VwGH 98/09/0140

VwGH98/09/01406.6.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des U in S, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Beamte der Bundeshauptstadt Wien (Senat 2) vom 7. Dezember 1995, Zl. MD-1554-10/94, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §43 Abs2 impl;
BDG 1979 §43 Abs2;
B-VG Art7 Abs4;
DO Wr 1994 §18 Abs2;
MRK Art10 Abs2;
MRK Art10;
BDG 1979 §43 Abs2 impl;
BDG 1979 §43 Abs2;
B-VG Art7 Abs4;
DO Wr 1994 §18 Abs2;
MRK Art10 Abs2;
MRK Art10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1940 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner mit 1. August 1996 erfolgten Versetzung in den Ruhestand als Stadtgartenamtsrat (Gruppe der Fachbeamten des Stadtgartenamtes) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Bundeshauptstadt Wien.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission (Senat 14) vom 5. April 1995 wurde der Beschwerdeführer einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 18 Abs. 2 zweiter Satz Dienstordnung 1994 (DO 1994) wie folgt schuldig erkannt:

"Er hat bewusst unrichtige Behauptungen durch nachfolgende bezeichnete Textstellen in Schriftstücken und Aufschriften in und auf seinem in der Zeit vom 8. März 1993 bis 14. Mai 1993 in der Lichtenfelsgasse abgestellten Pkw mit dem polizeilichen Kennzeichen W x aufgestellt:

1. So handelt der Magistrat mit verdienten Beamten

1.1. Beschuldigungen wurden vom Magistrat ungeprüft als Grund verwendet, um ihn in schikanöser Weiser mehrfach zu versetzen;

1.2. es wurde ein äußerst unfaires Disziplinarverfahren durchgeführt; Ankläger SPÖ-Wien ist auch gleichzeitig der Richter.

1.3. Der Beamte wurde aus politischen Gründen aus der Werkswohnung auf die Straße gesetzt.

2. Aufschrift am Dach des Pkw 'Hier wohne ich seit (8.3.) gestern so - gewollt von Zilk, Bandion & Co.'

3. Aufschrift am Dach des Pkw 'SP-Terror durch den Magistrat gegen Mist-Aufdecker' "

Wegen dieser Dienstpflichtverletzung verhängte die Disziplinarkommission gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 Z. 3 DO 1994 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von drei Monatsbezügen unter Ausschluss der Haushaltszulage. Die Vollziehung dieser Geldstrafe wurde gemäß § 78 Abs. 1 DO1994 unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von zwei Jahren aufgeschoben.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er machte darin mit den im Berufungsschriftsatz näher dargelegten Ausführungen die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, unrichtige Tatsachenfeststellung durch die Disziplinarkommission erster Instanz sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und stellte den Berufungsantrag, die Disziplinaroberkommission wolle nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis aufheben und einen Freispruch fällen.

Über diese Berufung hat die belangte Behörde in nicht öffentlicher Sitzung (am 11. September 1995) entschieden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 7. Dezember 1995 hat die belangte Behörde "die Anträge der Berufung, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Disziplinarerkenntnis aufzuheben und einen Freispruch zu fällen abgewiesen und das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission - Senat 14 vom 4.5.1995, Zl. MD-1554-1/95, vollinhaltlich bestätigt".

Der angefochtene Bescheid enthält - nach Darstellung des bisherigen Verfahrensverlaufes - folgende Begründung:

"In der Berufung wird ausgeführt, dass die Mitglieder der Disziplinarkommission befangen seien, da sie der Sozialistischen Partei Österreichs angehörten. Gleichzeitig wird in der Berufung jedoch das Argument der Meinungsfreiheit strapaziert. Dazu ist festzuhalten, dass es wohl auch im Rahmen der Meinungsfreiheit liegt, einer bestimmten politischen Partei anzugehören. Verdeutlicht wird dies durch die Bestimmung des Art. 7 Abs. 2 B-VG, wonach den öffentlichen Bediensteten die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte Gewähr leistet ist. Es steht jedem Beamten frei, einer bestimmten politischen Partei anzugehören. Die Angehörigkeit zu einer politischen Partei steht in keinem Zusammenhang mit seinen dienstlichen Obliegenheiten.

Klargestellt ist zudem, dass die Befangenheit vom betroffenen Verwaltungsorgan selbst wahrzunehmen ist, worüber der Vorsitzende des Kollegialorganes zu entscheiden hat. Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Mitglieder der Disziplinarkommission, diese haben auch keine derartigen Gründe vorgebracht, eine Entscheidung des Vorsitzenden konnte daher nicht erfolgen. Der Berufungswerber verkennt die Rechtslage, wenn er ein Antragsrecht behauptet.

