VwGH 98/06/0008

VwGH98/06/000817.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde 1. des S und der WE, 2. des R und 3. der I, alle in L und alle vertreten durch D, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 19. Oktober 1995, Zl. BHDO II 4151-0012-1995, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. H GesmbH in L, und 2. Marktgemeinde Lustenau, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §30 Abs1 litb;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- je zu einem Viertel binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über Ansuchen der erstmitbeteiligten Partei wurde dieser mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde vom 21. April 1995 die Baubewilligung für die Errichtung zweier Mehrfamilienhäuser auf dem Grundstück Nr. 802/1, KG L, erteilt. Das Grundstück Nr. 802/1 grenzt im Süden an das Weggrundstück Nr. 797, und im Westen an die öffentliche Straße, Grundstück Nr. 7005 (die Straße gehört nach dem im Akt erliegenden Grundbuchsauszug zum öffentlichen Gut). Jenseits dieser 5 m breiten Straße liegen die Grundstücke Nr. 803 der Drittbeschwerdeführerin und Nr. 809/2 der Erstbeschwerdeführer. Im Norden schließt das Grundstück Nr. 808 des Zweitbeschwerdeführers (unmittelbar) an das Baugrundstück an.

Auf dem Grundstück Nr. 808 des Zweitbeschwerdeführers befindet sich ein als gewerbliche Betriebsanlage genutztes Gebäude.

Im genannten erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid wurde der erstmitbeteiligten Partei über ihren Antrag auch gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz die Nachsicht von der Einhaltung der Abstandsflächen sowohl hinsichtlich der Fensterabstandsflächen gegenüber einem östlich anschließenden Grundstück (welches nicht beschwerdegegenständlich ist) als auch hinsichtlich der Gebäudeabstandsflächen gegenüber der genannten Straße Grdst. Nr. 7005 erteilt.

Weiters wurde eine Abstandsnachsicht betreffend die Fensterabstandsflächen gegenüber dem Weggrundstück Nr. 797 erteilt.

In der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 1994 hatten die Beschwerdeführer durch den Beschwerdevertreter eine Reihe von Einwendungen erhoben. Die Einwendungen betrafen insbesondere auch die Bauabstände. Im Hinblick auf § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz wurde in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass zum Grundstück des Zweitbeschwerdeführers ein erhöhter Bauabstand vorzuschreiben sei. Im Westen sei ein Atelier eines bekannten Kunstmalers untergebracht, welches als Maleratelier baubehördlich bewilligt sei. Auch gegenüber diesem Maleratelier sei ein erhöhter Bauabstand im Sinn des § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz vorzuschreiben.

Mit dem genannten Bescheid vom 25. April 1995 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung erteilt und unter Spruchpunkt II. gemäß § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz die Ausnahme von den im Baugesetz vorgesehenen Abstandsflächen zugelassen. Unter Spruchpunkt III. wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer im Hinblick auf § 6 Abs. 10 Baugesetz und im Hinblick auf den geltend gemachten Lärmschutz im Zusammenhang mit der Tiefgaragenabfahrt gemäß § 30 Abs. 1 Baugesetz als unbegründet abgewiesen. Der Einwand, das Bauvorhaben weise keine rechtlich gesicherte Zufahrt auf, wurde, sofern er allenfalls ein Nachbarrecht gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Baugesetz beträfe, als unbegründet abgewiesen.

