Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 27. Jänner 1998 nahm die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz mit der 1956 geborenen, seit 1982 mit geringfügigen Unterbrechungen im Bezug der Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführerin eine Niederschrift über die "Nichtannahme einer zugewiesenen Beschäftigung bzw. Vereitelung einer solchen" auf. In dieser wurde festgehalten, der Beschwerdeführerin sei am 27. Jänner 1998 eine Beschäftigung als Hausgehilfin bei einem (privaten) Dienstgeber mit mindestens kollektivvertraglicher Entlohnung und einem Arbeitsantritt am 28. Jänner 1998 zugewiesen worden. Die Beschwerdeführerin habe die ihr zugewiesene Beschäftigung nicht angenommen. Die Beschwerdeführerin gab dazu an:
"Gründe: Ich sprach heute bei hrn O. (SfU) bzgl. der betreffenden Stelle vor - er fragte mich, ob ich mich für die Stelle interessiere, woraufhin ich ihm erklärte, dass ich mich (ich meinte vom gesetzlichen Standpunkt her) 'dafür zu interessieren habe'. Daraufhin erklärte mir hr O., ich käme für die Stelle nicht in Frage u verwies mich wieder an Fr U."
Mit Bescheid vom 3. März 1998 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz aus, die Beschwerdeführerin habe den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum vom 27. Jänner bis zum 23. März 1998 verloren. Dieser Zeitraum verlängere sich um die in ihm liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen worden sei. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe "aus Sicht des AMS" die Arbeitsaufnahme als Hausgehilfin vereitelt. Gründe für die Erteilung einer Nachsicht lägen nicht vor.
In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, es sei richtig, dass sie Herrn O. vom AMS erklärt habe, dass sie vom gesetzlichen Standpunkt her die Stellenbeschreibung vom 27. Jänner 1998 als Hausgehilfin zu interessieren habe. Sodann habe ihr Herr O. erklärt, dass sie für diese Stelle nicht in Frage komme. Ihre Aussage stelle keine Arbeitsverweigerung dar. Darüber hinaus habe sie am 27. Jänner 1998 keine Verpflichtung getroffen, eine Arbeit anzutreten, weil sie auf Grund der Krankenstandsbescheinigung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 27. Jänner bis zum 13. Februar 1998 im Krankenstand gewesen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und sprach aus, dass die Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für die Zeit vom 27. Jänner 1998 bis zum 9. März 1998, verlängert um 15 Krankengeldsbezugstage bis zum 24. März 1998, versagt werde. Die Notstandshilfe gebühre ab dem 25. März 1998 weiterhin im gesetzlichen Ausmaß.
Begründend wurde - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung - ausgeführt, die Abteilung (des AMS) "Service für Unternehmen" habe die Aufgabe, Bewerber für die jeweiligen Betriebe bzw. Auftraggeber nach Eignung und Interesse vorzuselektieren, damit sich beim Auftraggeber wirklich nur passende Personen melden. Auf die Frage von Herrn O., ob die Beschwerdeführerin sich für die Stelle als Hausgehilfin interessiere, habe diese geantwortet, dass sie vom gesetzlichen Standpunkt aus betrachtet die Stelle als Hausgehilfin zu interessieren hätte. Herr O. habe der Beschwerdeführerin auf Grund ihres offensichtlich mangelnden Interesses keinen verbindlichen Bewerbungsvorschlag ausgehändigt. Die Beschwerdeführerin habe daher die Annahme der vom AMS Linz angebotenen Beschäftigung durch ihr Verhalten am 27. Jänner 1998 vereitelt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Auf Grund des § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Die genannten Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/08/0392). Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. in diesem Sinn schon das Erkenntnis vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, Slg. Nr. 13.286/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (so etwa das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219, und zahlreiche weitere Erkenntnisse).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0051).
Die Beschwerdeführerin hat dem Mitarbeiter der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Linz auf dessen Frage, ob sie sich für die Stelle als Hausgehilfin interessieren würde, geantwortet, dass sie vom gesetzlichen Standpunkt aus betrachtet die Stelle als Hausgehilfin zu interessieren hätte. Es liegt zwar auf der Hand, dass die Beschwerdeführerin mit dieser Antwort nicht lediglich auf die gesetzliche Anspruchsvoraussetzung der Arbeitswilligkeit für eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung hingewiesen hat, sondern dass darin - je nach den besonderen Umständen - auch eine distanzierende oder ablehnende Haltung gegenüber der von ihr geforderten Bereitschaft, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen (§ 9 Abs. 1 AlVG), zum Ausdruck gelangen könnte. Derartige Äußerungen gegenüber einem möglichen Dienstgeber könnten u.U. geeignet sein, das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses zu vereiteln (vgl. hiezu die einschlägige Äußerungen bei Vorstellungsgesprächen betreffenden hg. Erkenntnisse vom 4. April 2002, Zl. 2002/08/0051 und Zl. 2002/08/0066). Im vorliegenden Fall ist aber noch kein Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und dem namhaft gemachten Dienstgeber zu Stande gekommen. Ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, liegt daher nicht vor, und ebenso wenig kann der Beschwerdeführerin vorgeworfen werden, ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet zu haben.
Es bleibt sohin zu prüfen, ob in der Aussage der Beschwerdeführerin gegenüber dem AMS eine ausdrückliche Weigerung zu erblicken ist, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen. Eine solche Weigerung kann in der Aussage, sie sei (nur) deswegen interessiert, weil sie dazu verpflichtet sei, nicht erblickt werden. Ob ein Arbeitsloser eine ihm angebotene Beschäftigung gerne oder ungerne annimmt, ist unerheblich.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostensatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. März 2003
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