Der Berufungswerber bringt vor, dass auf bestimmte Beweisanträge nicht eingegangen worden sei. Dazu ist zu bemerken, dass diese für das gegenständliche Beweisverfahren nicht relevant waren. Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens ist nicht die umfangreiche für den gegenständlichen Fall rechtlich unerhebliche Vorgeschichte, sondern das Aufstellen von unrichtigen Behauptungen in der Zeit vom 8.3.1993 bis 14.5.1993.

...

Hinsichtlich der behaupteten unrichtigen Tatsachenfeststellung ist folgendes auszuführen: Das durchgeführte Dienstrechtsverfahren ist in Rechtskraft erwachsen. Das Verfahren ist somit erledigt, es ist nicht Aufgabe der Disziplinaroberkommission, über ein rechtskräftiges Verfahren (aus dem Jahr 1987) zu entscheiden. Auf die Ausführungen des Berufungswerbers in diesem Zusammenhang ist daher nicht näher einzugehen.

Zu 1.2.: Die Berufung verkennt, dass es auch zu den Grundrechten des Beamten gehört, einer politischen Partei anzugehören, wie dies auch in der österreichischen Bundesverfassung verankert ist.

Zu 1.3.: Die in der Berufung angesprochenen Verfahren sind in Rechtskraft erwachsen. Der Disziplinaroberkommission steht es nicht zu, darüber neuerlich zu entscheiden. In der Berufung wird die Argumentation umgedreht, es wird verkannt, dass es sich um ein Entgegenkommen der Stadt Wien handelte, dass die Delogierung erst ein Jahrzehnt später durchgeführt wurde.

Zu 2.: Dem Vorbringen des Berufungswerbers, die Erstbehörde hätte im Zusammenhang mit der Räumung der Werkswohnung Feststellungen über die familiären Verhältnisse, die Einkommenssituation sowie über die Belastungen treffen müssen, ist entgegenzuhalten, dass diese Feststellungen im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung haben, sondern lediglich bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind.

Die Behauptung, der Bürgermeister der Stadt Wien oder der Magistratsdirektor hätten gewollt, dass der Berufungswerber im Auto wohnt, ist eine Unterstellung, die an Verleumdung grenzt. Hätte der Bürgermeister oder der Magistratsdirektor gewollt, dass der Beschuldigte im Auto wohnt, so hätte dies in irgendeiner Form an den Berufungswerber herangebracht werden müssen. Dass dies jedoch vom Bürgermeister oder Magistratsdirektor nicht an ihn herangebracht worden ist, gibt der Beschuldigte selbst zu.

Zu 3.: Der Beschuldigte hat bewusst eine unrichtige Behauptung aufgestellt. Auf Grund seiner Stellung als Stadtgartenamtsrat ist davon auszugehen, dass ihm bewusst sein muss, dass diese Behauptung unrichtig ist, wenn das Verfahren durch die Versetzung bereits rechtskräftig abgeschlossen ist.

Die rechtliche Qualifikation des Schreibens der Sozialistischen Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates vom 16.9.1982 ist unerheblich, es handelt sich dabei lediglich um die Meinungsäußerung einer politischen Gruppierung, nicht hingegen um die Äußerung in einem Verfahren. Auch im Aktenvermerk vom 28.9.1982 werden lediglich die Vorgehensmöglichkeiten des Magistrates festgehalten. Die Feststellung der Disziplinarkommission erster Instanz, dass dem Schreiben der SP-Fraktion vom 16.9.1982 keinesfalls entnommen werden kann, dass überhaupt ein Terror ausgeübt wurde und schon gar nicht im Wege des Magistrates, kann daher nur bestätigt werden.

Hinsichtlich der Ausführungen in der Berufung zur behaupteten unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist folgendes festzuhalten:

Die Disziplinaroberkommission ist der Ansicht, dass durch das Vorgehen des Beschuldigten die Achtung und das Vertrauen, die der Stellung des Beamten entgegengebracht werden, sehr wohl untergraben sind. Im konkreten Fall hat der Beschuldigte seine Dienstpflichten eben nicht erfüllt. Ob der Berufungswerber seine Dienstpflichten im Allgemeinen erfüllt hat, ist für den Unrechtsgehalt der gegenständlichen Tathandlung unerheblich und lediglich für die Strafbemessung von Bedeutung. Hinsichtlich sämtlicher Tathandlungen besteht ein dienstrechtlicher Zusammenhang. In allen Fällen wurden dienstrechtliche Verfahren durchgeführt und rechtskräftig abgeschlossen. Die Vorwürfe, die der Berufungswerber in der Öffentlichkeit erhoben hat, hätten ausschließlich in diesen vorgenannten Verfahren vorgebracht werden müssen. Darin, dass der Berufungswerber nach Abschluss der rechtskräftigen Verfahren diesbezüglich bewusst unrichtige Behauptungen in der Öffentlichkeit aufgestellt hat, die daher nur als Unterstellungen qualifiziert werden können, ist die eigentliche Dienstpflichtverletzung zu sehen. Auch bezüglich der Behauptung 'so handelt der Magistrat mit verdienten Beamten' wird eine unrechtmäßige Versetzung, Parteinahme bzw. Delogierung unterstellt.