Weitere Einwendungen der Beschwerdeführer wurden als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung. Mit Bescheid vom 21. August 1995 wurde diesen Berufungen keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Berufungsbescheides wird unter Hinweis auf § 30 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes zwischen Einwendungen, die subjektive Rechte betreffen, und solchen Einwendungen, die keine derartigen subjektiven Rechte betreffen, unterschieden. Zum Vorbringen, dass aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12.468/1990 (dem sogenannten Altmünster-Erkenntnis) ableitbar sei, dass auch gemäß § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz im Falle des Bestehens einer gewerblichen Betriebsanlage auf einem Nachbargrundstück ein größerer Abstand des zu bewilligenden Projekts vorzuschreiben sei, wird ausgeführt, dass in diesem Erkenntnis eine Widmung als Wohngebiet im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Altmünster als gesetzwidrig aufgehoben worden sei, weil diese Widmung direkt an eine Betriebsgebietswidmung angegrenzt habe. Das Oberösterreichische Raumordnungsgesetz sehe anders als das Vorarlberger Baugesetz in § 16 Abs. 2 eine Verpflichtung zur möglichsten Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen durch angrenzende Flächenwidmungen vor. Die Aufhebung des betreffenden Teiles des Flächenwidmungsplanes sei deshalb erfolgt, weil zwei verschiedene und nicht miteinander vereinbare Widmungskategorien aneinandergegrenzt hätten. Im gegenständlichen Fall seien jedoch sowohl das Baugrundstück als auch die Grundstücke der Nachbarn als Baufläche-Mischgebiet gewidmet. Es gehe aus dem zitierten Erkenntnis nicht hervor, dass unmittelbar neben einem Gewerbebetrieb kein Wohnhaus bewilligt werden dürfe. In Mischgebieten dürften Gebäude und Anlagen, die in Kern- und Wohngebieten zulässig seien, und nicht störende Klein- und Mittelbetriebe errichtet werden. Es sei unbestritten, dass das Baugrundstück, auf dem die Mehrfamilienhäuser errichtet werden sollen, als Baufläche-Mischgebiet gemäß § 14 Abs. 3 Vorarlberger Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 15/1973, gewidmet sei und die Bauabstandsflächen nach § 6 Abs. 2 bis 8 Baugesetz gegenüber den Berufungswerbern eingehalten würden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung. In der Vorstellung wird geltend gemacht, dass der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid die Vorstellungswerber in ihren Rechten auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung, auf Wahrung der Eigentumsrechte nach § 4 Baugesetz, auf Einhaltung eines erhöhten Bauabstandes nach § 6 Abs. 10 Baugesetz und auf Schutz vor baurechtlich unzulässigen Immissionen verletze. Neben der Frage der Zufahrt zum Baugrundstück wird insbesondere auf die Verletzung des Rechts auf Vorschreibung eines erhöhten Bauabstandes eingegangen, ohne dass dabei klargestellt wird, welche der Vorstellung erhebenden Parteien insoweit in einem subjektiven Recht verletzt wäre. Die Erteilung einer Baubewilligung für ein Gebäude dieser Kubatur in nächster Nähe - in einem Abstand von nur 5 m zu einer öffenbaren Fensterfront eines Gewerbebetriebs und zu einem Maleratelier - verletze die inhaltlichen Kriterien, die sich aus dem Erkenntnis Altmünster ableiten ließen. Die Baubehörde hätte das Erfordernis eines allenfalls erhöhten Bauabstandes nach den Kriterien des Erkenntnisses Altmünster prüfen müssen und einen erhöhten Abstand allenfalls vorschreiben müssen. Die Behörde hätte es aber vermieden, die konkrete nahräumliche Situation zu untersuchen, da sie dabei die Übernutzung des Baugrundstückes feststellen hätte müssen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der subjektiven Rechte gemäß § 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz aus, dass sich der auf das Erkenntnis Altmünster gestützte Einwand allenfalls auf § 30 Abs. 1 lit. b, dem zufolge die Vorschriften des § 6 Baugesetz ein subjektives Recht vermitteln, stützen ließe. Es sei jedoch den Baubehörden beizupflichten, dass die Notwendigkeit und die Zulässigkeit der Vorschreibung größerer Abstände auf Grundlage des § 6 Abs. 10 des Baugesetzes im vorliegenden Zusammenhang zu verneinen sei. Der Verwendungszweck der projektierten Bauten, die im gewidmeten Baumischgebiet errichtet würden, als Wohngebäude lasse im Bereich der Nachbarn des Bauobjekts keinerlei Immissionen erwarten, die sich außerhalb des Rahmens des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes bewegten, wie im Berufungsbescheid unter Hinweis auf zahlreiche Judikate des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt und untermauert worden sei. Eine ausdehnende Interpretation des § 6 Abs. 10 des Baugesetzes im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sei nicht möglich. § 30 Abs. 1 lit. b des Baugesetzes räume dem Nachbarn im Hinblick auf § 6 des Baugesetzes ausdrücklich nur insoweit ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht ein, als diese Bestimmungen den Schutz der Nachbarn aus Rücksichten des Brandschutzes und der Gesundheit, insbesondere Belichtung, Luft und Lärm beträfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtet war. Nach Ablehnung der Behandlung und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof wurde die Beschwerde über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes von den Beschwerdeführern ergänzt. Die Beschwerdeführer machen die Verletzung im Recht auf Abweisung des Bauantrages, auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, auf eine ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung, auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung, nicht in Nachbarrechten nach § 6 Baugesetz verletzt zu werden, und der Nachbarrechte nach § 6 Baugesetz geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 6 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972, zuletzt

geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 72/1997, lautet

auszugsweise:

"§ 6

Abstandsflächen

(1) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, daß vor ihren Außenwänden, ausgenommen vor deren Ecken, Abstandsflächen liegen, auf denen keine Gebäude und keine sonstigen oberirdischen Bauwerke bestehen oder errichtet werden dürfen, die an einer Stelle mehr als 1 m hoch sind. Bauwerke, die an keiner Stelle mehr als 3 m hoch sind und nicht dem länger dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, dürfen jedoch innerhalb der Abstandsflächen von Gebäuden des gleichen Baugrundstückes liegen, soweit dadurch für Fenster gemäß Abs. 3 ein Lichteinfall im Sinne des letzten Satzes des Abs. 3 nicht verhindert wird. Die im § 7 genannten Vorsprünge und Vorbauten dürfen jedoch bis zu dem dort genannten Ausmaß in die Abstandsflächen hineinragen, wobei in den Fällen des § 7 Abs. 6 lit. a bis c eine Zustimmung des Nachbarn erforderlich ist.

(2) Die Abstandsfläche muß so tief sein, wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt, der sich auf einer in Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegten Waagrechten ergibt, wenn über das Gebäude Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Bei der Ermittlung der Schattenpunkte sind untergeordnete Bauteile, wie Kamine u.dgl., sowie Vorsprünge und Vorbauten gemäß § 7 bis zu dem dort genannten Ausmaß nicht zu berücksichtigen. Als Außenwand gilt eine lotrechte Ebene in der äußersten Begrenzungslinie des Gebäudes, wobei Vorsprünge und Vorbauten nur soweit zu berücksichtigen sind, als sie das im § 7 genannte Ausmaß überschreiten.

(3) Vor Außenwänden mit Fenstern von Räumen, die zum länger dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, insbesondere von Wohn-, Arbeits- und Schlafräumen, müssen die Abstandsflächen in der Breite der Fenster so tief sein, wie neun Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt, der sich auf einer in Höhe der Fensterbrüstung gelegten Waagrechten ergibt, wenn über das Gebäude Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. ...

(5) Soweit im Abs. 6 nichts anderes bestimmt ist, müssen die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen.

(6) Angrenzende öffentliche Verkehrsflächen dürfen bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsflächen einbezogen werden. Auf Nachbargrundstücke dürfen sich Abstandsflächen erstrecken, soweit auf ihnen zugunsten der Gemeinde grundbücherlich sichergestellt ist, daß keine Bauwerke im Sinne des Abs. 1 errichtet werden dürfen. Solche Abstandsflächen dürfen nicht durch eine Abstandsfläche des Nachbargrundstückes überdeckt werden.

(7) Von der Nachbargrenze müssen oberirdische Gebäude mindestens 3 m entfernt sein.

(8) Bei oberirdischen Bauwerken, ausgenommen Gebäude und Einfriedungen oder sonstige Wände bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück, hat der Abstand von der Nachbargrenze mindestens 2 m und bei unterirdischen Bauwerken mindestens 1 m zu betragen, falls nicht der Nachbar einem geringeren Abstand zustimmt und die im Abs. 9 genannten Interessen nicht beeinträchtigt werden.

(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden.

