VwGH 98/09/0222

VwGH98/09/022215.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des K B in K, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 3. März 1998, Zl. 18-DK 48/90, betreffend Disziplinarverfahren, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §58 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

1. Die Beschwerde wird, soweit sie die Punkte 3) und 4) des angefochtenen Bescheides bekämpft, zurückgewiesen.

2. Im Übrigen, das heißt hinsichtlich der Punkte 1), 2), 5) und 6) des angefochtenen Bescheides, wird das Verfahren über die Beschwerde als gegenstandslos geworden eingestellt.

3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, geboren 1941, stand bis zu seiner mit Bescheid vom 25. November 1993 erfolgten Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle vor seiner mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 20. August 1990 erfolgten Suspendierung war der Gendarmerieposten Hittisau. Nach Aufhebung seiner Suspendierung mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 14. März 1993 war er zuletzt infolge seiner Versetzung (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/12/0041, 0042) beim Gendarmerieposten Vorkloster tätig.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 17. Oktober 1990 wurde der Einleitungs- und Unterbrechungsbeschluss wegen Verdachtes der Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 BDG 1979 und - nach rechtskräftiger Verurteilung durch das Landesgericht Feldkirch mit Urteil vom 29. Jänner 1991 wegen des Verbrechens der Verleumdung gemäß § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB - mit Bescheid derselben Behörde vom 29. August 1991 der Verhandlungsbeschluss gefasst.

Zur weiteren Vorgeschichte wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0054, verwiesen.

Die von der Disziplinarbehörde zur Durchführung der mündlichen Verhandlung angeordneten Termine vom 27. Juni 1996 und 27. Jänner 1998 wurden über Ersuchen des Beschwerdeführers abgesetzt. In der (zweifach erstreckten) Disziplinarverhandlung vom 28. September 1998 wurde das Disziplinarerkenntnis gefällt und der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe in der Höhe von S 8.000,-- verurteilt. Dieses Disziplinarerkenntnis wurde vom Beschwerdeführer unangefochten gelassen und erwuchs in Rechtskraft.

Mit Antrag vom 9. Dezember 1997 begehrte der Beschwerdeführer

1. die Absetzung der für den 12. Dezember 1997 angeordneten mündlichen Disziplinarverhandlung und

2. die Einstellung des Verfahrens, weil "keine menschenrechtswidrige Verurteilung Grundlage eines Disziplinarverfahrens sein kann" und ein solches überdies eine unzulässige Doppelverfolgung darstellen würde.

Mit dem weiteren Antrag vom 20. Jänner 1998 beantragte der Beschwerdeführer

1. den Verhandlungsbeschluss vom 29. Oktober 1991 "für obsolet" zu erklären und

2. einen neuen Verhandlungsbeschluss zu fassen, der der Zulassungsentscheidung 9295/91/X/Österreich der Menschenrechtskommission Rechnung trage;

  1. 3. die Verhandlung vom 27. Jänner 1998 abzusetzen,
  2. 4. die Disziplinarverhandlung in Bregenz abzuführen und
  3. 5. diese Verhandlung öffentlich zu führen.

    Mit Erledigung der Disziplinarkommission vom 3. März 1998, gerichtet an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers (den Beschwerdevertreter), erging in der Folge unter Bezugnahme auf den Antrag vom 20. Jänner 1998 und die Beschlussfassung der Disziplinarkommission vom 2. Februar 1998 sowie unter Verweis auf die Vertagung der für 27. Jänner 1998 angeordneten Verhandlung die Entscheidung, die Anträge auf Einstellung des Verfahrens und auf Fassung eines neuen Verhandlungsbeschlusses (Punkte 1 und 2 des angefochtenen Bescheides) sowie den Antrag, die Verhandlung öffentlich durchzuführen (Punkt 5 des angefochtenen Bescheides), zurückzuweisen.

    In den Punkten 3 und 4 dieser Erledigung wurde lediglich fest- bzw. in Aussicht gestellt, den Anträgen auf Absetzung der Verhandlung vom 27. Jänner 1998 und Durchführung einer sodann vertagten Verhandlung in Bregenz nach Möglichkeit nachzukommen. In Punkt 6 wurde die Erledigung der Punkte 3, 4 und 5 lediglich wiederholt.

    Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, in einer bereits eröffneten mündlichen Verhandlung könne keine Einstellung, sondern nur mehr ein Schuld- oder Freispruch in Betracht kommen. Auch liege ein gültiger Verhandlungsbeschluss (nämlich vom 29. August 1991) vor, dessen Rechtskraft die Fassung eines neuen verhindere. Durch die strafrechtliche Verurteilung liege auch der im Disziplinarverfahren vorgeworfenen Verhaltensweise eine ausreichende Sachverhaltsklärung vor. Die öffentliche Durchführung der Disziplinarverhandlung sei unter Beachtung der §§ 124 Abs. 3 und 128 BDG nicht möglich.

    Gegen diese Erledigung richtete sich die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 1998, B 652/98-6, abgelehnt wurde. Über entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers wurde diese Beschwerde in der Folge mit Beschluss vom 23. Juli 1998, B 652/98-9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG in Verbindung mit § 87 Abs. 3 Verfassungsgerichtshofgesetz dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

    Zunächst war zu prüfen, ob es sich bei der Erledigung der belangten Behörde vom 3. März 1998 um einen - bekämpfbaren - Bescheid gehandelt hat. Dazu ist Folgendes zu überlegen:

    § 58 Abs. 1 AVG lautet:

    "Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten."