Hinsichtlich der Ausführung über die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte begeht der Berufungswerber einen Denkfehler. Mit seiner Zugehörigkeit zum Beamtenstand und den damit verbundenen Rechten ist er nicht nur ein Rechtsunterworfener wie jeder andere auch, sondern es treffen ihn auch die Pflichten eines Beamten, wie sie insbesondere in § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 festgelegt sind. Für Angehörige des Beamtenstandes besteht über dienstliche Angelegenheiten kein unbeschränktes Recht auf freie Meinungsäußerung, insbesondere besteht eine Einschränkung der MRK durch die Dienstordnung. Die Grenze der freien Meinungsäußerung des Beamten liegt jedenfalls dort, wo anderen gegenüber Unterstellungen getroffen werden sowie in dienstlichen Angelegenheiten. Dies findet in zahlreichen Bestimmungen des Dienstrechtes, wie z.B. im § 21 DO 1994 über die dienstliche Verschwiegenheit des Beamten oder im § 45 der Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien über die Zustimmung des Bürgermeisters zur Veröffentlichung in Druckwerken, seinen Niederschlag. Der Beschuldigte muss sich über diese Konsequenzen als Angehöriger des Beamtenstandes im Klaren sein, andernfalls dürfte er nicht Beamter werden. In der Berufung spricht der Beschuldigte selbst von gewissen Übertreibungen und gibt somit selbst zu, dass er über das Ziel hinausschießt.

Hinsichtlich der Strafbemessung im erstinstanzlichen Erkenntnis ist auszuführen, ..."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 24. Februar 1998, B 407/96-3, die Behandlung der Beschwerde ab. Auf Grund eines nachträglich gestellten Antrages des Beschwerdeführers vom 17. April 1998 trat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. April 1998, B 407/96- 5, die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet der Beschwerdeführer sich laut seinem mit Schriftsatz vom 25. Juni 1998 ergänzten Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht der ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung schuldig erkannt und dafür disziplinär bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 7 Abs. 4 (früher Abs. 2) B-VG ist den öffentlichrechtlichen Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) regelt die Meinungsfreiheit. Nach dem Abs. 1 dieses Artikels hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, dass die Staaten Rundfunk, Lichtspiel oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.

Nach dem Abs. 2 dieses Artikels kann das Recht auf freie Meinungsäußerung, da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt vom Gesetz vorgesehene Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich (bzw. notwendig) sind.

§ 18 DO 1994 regelt die allgemeinen Dienstpflichten. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Beamte gegenüber den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, den Parteien und Kunden ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen. Er hat im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden untergraben könnte.

Gemäß § 101 Abs. 1 DO 1994 ist die mündliche Verhandlung (vor der Disziplinarkommission im Sinne des § 84 DO 1994) nicht öffentlich.

Gemäß § 103 Abs. 5 DO 1994 (in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der zweiten Novelle zur Dienstordnung 1994, LGBl. Nr. 33/1996) steht den Parteien gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission das Recht der Berufung an die Disziplinaroberkommission zu, die ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Gegen die Entscheidung der Disziplinaroberkommission ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde (unter anderem, nämlich im Rahmen des Beschwerdepunktes, in seinem Recht auf Freispruch vom Vorwurf der schuldhaften Dienstpflichtverletzung verletzt zu sein) geltend, dass die Bestimmungen des Art. 10 EMRK - über die Meinungsfreiheit - anzuwenden gewesen wären bzw. der angefochtene Bescheid und das ihm vorausgegangene Verfahren ihn in diesem Grundrecht verletze. Die belangte Behörde habe rechtserhebliche Beweisanträge abgelehnt, die seiner Entlastung vom Vorwurf, er habe bewusst unrichtige Behauptungen aufgestellt, gedient hätten. Es seien keine Ermittlungen darüber angestellt worden, ob die ihm vorgeworfenen Behauptungen richtig oder unrichtig seien. Die Vorgangsweise, dass in erster Instanz keine öffentliche mündliche Verhandlung und in zweiter Instanz gar keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei, erscheine im Sinne des Art. 6 EMRK bedenklich.