(10) Die Behörde kann auch größere als in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebene Abstandsflächen und Abstände festsetzen, wenn der Verwendungszweck eines Bauwerkes eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarn erwarten läßt.

(11) Die Vorschriften der Abs. 1 bis 10 gelten nicht, soweit sich aus einem Bebauungsplan etwas anderes ergibt. Durch die Vorschriften der Abs. 1 bis 10 wird der § 36 des Straßengesetzes nicht berührt."

Die Beschwerdeführer machen in der Beschwerde insbesondere die Verletzung der sich aus § 6 Baugesetz ergebenden Rechte geltend. In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang im Hinblick auf § 6 Abs. 10 Baugesetz auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen Unterlassung von Tatsachenfeststellungen gerügt. Aus der im Bescheid erster Instanz erteilten Bauabstandsnachsicht wird in der Beschwerde ein Beleg für die sogenannte "Übernutzung" des Grundstückes erblickt. Zu § 6 Abs. 10 Baugesetz wird ausgeführt, dass es dabei nicht nur auf die Flächenwidmung ankomme, sondern § 6 Abs. 10 auf die örtlichen Verhältnisse abstelle. § 6 Abs. 10 sei gerade dafür konzipiert worden, außerhalb der Flächenwidmung das ortsübliche Immissionsmaß sicherzustellen. Insbesondere wird geschlossen, dass § 6 Abs. 10 Baugesetz den Nachbarn schützen solle, weil ihn die Flächenwidmung nicht schütze. Die belangte Behörde habe nicht begründet, worin die Verschiedenartigkeit zwischen dem Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz und der Rechtslage in Vorarlberg liege.

Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich somit im Wesentlichen auf den Einwand, dass (offenbar gemeint: jedenfalls dem Zweitbeschwerdeführer gegenüber, unter Einbeziehung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren könnte man auch meinen: den Erstbeschwerdeführern gegenüber; die Beschwerde enthält keine näheren Ausführungen zu dem auf Verwaltungsebene erwähnten Maleratelier, welches sich nach der Lageangabe in der mündlichen Verhandlung auf dem Grundstück der Erstbeschwerdeführer befinden könnte) ein erhöhter Abstand im Sinne des § 6 Abs. 10 vorzusehen gewesen wäre.

Damit ergibt sich zunächst, dass das Beschwerdevorbringen keinerlei nähere Angaben darüber enthält, in welche subjektiven Rechte der Drittbeschwerdeführerin der angefochtene Bescheid eingegriffen hätte (sofern nicht das erwähnte Maleratelier auf dem Grundstück dieser Beschwerdeführerin liegt). Insbesondere enthält der Vorwurf einer "Übernutzung" keinen Hinweis auf ein aus § 30 Vlbg Baugesetz ableitbares subjektives Recht. Aufgrund des generellen Hinweises auf die Verletzung der sich aus § 6 Vlbg Baugesetz ergebenden Rechte ist jedoch auf die Frage der Abstandsnachsicht (die Drittbeschwerdeführerin hat insofern rechtzeitig Einwendungen erhoben) einzugehen. Auch die Beschwerde der Erstbeschwerdeführer kann (wiewohl diese Frage weder in der Vorstellung noch in der vorliegenden Beschwerde ausdrücklich angesprochen wird, sondern allenfalls implizit durch den Verweis auf § 6 Baugesetz generell zum Gegenstand der Beschwerde gemacht wurde) insoweit verstanden werden, dass Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die erteilte Abstandsnachsicht geltend gemacht wird.

Insofern ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach dem zitierten § 6 Abs. 6 des Vorarlberger Baugesetzes angrenzende öffentliche Verkehrsflächen bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsflächen einbezogen werden dürfen. Nach dem der Bewilligung zugrundegelegten Einreichplan reicht die Abstandsfläche nicht bis zur halben Tiefe der öffentlichen Straße, sodass in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Rechten der Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin nicht in Betracht kommt

Soweit im Hinblick auf § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz geltend gemacht wird, dass größere Abstände vorzuschreiben gewesen wären, ist (womit insbesondere die für den Zweitbeschwerdeführer erhobenen Einwände behandelt werden, aber auch auf das in der Beschwerde nicht mehr wiederholte Vorbringen hinsichtlich eines Malerateliers eingegangen wird) auf Folgendes hinzuweisen:

Wie auch in der Beschwerdeergänzung zutreffend ausgeführt wird, dient § 6 Abs. 10 Baugesetz dem Schutz des Nachbarn vor Immissionen (und nicht des Konsenswerbers vor den Immissionen in der Umgebung bestehender Anlagen). Dies ist - worauf die belangte Behörde klar hingewiesen hat - dahingehend zu verstehen, dass die Baubehörden die vom zu bewilligenden Projekt zu erwartenden Immissionen daraufhin zu prüfen haben, ob sie die Vorschreibung größerer Abstände im Sinne des § 6 Abs. 10 Baugesetz erforderlich machen. Wie der Verwaltungsgerichtshof auch angesichts der von der Beschwerde zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes verschiedentlich festgestellt hat, lässt eine Vorschrift wie sie auch § 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz im Zusammenhalt mit § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz darstellt, erkennen, dass derartige Bestimmungen subjektive Rechte nur dahingehend einräumen, dass sich die Nachbarn von beantragten Bauprojekten in dem in der Bauordnung näher genannten Ausmaß gegen Immissionen auf ihren Grundstücken, die vom beantragten Projekt ausgehen, wenden können (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1995, Zl. 95/06/0163, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur). Diese Rechtslage haben sowohl die Baubehörden als auch die belangte Behörde zutreffend erkannt. Die Ausführungen in der Beschwerde sind nicht geeignet aufzuzeigen, dass § 6 Abs. 10 Vorarlberger Baugesetz in Verbindung mit § 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz anders zu verstehen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, einen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, der die Beschwerde ebenfalls nicht zum Anlass zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahren genommen hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, in welcher Weise die konkrete Ausnützung eines Grundstückes durch den Eigentümer zur Rechtswidrigkeit des Planungsaktes hinsichtlich der Widmung führen sollte.

Es geht daher auch der Vorwurf fehlender Tatsachenfeststellungen im Zusammenhang mit § 6 Abs. 10 Vlbg. Baugesetz ins Leere.

Es ist daher im Beschwerdefall auch nicht näher auf die Frage einzugehen, inwiefern die Grundsätze, die der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis VfSlg. 12.468/1990 aufgestellt hat, für den Fall eines Malerateliers dazu führen müssten, dass die Baubehörde größere Abstände vorzuschreiben hätte. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch ergänzend auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1997, B 620/96, hinzuweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof für einen landwirtschaftlichen Betrieb ausgeführt hat, dass die von ihm angenommene Auslegung dann, wenn es sich nicht um einen Gewerbebetrieb handle, der mit der Vorschreibung von Auflagen zu rechnen habe, nicht zum Tragen kommen könne. Maßgebendes Kriterium ist somit für den Verfassungsgerichtshof, ob verwaltungsbehördliche Akte den Betreibern bestehender Anlagen gegenüber erwartet werden können. Welche Auswirkungen vom Maleratelier auf die gegenüberliegende Wohnbebauung ausgehen sollten, die zur Vorschreibung von Auflagen (durch die Gewerbebehörde unter Beachtung des § 79 Abs. 2 GewO 1994 hinsichtlich der Vorschreibung von Auflagen zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage Nachbarn geworden sind) an die Erstbeschwerdeführer führen müssten, wurde im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde nicht näher dargelegt (es ist auch nur von einer baubehördlichen Bewilligung die Rede). Selbst unter Zugrundelegung der von den Beschwerdeführern zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich somit kein Anhaltspunkt für eine andere Auslegung des § 6 Abs. 10 Vlbg. Baugesetz im Hinblick auf das Bestehen eines baubehördlich genehmigten Malerateliers, als sie von den Gemeindebehörden und der belangten Behörde zugrunde gelegt wurde.

Die Beschwerde ist somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Sie war daher - hinsichtlicher aller Beschwerdeführer - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 1998

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