VwGH 98/11/0009

VwGH98/11/000924.3.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der B in Wien, vertreten durch Dr. Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 23, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. November 1997, Zl. MA 65-8/368/97, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 wegen Verkehrsunzuverlässigkeit für 8 Monate (gerechnet ab der am 9. Februar 1996 erfolgten Abnahme des Führerscheines) vorübergehend entzogen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß die Beschwerdeführerin am 9. Februar 1996 die Untersuchung ihrer Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert hatte. Sie wurde deshalb wegen Begehung einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft (Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 10. Juni 1997). Die belangte Behörde erblickte darin eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, die unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beschwerdeführerin am 9. Februar 1996 (beim Ausparken) auch einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet habe, zur Annahme ihrer Verkehrsunzuverlässigkeit in der angeführten Dauer berechtige.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie sei beim Vorfall vom 9. Februar 1996 nachweislich nicht alkoholbeeinträchtigt gewesen. Die Untersuchung einer ca. 2 1/2 Stunden (richtig 3 1/2 Stunden) später abgenommenen Blutprobe durch das Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien habe einen Blutalkoholgehalt von 0,00 Promille ergeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (Erkenntnisse vom 19. März 1997, Zl. 96/11/0336, und vom 18. November 1997, Zl. 97/11/0158), es könne ungeachtet des Vorliegens eines Alkoholdeliktes in Gestalt der Verweigerung der Atemluftprobe und damit einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 im Rahmen der Wertung dieser Tatsache gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 von Bedeutung sein, daß im nachhinein erwiesen wird, daß die betreffende Person beim Lenken des Kraftfahrzeuges nicht durch Alkohol beeinträchtigt war. In einem solchen Fall führe die Wertung der bestimmten Tatsache nicht zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit der betreffenden Person. Der Gerichtshof hat allerdings in den zitierten Entscheidungen einen nachträglich einwandfrei erbrachten Nachweis der Nichtbeeinträchtigung durch Alkohol mit Rücksicht auf die jeweils festgestellten, an die gesetzlich festgelegten Grenzwerte heranreichenden Werte verneint (Blutalkoholgehalt zwischen 0,11 %o und 0,15 %o rund fünf Stunden nach dem Lenken; Atemluftalkoholgehalt von 0,43 bzw. 0,39 mg/l rund 30 Minuten nach dem Lenken).

Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich. Die Untersuchung der rund 3 1/2 Stunden nach dem Lenken abgenommenen Blutprobe der Beschwerdeführerin durch das Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Wien erbrachte einen Blutalkoholgehalt von 0,00 Promille. Davon ausgehend ergäbe eine schematische Berechnung des Abbaues eines (allenfalls vorhanden gewesenen) Blutalkoholgehaltes der Beschwerdeführerin in den 3 1/2 Stunden mit den üblichen Faktoren von 0,1 bis 0,12 %o pro Stunde für den relevanten Lenkzeitpunkt jedenfalls einen Wert, der auch nicht annähernd an die Grenze der gesetzlich - unwiderlegbar - vermuteten Alkoholbeeinträchtigung bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o heranreicht. Beweisergebnisse, welche die - erstmals in der Gegenschrift geäußerte - Vermutung der belangten Behörde betreffend eine "relative Fahruntüchtigkeit" der Beschwerdeführerin stützen könnten, liegen nicht vor. Es ist somit von einem nachträglich erbrachten einwandfreien Beweis der Nichtbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin zur Lenkzeit auszugehen. Dieser Umstand führt dazu, daß zwar eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vorliegt, deren Wertung nach § 66 Abs. 3 KFG 1967 allerdings entgegen der Meinung der belangten Behörde (auch unter Berücksichtigung des von der Beschwerdeführerin beim Ausparken verschuldeten Verkehrsunfalles mit Sachschaden) nicht zur Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit der Beschwerdeführerin führt.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. März 1999

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