Nach der im Beschwerdefall geltenden Rechtslage der DO 1994 war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission in erster Instanz nicht zwingend vorgesehen und es wurde auch tatsächlich keine öffentliche Verhandlung durchgeführt. Die Entscheidung der belangten Behörde ist entsprechend der damals geltenden Fassung des § 103 Abs. 5 DO 1994 in nichtöffentlicher Sitzung ergangen.

Die Durchführung eines Beweisverfahrens darüber, ob die angelasteten objektiv feststehenden Behauptungen vom Beschwerdeführer in subjektiver Hinsicht "bewusst unrichtig aufgestellt wurden" wäre aus folgenden Erwägungen geboten gewesen :

Die belangte Behörde hat - nach der Begründung ihrer Entscheidung - das (auch) Beamten zustehende Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung nicht hinreichend berücksichtigt. Beamte sind vom Anwendungsbereich der EMRK in dieser Hinsicht nicht ausgeschlossen. Es trifft nicht zu, dass für Beamte nur ein beschränktes Recht auf freie Meinungsäußerung besteht. Dass sämtliche Grundrechte auch für Beamte gelten und Einschränkungen der Grundrechtsgeltung mit einem Beamtenverhältnis allein nicht begründet werden können, ist an sich nicht strittig (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, zweite Auflage 1996, Seite 9).

Auch Kritik an der eigenen Behörde durch einen Beamten ist zulässig und durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt. Der Beamte hat für seine Meinung weder einen Wahrheitsbeweis zu erbringen, noch haftet er disziplinär für die objektive Richtigkeit seiner Meinung. Es bedeutet keine Verletzung des § 43 Abs. 2 BDG 1979, wenn ein Beamter in der Öffentlichkeit andere Beamte oder die ganze Beamtenschaft, aber auch die Bundesregierung oder einen Bundesminister kritisiert (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 2000, Zl. 97/09/0106, und die darin angegebene Judikatur). Nichts anderes hat für die in dieser Hinsicht im Wesentlichen vergleichbare Bestimmung des § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 zu gelten, deren Verletzung dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer allerdings nach dem Inhalt seiner Behauptungen (zumindest teilweise) das zulässige Maß angemessener Kritik überschritten. Insoweit er dabei die in § 18 Abs. 2 zweiter Satz DO 1994 gezogene, dem Schutz des guten Rufes anderer dienende Grenze überschritten hat, kann er sich nicht auf die zulässige Ausübung der Freiheit der Meinungsäußerung stützen, sondern es war insoweit zulässig, die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EMRK einzuschränken und ihn dafür disziplinarrechtlich zur Verantwortung zu ziehen (vgl. insoweit sinngemäß die im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1995, VfSlg 14316/1995 dargelegten Grundsätze).

Darüber, ob der Beschwerdeführer "bewusst unrichtige Behauptungen aufgestellt hat", sohin in der Schuldform des Vorsatzes, hätten die Disziplinarbehörden jedoch (unter Berücksichtigung der angebotenen Entlastungsbeweise) Ermittlungen durchführen und danach Sachverhaltsfeststellungen treffen müssen. Dass formell rechtskräftige Entscheidungen bestehen, belegt für sich genommen nicht, dass allein deshalb Kritik unzulässig oder unmöglich ist, bedeuten inhaltliche Abweichungen von rechtskräftigen Entscheidungen doch nicht automatisch, dass deshalb eine unrichtige Meinung (Behauptung) vorliegt, oder die Behauptung "bewusst unrichtig" aufgestellt wird. Die Beweiserhebungen in erster Instanz erschöpften sich in der vor der Disziplinarkommission in erster Instanz abgelegten Aussage des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer die inkriminierten Äußerungen wider besseres Wissen gemacht habe, ist seiner Aussage allerdings nicht zu entnehmen. Damit fehlen aber geeignete Ermittlungen und Nachweise, um feststellen zu können, dass der Beschwerdeführer die - aus der Sicht seines Standpunktes richtigen - Behauptungen "bewusst unrichtig aufgestellt hat".

Wurde der Nachweis der Begehung einer Dienstpflichtverletzung in der vorgeworfenen besonders qualifizierten Schuldform nicht erbracht, dann hätte der Beschwerdeführer - auf dem Boden der Sach- und Rechtslage, wie er der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung und ohne ergänzendes Beweisverfahren vorlag - nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht im Sinne der verhängten Disziplinarstrafe bestraft werden dürfen (vgl. hiezu nochmals das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 2000, Zl. 97/09/0106).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 6. Juni 2001

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