafverfahren wieder eine aktuelle Bedeutung bekommen. Der Beschwerdeführer sei auch in psychiatrischer Sicht nicht als verhandlungsfähig zu qualifizieren, weil angenommen werden müsse, dass er infolge der Konfrontation mit dem Gericht den dadurch bedingten Spannungen nicht werde standhalten können und deshalb den Gang einer Verhandlung empfindlich stören würde. Der Beschwerdeführer wäre zwar an sich in der Lage, den Vorgängen bei der Verhandlung zu folgen, könnte aber kaum zur Sache brauchbare Daten liefern und seine Interessen gehörig wahrnehmen. Eine Besserung des psychischen Befindens sei im Hinblick auf den langen Verlauf des Leidens in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

Das Gutachten des Prim. Dr. Heinz P. beruht auf einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 11. Dezember 1997 und kommt zum Ergebnis, dass eine akute Geisteskrankheit beim Beschwerdeführer im engeren Sinne nicht vorliege und sich auch die in der früheren Untersuchung attestierten und als Borderline-Syndrom qualifizierten Symptome nicht hätten feststellen lassen. Im Vordergrund stehe beim Beschwerdeführer wohl eine Affektstörung, eine leichte Stimmungslabilität und die Neigung zu misstrauischem Verhalten. Könne eine solche Persönlichkeitsstörung zwar noch im Sinne einer Borderlinestörung interpretiert werden, müsse allerdings bedacht werden, dass der Beschwerdeführer soziale Kompetenz besitze und im Sozialverhalten bislang keine Schwierigkeiten gezeigt habe, was sich mit der Diagnose einer Borderlinestörung nicht gänzlich zur Deckung bringen lasse. Sollte zum früheren Zeitpunkt tatsächlich ein ausgeprägtes Borderline-Syndrom vorgelegen sein, dann müsse sich die Situation in letzter Zeit insoferne beruhigt haben, als beim Beschwerdeführer keine Beeinträchtigungen der Denkvollzüge und keine sonstigen psychopathologischen Auffälligkeiten festzustellen seien. Dass beim Beschwerdeführer eine psychische Störung oder Krankheit vorläge, die eine Verhandlungsunfähigkeit begründen könnte, lasse sich aus psychiatrischer Sicht derzeit nicht begründen. Dass ein Erregungszustand nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, spreche gegen die Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers nicht.