    Die Einhaltung der Formvorschrift des § 58 Abs. 1 AVG dient dazu, Streitigkeiten über die rechtliche Natur einer Erledigung durch äußerlich voneinander scharf unterscheidbare Merkmale zu vermeiden. Der Mangel der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid nach dieser Vorschrift vermag aber für sich allein einer Erledigung den rechtlichen Charakter eines Bescheides im Sinn des § 56 AVG nicht zu nehmen, wenn sich der Inhalt der Erledigung in eindeutiger Weise als eine Entscheidung oder Verfügung, durch die Rechtsverhältnisse festgestellt oder begründet werden sollen, darstellt.

    Im vorliegenden Fall ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich, weil im Wortlaut der Erledigung selbst zum Ausdruck kommt, dass die Behörde die Anträge des Beschwerdeführers in rechtsverbindlicher Weise erledigen wollte (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 34 ff zu § 58 AVG angeführte Rechtsprechung). Damit geht aber auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die in Rede stehende Erledigung der belangten Behörde als Bescheid im Sinne des Art. 131 B-VG anzusehen und zu behandeln ist.

    Weitere Voraussetzung der Zulässigkeit einer Beschwerde ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses. Das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei einer Bescheidbeschwerde im Sinne des Art. 131 B-VG im objektiven Interesse an der Beseitigung des angefochtenen, sie belastenden Verwaltungsaktes. Das objektive Interesse der beschwerdeführenden Partei an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist ihre "Beschwer". Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer ) oder mangels Antrages die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet (materielle Beschwer vgl. Beschluss vom 26. Mai 1988, Zl. 88/09/0031).

    In den Punkten 3) und 4) des angefochtenen Bescheides ist die belangte Behörde den Anträgen des Beschwerdeführers ohnedies nachgekommen, indem sie die für den 27. Jänner 1998 angeordnete Verhandlung abberaumt und auf unbestimmte Zeit vertagt hatte und die sodann fortgesetzte Disziplinarverhandlung tatsächlich in Bregenz durchgeführt hat. Sohin war diesen Anträgen des Beschwerdeführers voll entsprochen worden. In diesen Punkten liegt ein Abweichen von den vom Beschwerdeführer gestellten Anträgen gar nicht vor, weshalb auch eine formelle "Beschwer" im oben dargelegten Sinn nicht gegeben ist. Die Beschwerde musste daher in diesen Punkten gemäß § 34 Abs. 1 letzter Fall und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückgewiesen werden.

    Zu den weiteren in Beschwerde gezogenen Punkten 1, 2 und 5 ( Punkt 6 beinhaltet lediglich eine Wiederholung der bereits angesprochenen Punkte 3, 4 und 5) ist Folgendes auszuführen:

    Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im Besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (Beschluss eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. N.F. Nr. 10.092/A).

    § 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt - wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Beschluss vom 9. April 1980 darlegte - insbesondere auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080, vom 23. Mai 1989, Zl. 84/08/0189, vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006, und vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026).

    Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall im oben bezeichneten Umfange gegeben.

    Die Anordnungen der Disziplinarbehörde betreffend den Inhalt des Verhandlungsbeschlusses und die Bindung an das strafrechtlich verurteilende Erkenntnis des LG Feldkirch, die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Einstellung des Disziplinarverfahrens nach Rechtskraft des Verhandlungsbeschlusses und der Öffentlichkeit der Durchführung der Disziplinarverhandlung bezogen sich - abgesehen von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Entscheidungen im Hinblick auf die diesbezüglich eindeutigen Bestimmungen des BDG 1979 (§§ 95 Abs. 2, 118, 124 Abs. 3 und 133, vgl. im Übrigen zu den Fragen der Einstellung und der "Doppelverfolgung" die Ausführungen im bereits zitierten, den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 93/09/0054) - als verfahrensrechtliche Bescheide lediglich auf das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Disziplinarverfahren, welches mit rechtskräftigem Disziplinarerkenntnis vom 28. September 1998 beendet wurde. Selbst eine den angefochtenen Bescheid aufhebende Entscheidung vermöchte daher keine Veränderung in der Rechtsstellung des Beschwerdeführers mehr zu bewirken. Demzufolge kann auch durch den angefochtenen Bescheid keine fortwirkende Verletzung der von ihm geltend gemachten subjektiv-öffentlichen Rechte mehr gegeben sein. Soweit der Beschwerdeführer auf Überlegungen betreffend die Geltendmachung von Haftungsansprüchen hinweist, ist anzuführen, dass der vorliegende Beschluss die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 11 Abs. 1 AHG nicht hindert.

    Die Beschwerde war daher in diesen Punkten als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren hierüber nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

    Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 58 Abs. 2 VwGG. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einer Beschwerde bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung dieser Bestimmung ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde keinen Erfolg gehabt hätte, wie dies bereits oben unter Verweis auf die Rechtslage bzw. das den Beschwerdeführer betreffende Vorerkenntnis dargelegt wurde, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenzuspruch für die sich im Übrigen zum großen Teil mit den - vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Verfahrensstadium nicht zu prüfenden - materiell-rechtlichen Rechtsfragen befassende Beschwerde abzuweisen war.

    Wien, am 15. März 2000

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