VwGH 98/11/0085

VwGH98/11/008524.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden

 

Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner,

 

Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter im Beisein des

 

Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerden der Ärztekammer für

Wien, vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer und Dr. Georg

 

Backhausen, Rechtsanwälte in Wien I, Stock-im-Eisen-Platz 3, gegen

 

die Bescheide der Wiener Landesregierung, 1. vom 18. Dezember 1997, Zl. MA 15-II-1742/97, betreffend Bewilligung gemäß § 7

 

Abs. 2 Wiener Krankenanstaltengesetz, und 2. vom 3. Februar 1998,

 

Zl. MA 15-II-H/5/60/98, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf

Bescheidzustellung, (jeweils mitbeteiligte Partei: Labor M

 

Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Schönherr Barfuss

 

Torggler und Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13) zu

 

Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1
AVG §8
B-VG Art131 Abs2
KAG Wr 1987 §4
KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita
KAG Wr 1987 §4 Abs6
KAG Wr 1987 §7
KAG Wr 1987 §7 Abs1
KAG Wr 1987 §7 Abs2
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1999:1998110085.X00

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres

 

Inhaltes aufgehoben. Das Kostenbegehren der beschwerdeführenden

 

Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. April 1987 erteilte die belangte Behörde der

 

mitbeteiligten Partei gemäß § 4 des Wiener

 

Krankenanstaltengesetzes 1987 - Wr. KAG die Bewilligung zur

 

Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines

 

selbständigen Ambulatoriums für medizinische Labordiagnostik an

 

einem näher bezeichneten Standort im 5. Wiener Gemeindebezirk nach

 

Maßgabe des betreffenden Planes und der Bau- und

 

Betriebsbeschreibung. Die Betriebsbewilligung wurde mit Bescheid

 

der belangten Behörde vom 28. August 1987 erteilt.

 

Mit Eingabe vom 11. August 1997 begehrte die mitbeteiligte

 

Partei die Änderung des bestehenden Ambulatoriums durch Errichtung

 

einer funktionell und organisatorisch mit diesem verbundenen

 

Außenstelle an einem näher bezeichneten Standort im 12. Wiener

 

Gemeindebezirk. Die Außenstelle stelle keine Erweiterung der

 

bestehenden Krankenanstalt dar, da in der Außenstelle lediglich

 

Blutabnahmen durchgeführt werden würden. Analysegeräte seien nicht

 

aufgestellt. Die Außenstelle sei über eine Computerstandleitung mit

dem "Labor M" verbunden. Die Blutabnahmen würden durch einen Arzt

 

mit ius practicandi erfolgen.

 

In einem Aktenvermerk der belangten Behörde vom

 

20. August 1997 wird dazu festgehalten, der Anstaltszweck der

 

bestehenden Einrichtung erfahre keine Änderung; die Durchführung

 

der medizinisch-diagnostischen Laboruntersuchungen erfolge

 

innerhalb des unverändert vorgegebenen Kapazitätsrahmens.

 

Zusätzliche Blutabnahmen stellten somit keine Erweiterung des

 

Anstaltszweckes dar, sondern dienten allenfalls der besseren

 

Auslastung der vorhandenen (bereits bewilligten) Kapazität. Es

 

erübrige sich daher eine Bedarfsprüfung.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 1997 hielt der

 

medizinische Amtssachverständige unter anderem fest, das den

 

Patienten direkt zu Gute kommende Leistungsspektrum (Abnahme von

 

Untersuchungsmaterial, Ausgabe der Befunde sowie ärztliche

 

Betreuung) werde am Standort der Außenstelle erbracht. Diese

 

schaffe im Interesse der Auslastung der kostspieligen Analysegeräte

zusätzliche Kapazität. Die Kapazität werde durch die räumliche

 

Ausstattung, vor allem aber durch die Anzahl der Standorte

 

bestimmt. Es handle sich daher bei der Außenstelle um eine

 

eigenständige Einrichtung, die eine Bedarfsprüfung erfordere.

Durch

das neue Angebot im Einzugsgebiet des Standortes könnten bereits

 

vorhandene Labors beeinträchtigt und in ihrer wirtschaftlichen

 

Existenz gefährdet werden.

 

Mit dem erstangefochtenen Bescheid erteilte die belangte

 

Behörde der mitbeteiligten Partei ohne Vornahme einer

 

Bedarfsprüfung und ohne Beiziehung unter anderem der

 

beschwerdeführenden Partei als Verfahrenspartei gemäß § 7 Abs. 2

 

Wr. KAG (idF LGBl. Nr. 9/1995) die Bewilligung zur Änderung der

 

Krankenanstalt "Labor M" am bezeichneten Standort im 5. Wiener

 

Gemeindebezirk durch Errichtung der gegenständlichen "Außenstelle"

 

im 12. Wiener Gemeindebezirk nach Maßgabe der zu Bestandteilen des

 

Bescheides erklärten Bau- und Betriebsbeschreibung und des Planes

 

unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 98/11/0085

 

protokollierte, unter anderem auf Art. 131 Abs. 2 B-VG iVm § 4

 

Abs. 6 Wr. KAG gestützte Beschwerde, wobei die beschwerdeführende

 

Partei mangels Zustellung des erstangefochtenen Bescheides von

 

ihrem Recht auf Beschwerdeführung nach § 26 Abs. 2 VwGG Gebrauch

 

macht. Beantragt wird die kostenpflichtige Aufhebung des

 

angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in

eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von

 

Verfahrensvorschriften.

 

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wurde ein Antrag der

 

beschwerdeführenden Partei auf Zustellung des erstangefochtenen

 

(Bewilligungs‑)Bescheides mangels Parteistellung der

 

beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurückgewiesen.

Begründet

wurde diese Entscheidung im Wesentlichen mit den (oben

 

wiedergegebenen) Ausführungen im Aktenvermerk der belangten Behörde

vom 20. August 1997. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu

 

Zl. 98/11/0086 protokollierte Beschwerde mit dem Antrag auf

 

kostenpflichtige Aufhebung auch dieses Bescheides wegen

 

Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit

 

infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

 

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt. Sie

 

und die mitbeteiligte Partei haben jeweils eine Gegenschrift mit

 

dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres

 

persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung

und Beschlussfassung verbunden und über sie erwogen:

 

Gemäß § 4 Abs. 6 Wr. KAG hat bei selbständigen Ambulatorien

 

unter anderem die beschwerdeführende Partei im

 

Bewilligungsverfahren hinsichtlich des zu prüfenden Bedarfs

 

Parteistellung nach § 8 AVG und das Recht der Beschwerde gemäß

 

Art. 131 Abs. 2 B-VG. Die Beschwerdelegitimation der

 

beschwerdeführenden Partei ist somit - eingeschränkt auf die

 

Bedarfsfrage - kraft Gesetzes gegeben. Dies schließt die von der

 

mitbeteiligten Partei beantragte Zurückweisung der eine untrennbare

Einheit darstellenden Beschwerde gegen den erstangefochtenen

 

Bescheid insoweit, als damit auch die Verletzung

 

subjektiv-öffentlicher Rechte im Sinne des Art. 131 Abs. 1

 

Z. 1 B-VG geltend gemacht wird, aus. Für die Beschwerdelegitimation

ist weiters ohne Belang, dass sich der erstangefochtene Bescheid

 

- wie noch auszuführen sein wird - verfehlter Weise auf § 7 statt

 

auf § 4 Wr. KAG stützt. Dieser Fehler kann nicht dazu führen, dass

 

deshalb der beschwerdeführenden Partei das ihr gesetzlich

 

eingeräumte Recht auf Teilnahme am Verfahren als Partei und auf

 

Beschwerdeführung (in der Bedarfsfrage) vorenthalten wird (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zlen. 92/11/0010 u.a.).

 

Die belangte Behörde ging - ohne nachvollziehbare Begründung

 

in den angefochtenen Bescheiden (im zweitangefochtenen Bescheid

 

finden sich lediglich Ausführungen darüber, weshalb es keiner

 

Bedarfsprüfung gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG bedürfe) - davon

 

aus, dass auf die "Außenstelle" § 7 Abs. 2 Wr. KAG anzuwenden

 

gewesen sei. Diese Auffassung ist im Ansatz verfehlt.

 

§ 7 Abs. 1 Wr. KAG erklärt jede geplante räumliche Veränderung

einer Krankenanstalt für anzeigepflichtig. Nach § 7 Abs. 2 Wr. KAG

 

bedürfen wesentliche Veränderungen, auch der apparativen

 

Ausstattung oder des Leistungsangebotes, der Bewilligung der

 

Landesregierung. Im Verfahren darüber ist der § 4 sinngemäß

 

anzuwenden. § 7 Abs. 3 Wr. KAG knüpft die Verlegung einer

 

Krankenanstalt an einen anderen Betriebsort an eine Bewilligung der

Landesregierung. § 7 Abs. 4 Wr. KAG betrifft die Erweiterung von

 

Ambulatorien von Krankenversicherungsträgern.

 

Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass § 7 Wr. KAG (von

 

seinem Abs. 3 abgesehen) lediglich Veränderungen einer bestehenden

 

Krankenanstalt erfasst, sei es in Form von Änderungen innerhalb der

gemäß § 4 bewilligten Betriebsanlage oder in Form einer Ausweitung

 

(Erweiterung) dieser Anlage oder in Form einer Änderung des

 

bestehenden Anstaltszweckes und/oder des Leistungsangebotes. Im

 

Falle der räumlichen Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage

 

bedarf es jedenfalls eines so engen räumlichen Zusammenhanges mit

 

der bestehenden Betriebsanlage, dass auch nach Vornahme der

 

Erweiterung noch von einer Betriebsanlage und von der Identität des

Betriebsortes bzw. Standortes gesprochen werden kann.

 

Von einer Veränderung in diesem Sinne kann hier keine Rede

 

sein. Die bewilligte Betriebsanlage erfährt keine wie immer

 

geartete Änderung, desgleichen der Anstaltszweck und das

 

Leistungsangebot des Ambulatoriums "Labor M". Vielmehr wird die

 

"Außenstelle" ohne jeden räumlichen Zusammenhang mit dem

 

bestehenden Ambulatorium als eine mit diesem lediglich in einem

 

organisatorischen und funktionellen Zusammenhang stehende neue

 

Betriebsanlage an einem anderen Standort eingerichtet. Dafür kommt

 

von vornherein nur eine Errichtungsbewilligung nach § 4 Wr. KAG in

 

Betracht. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass die

 

Laboruntersuchungen selbst nicht in der "Außenstelle", sondern im

 

Rahmen der bewilligten Betriebsanlage im 5. Wiener Gemeindebezirk

 

vorgenommen werden sollen. Es handelt sich hier um ein

 

selbständiges Ambulatorium, das freilich in Ansehung seines

 

Leistungsangebotes insoferne unvollständig ist, als wesentliche

 

Teile des medizinischen Geschehens ausserhalb desselben

 

stattfinden. Dies ändert aber nichts daran, dass, wie der

 

medizinische Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung vom

 

2. Oktober 1997 zutreffend aufzeigte, auch in der "Außenstelle"

 

medizinische Leistungen erbracht werden, und zwar jene am Patienten

selbst (Abnahme von Untersuchungsmaterial verbunden mit einer

 

allfälligen Untersuchung und/oder Beratung, Ausfolgung von

 

Befunden). Diese für andere als reine Einsendelabors

 

charakteristischen medizinischen Leistungen im Rahmen von

 

medizinisch-technischen Labors erfordern es, die Betriebsanlage, in

der sie erbracht werden, als ein gemäß § 4 Wr. KAG

 

bewilligungspflichtiges selbständiges Ambulatorium zu behandeln und

bei dessen Beurteilung unter den Kriterien "Anstaltszweck" und

 

"vorgesehenes Leistungsangebot" - wegen des besagten funktionell

 

organisatorischen Zusammenhanges - auch die ausserhalb der

 

"Außenstelle" (also in der "Zentrale") erbrachten medizinischen

 

Leistungen zu berücksichtigen. Dies wird in den den Charakter der

 

"Außenstelle" als selbständiges Ambulatorium im Sinne des Wr. KAG

 

verneinenden Ausführungen in den Gegenschriften der belangten

 

Behörde und der mitbeteiligten Partei offensichtlich verkannt. Aus

 

dem Gesagten ergibt sich weiters, dass im Bewilligungsverfahren

 

eine auf den Standort der "Außenstelle" bezogene Bedarfsprüfung

 

hätte erfolgen müssen. Nur beim dargelegten Verständnis erscheint

 

der Zweck der Bedarfsprüfung nach § 4 Abs. 2 lit. a Wr. KAG und der

damit zusammenhängenden Parteistellung unter anderem der

 

Beschwerdeführerin auch in Fällen der vorliegenden Art als

 

gesichert. Dieser Regelungszweck würde, folgte man der

 

gegenteiligen Ansicht der belangten Behörde und der mitbeteiligten

 

Partei, durch die ohne standortbezogene Bedarfsprüfung mögliche

 

Errichtung von "Außenstellen" von medizinisch-technischen Labors

 

praktisch vereitelt, das Ergebnis der seinerzeit vorgenommenen

 

standortbezogenen Bedarfsprüfung für eine andere bewilligte

 

Einrichtung mit einem gleichen Leistungsangebot könnte nachträglich

unterlaufen und damit in deren "Gebietsschutz" eingegriffen werden.

Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer unrichtigen Ansicht,

 

es handle sich bei der "Außenstelle" bloß um eine Änderung des

 

bestehenden, bewilligten Ambulatoriums der mitbeteiligten Partei,

 

verfehlter Weise § 7 statt § 4 Wr. KAG angewendet. Sie hat weiters

 

zu Unrecht die Notwendigkeit einer Bedarfsprüfung für die

 

"Außenstelle" und die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei

verneint. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

 

Ein Zuspruch von Aufwandersatz kommt gemäß § 47 Abs. 4 VwGG

 

nicht in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. August 1998,

 

Zl. 98/11/0111).

 

Wien, am 24. März 1999

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