In einem als "Amtsarztgutachten" überschriebenen Schriftstück des Kommissariates vom 5. Mai 1998 wird zunächst auf den Umstand hingewiesen, dass der Beschwerdeführer zur Ladung nicht erschienen sei, weshalb ein "aktenmäßiges Gutachten" vorliege. Sodann werden die Inhalte der vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und der Gutachten des Verfahrens vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien in Kürzestfassung wiedergegeben, woran als "Gutachten:" folgender Satz anschließt: "Aufgrund der erhobenen Befunde ist der Untersuchte sowohl physisch wie auch psychisch in der Lage, eine Haft anzutreten."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die Abweisung seines Antrages auf Strafaufschub vom 17. März 1997 als unbegründet ab. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird nach Wiedergabe der maßgebenden Gesetzesstellen und des Verfahrensganges ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Gründe, die einen Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 177 Abs. 1 FinStrG rechtfertigen könnten, nicht dargestellt habe, während der Aufschub des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 176 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 179 Abs. 1 leg. cit. nur dann in Betracht komme, wenn der Bestrafte in dem Zeitpunkt, zu dem der Strafvollzug beginnen solle, laut amtsärztlicher oder gefängnisärztlicher Bescheinigung körperlich schwer krank sei. Dass sich der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesundheitszustandes subjektiv nicht in der Lage fühle, die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten, werde nicht verkannt. Eine der im Gesetz genannten Voraussetzungen zur Rechtfertigung eines Strafaufschubes lägen aber nach Auffassung der belangten Behörde nicht vor, zumal das vorliegende amtsärztliche Gutachten dem Beschwerdeführer Haftfähigkeit bescheinigt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit der Erklärung begehrt, sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Strafvollzugsaufschub nach § 176 Abs. 1 FinStrG als verletzt anzusehen. Der Beschwerdeführer trägt vor, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Gutachten des Amtsarztes sei absolut beweisuntauglich, weil es sich in der unüberprüfbaren Schlussfolgerung erschöpfe, der Beschwerdeführer sei sowohl physisch wie auch psychisch in der Lage, eine Haft anzutreten, ohne jene Erwägungen aufzuzeigen, aufgrund derer der Amtsarzt zu dieser Schlussfolgerung gelangt sei. Auch die Bescheidbegründung enthalte derartige Erwägungen nicht. Solche Erwägungen aufzuzeigen, wäre jedoch unbedingt notwendig gewesen, weil der Beschwerdeführer dem Amtsarzt eine Vielzahl solcher Krankheitsbefunde vorgelegt habe, welche alle in ihrer Gesamtheit zu dem Schluss zwängen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls wegen seines körperlichen und geistigen Schwächezustandes im Sinne des § 176 Abs. 1 FinStrG haftunfähig sei. Es habe die belangte Behörde auch das Parteiengehör dadurch verletzt, dass sie dem Beschwerdeführer das Amtsarztgutachten nicht zur Stellungnahme vorgehalten habe, weshalb der Beschwerdeführer erst vor dem Verwaltungsgerichtshof die Beweisuntauglichkeit dieses amtsärztlichen Gutachtens einwenden könne.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Beschwerdeführer hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug wegen einer Krankheit oder Verletzung, wegen Invalidität oder eines sonstigen körperlichen oder geistigen Schwächezustandes des Bestraften nicht durchführbar, so hat nach § 176 Abs. 1 FinStrG die Finanzstrafbehörde erster Instanz den Strafvollzug so lange aufzuschieben, bis dieser Zustand aufgehört hat.

Gemäß § 177 Abs. 1 FinStrG kann auf Antrag des Bestraften die Finanzstrafbehörde erster Instanz bei Vorliegen triftiger Gründe den Strafvollzug aufschieben. Triftige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn durch den unverzüglichen Strafantritt der Erwerb des Bestraften oder der Unterhalt seiner schuldlosen Familie gefährdet würde oder wenn der Aufschub zur Ordnung von Familienangelegenheiten dringend geboten ist.

Nach § 177 Abs. 3 FinStrG ist gegen Bescheide, mit denen ein Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges abgewiesen wird, die Beschwerde an die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz zulässig.

§ 179 Abs. 1 FinStrG schließlich ordnet an, dass die Bestimmungen für den Vollzug von Freiheitsstrafen auch für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen gelten.

Wie dem vom Beschwerdeführer formulierten Beschwerdepunkt und den Beschwerdeausführungen eindeutig entnommen werden kann, leitet der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Aufschub der Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr aus der Bestimmung des § 177 Abs. 1 FinStrG, sondern nur noch aus jener des § 176 Abs. 1 leg. cit. ab. Diese Bestimmung sieht im Falle des Vorliegens ihrer Tatbestandsvoraussetzungen ein amtswegiges Vorgehen der Finanzstrafbehörde vor, woraus allerdings nicht zu folgern ist, dass dem Bestraften ein Recht auf Antragstellung mit der Behauptung des Vorliegens eines Strafaufschubsgrundes nach § 176 Abs. 1 FinStrG abgesprochen werden dürfe (vgl. Dorazil/Harbich, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Anm. 3 zu § 176 FinStrG). Ein subjektiv-öffentliches Recht des Beschwerdeführers darauf, dass im Falle des Vorliegens eines der Tatbestände des § 176 Abs. 1 FinStrG der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Sinne des § 179 Abs. 1 FinStrG solange aufgeschoben wird, bis der den Tatbestand erfüllende Zustand aufgehört hat, ist damit zu bejahen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das amtsärztliche Gutachten vom 5. Mai 1998 gestützte Sachverhaltsfeststellung zugrunde, dass beim Beschwerdeführer keiner der in § 176 Abs. 1 FinStrG aufgezählten Zustände vorliegt. Auf der Basis dieser Sachverhaltsfeststellung fehlt es für die vom Beschwerdeführer auch beantragte Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes an einem rechtlichen Grund, weil der rechtlichen Subsumtion des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes mit dem Ergebnis einer Bestätigung der erstinstanzlich entschiedenen Abweisung des Aufschiebungsantrages kein rechtlicher Fehler anhaftet.

Was der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof in Wahrheit allein vorträgt, ist der Vorwurf einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften durch Verletzung des Parteiengehörs einerseits und durch Begründung der getroffenen Sachverhaltsfeststellung mit einem unschlüssigen Gutachten andererseits.

Die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung seines Parteiengehörs durch Unterlassung einer Übermittlung des amtsärztlichen Gutachtens mit der Gelegenheit zur Stellungnahme liegt vor. Der das Verwaltungsverfahren generell beherrschende Grundsatz, dass Beweisergebnisse der Partei zur Kenntnis mit der Gelegenheit zu bringen sind, sich hiezu zu äußern, gilt zufolge der Bestimmung des § 114 Abs. 3 FinStrG auch im Finanzstrafverfahren. Dass für das Ermittlungsverfahren zur Feststellung des Vorliegens eines Strafaufschubsgrundes nach § 176 Abs. 1 FinStrG dem Bestraften das Mitwirkungsrecht an der Sachverhaltsermittlung genommen sein sollte, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Dem Beschwerdeführer das Gutachten des Amtsarztes vom 5. Mai 1998 vor Bescheiderlassung nicht zur Kenntnis gebracht zu haben, begründete demnach einen vom Beschwerdeführer zutreffend aufgezeigten Verfahrensmangel.

Verfahrensmängel können zur Aufhebung eines angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG freilich nur dann führen, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, was vom Beschwerdeführer aufzuzeigen ist (vgl. für viele etwa die hg. Erkenntnisse vom 31. März 1998, 96/13/0093, und vom 9. November 1994, 92/13/0068).

Der Beschwerdeführer führt zur Relevanz der Verletzung des Parteiengehörs aus, dass er dadurch erst vor dem Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit habe, die von ihm gesehene Beweisuntauglichkeit des amtsärztlichen Gutachtens einzuwenden. Der Beschwerdeführer begründet damit die Relevanz des Verfahrensmangels der Parteiengehörsverletzung mit dem zweiten der geltend gemachten Verfahrensmängel, nämlich der Unschlüssigkeit des von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Sachverhaltsfeststellung herangezogenen amtsärztlichen Gutachtens. Dem amtsärztlichen Gutachten in der Sache entgegenzutreten, darf dem Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Lage des vorliegenden Falles tatsächlich schon deswegen nicht verwehrt werden, weil von der belangten Behörde sein Parteiengehör in der dargestellten Weise verletzt worden war. Ob der Beschwerdeführer mit seiner Verfahrensrüge einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Umfang der Sachgrundlagenermittlung durchdringt, entscheidet sich damit im Ergebnis an der Frage, ob der der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides zugrunde liegenden Sachverhaltsfeststellung, der Beschwerdeführer sei physisch und psychisch zum Haftantritt fähig, ein vom Verwaltungsgerichtshof aufgreifbarer Fehler der behördlichen Sachverhaltsermittlung anhaftet. Das ist nicht der Fall.

Dass der Amtsarzt seine in einem einzigen Satz bestehende Schlussfolgerung aus den ihm vorliegenden Befunden und Gutachten mit keinem Wort begründet hat, ist dem Beschwerdeführer einzuräumen. Was der Beschwerdeführer mit seiner - nur in methodischer Hinsicht zutreffenden - Kritik an der Gestaltung des amtsärztlichen Gutachtens aber übersieht, ist der Umstand, dass die dem Amtsarzt vorgelegenen Unterlagen, auf deren Heranziehung sich zu beschränken der Beschwerdeführer das Kommissariat wiederholt ersucht hatte, ihrem Inhalt nach eine andere als die vom Amtsarzt gezogene Schlussfolgerung nicht hätten einsichtig machen können.

Gestützt hatte der Beschwerdeführer seinen Aufschiebungsantrag nach § 176 Abs. 1 FinStrG in Verbindung mit § 179 Abs. 1 leg. cit. auf seine von ihm behauptete "Fiskal-Psychose (Geisteskrankheit)". Auch in seiner Administrativbeschwerde hatte er das Vorliegen eines Tatbestandes nach § 176 Abs. 1 FinStrG allein mit einer nur von einem Facharzt für Psychiatrie diagnostizierbaren Gemütskrankheit begründet und hiezu auf die im Strafakt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien einliegenden Gutachten verwiesen. Diese Gutachten lagen dem Amtsarzt vor. Ob das auf der Untersuchung des Beschwerdeführers im Jahre 1995 basierende Gutachten des Prim. Dr. Heinrich G. einer Schlüssigkeitsprüfung standhielte, bleibe dahingestellt. Dem Amtsarzt stand mit dem Gutachten des Prim. Dr. Heinz P. nämlich eine auf eine Untersuchung erst im Dezember 1997 zurückgehende gutachterliche Bekundung dieses allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für das Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie zur Verfügung, welche in einer in sich stimmigen Weise jegliche relevante Beeinträchtigung des Geistes- und Gemütszustandes des Beschwerdeführers ausschloss. Entgegen der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren wiederholt vorgetragenen Behauptung konnten auf der Basis dieses zur Frage der Verhandlungsfähigkeit des Beschwerdeführers erstatteten Gutachtens Bedenken des Amtsarztes an der Haftfähigkeit des Beschwerdeführers infolge einer Beeinträchtigung seines Geistes- oder Gemütszustandes nicht entstehen.

Dass der Beschwerdeführer auch durch körperliche Leidenszustände betroffen sei, die das Kalkül einer der im § 176 Abs. 1 FinStrG genannten Zustände erreichten, weil ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug an diesen Zuständen scheitern müsste, hat der Beschwerdeführer weder im Verfahren vor der Finanzstrafbehörde erster Instanz noch in seiner Administrativbeschwerde vorgetragen. Ob der Beschwerdeführer, wenn er in seinen Eingaben an das Kommissariat zunehmend auch körperliche Leidenszustände zum Gegenstand der Untersuchung zu machen versuchte, damit nicht die Sache des von der belangten Behörde zu entscheidenden Administrativbeschwerdeverfahrens überschritten hatte, kann im Beschwerdefall ununtersucht bleiben, weil die vom Beschwerdeführer dem Kommissariat übermittelten Befunde in keiner Weise geeignet waren, Bedenken an seiner Haftfähigkeit unter dem Aspekt der darin bekundeten Symptome zu erwecken. Ist einem Bestraften ungeachtet des Umstandes, dass § 176 Abs. 1 FinStrG lediglich ein amtswegiges Vorgehen vorsieht, doch ein Antragsrecht auf Strafaufschub auch nach der genannten Gesetzesstelle einzuräumen, so muss von ihm in Verbindung mit einem nach dieser Gesetzesstelle erhobenen Aufschubsbegehren aber auch gefordert werden, jenen Zustand ausreichend deutlich und einer Beurteilung zugänglich darzustellen, dessentwegen ein dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechender Strafvollzug bei ihm nicht durchführbar sein soll. Mit der bloßen Vorlage von Befunden wird ein solcher Zustand nicht ausreichend konkretisiert, was umso mehr dann zutrifft, wenn diese Befunde wie im Beschwerdefall kein ausreichendes Indiz für die Besorgnis erkennen lassen, die darin attestierten Symptome würden einen dem Wesen der Freiheitsstrafe entsprechenden Strafvollzug nicht zulassen.

Es haben die vom Beschwerdeführer aufgezeigten Mängel des angefochtenen Bescheides im Beschwerdefall eine Verletzung des geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechtes des Beschwerdeführers demnach nicht bewirkt. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Juli 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte