VwGH 98/04/0156

VwGH98/04/015627.1.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek, Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1. der M H,

2. des W H, beide in B, beide vertreten durch Dr. K u.a., Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Juli 1998, Zl. 318.553/4- III/A/2a/98, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: A GesmbH & Co KG in S, vertreten durch Dr. P und Dr. G, Rechtsanwälte in S), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §77 Abs1;
VwRallg;
GewO 1994 §77 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zum Gang des Verwaltungsverfahrens bis zur Aufhebung des Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. April 1997 durch das hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, wird auf die diesbezügliche Darstellung in dem genannten Erkenntnis verwiesen. Als tragende Begründung für die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides wird in diesem Erkenntnis ausgeführt, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Auflage nur dann im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 geeignet ist, wenn ihre Einhaltung von der Behörde jederzeit und aktuell überprüft werden kann. Diese Überprüfbarkeit erfordert einen solchen Inhalt der Auflage, daß jederzeit beurteilt werden kann, ob ein bestimmtes Verhalten als Einhaltung der Auflage zu deuten ist. Diesen Erfordernissen entsprach die im Bescheid vom 28. April 1997 unter D2 vorgeschriebene Auflage, "sämtliche lärmintensive Arbeiten in der Betriebsanlage wie z.B. Hämmern, Schleifen, Bohren usw."

einzustellen, solange das Tor geöffnet ist, schon insoferne nicht, als hier schlechthin auf die Durchführung "lärmintensive Arbeiten" Bezug genommen wird; werden die in der Folge angeführten Arbeiten doch ausdrücklich als Beispiele für "lärmintensive Arbeiten" genannt, sodaß nicht davon ausgegangen werden kann, daß als "lärmintensive Arbeiten" nur die genannten Arbeiten in Betracht kämen. Es konnte daher - ohne auf die grundsätzliche Frage einzugehen, inwieweit eine solche Auflage bei laufendem Betriebsgeschehen überhaupt eine solche im Sinn des § 77 Abs. 1 GewO 1994 geeignete Auflage sein könnte - schon aus diesem Grund nicht von einer geeigneten Auflage gesprochen werden.

Mit dem als Ersatzbescheid für den Bescheid vom 28. April 1997 ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 14. Juli 1998 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug neuerlich die in Rede stehende Bewilligung, wobei sich die vorgeschriebenen Auflagen von den im Bescheid vom 28. April 1997 vorgeschriebenen lediglich dadurch unterscheiden, daß in der Auflage D2 die beispielsweise Aufzählung lärmintensiver Arbeiten wegfällt, sodaß diese Auflage nunmehr folgenden Wortlaut hat:

"D.2) Das südliche Sektionaltor darf nur zum unmittelbaren Ein- und Ausfahren von Kraftfahrzeugen maximal fünfmal täglich geöffnet werden. Solange das Tor geöffnet ist, müssen sämtliche lärmintensiven Arbeiten in der Betriebsanlage eingestellt werden. Ein Offenhalten des Tores über die unbedingt für die Fahrbewegungen erforderliche Zeit hinaus ist während der Betriebszeiten unzulässig. Die Gehtüre ist während der Betriebszeiten geschlossen zu halten."

Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges einschließlich des Inhaltes des hg. Erkenntnisses vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, aus, er habe im fortgesetzten Verfahren eine weitere gutachtliche Stellungnahme eines gewerbetechnischen Amtssachverständigen eingeholt, in dem (unter anderem) ausgeführt werde, in einer Werkstätte würden mannigfaltige, unterschiedliche Arbeitsvorgänge ausgeführt. Es gehe hier nicht um spezifische, genau definierte Maschinengeräusche, sondern um Schallemmissionen verschiedenster Natur, welche in ihrer Gesamtheit zu betrachten seien. Heraustretende Lärmereignisse könnten z.B. laute Zurufe ebenso darstellen wie Startversuche an einem defekten Kraftfahrzeugmotor. Aus diesem Grunde sei es unmöglich, sämtliche lärmintensiven Arbeitsvorgänge taxativ aufzuzählen, und es werde immer in solchen Fällen mit beispielhaft angeführten Ereignissen das Auslangen gefunden werden müssen. Wäre nämlich schon die Unmöglichkeit der taxativen Aufzählung sämtlicher lärmintensiver Arbeiten Grund für die Versagung einer Betriebsanlage oder wie im gegenständlichen Fall für das Verbot des Toröffnens, stelle sich die Frage, wie überhaupt in Hinkunft derartige Betriebsanlagen genehmigt werden sollten. Darüber hinaus spreche schon der Ausdruck "sämtliche lärmintensive Arbeiten in der Betriebsanlage" für sich, sodaß die beispielhafte Aufzählung der genannten Arbeiten nicht unbedingt notwendig sei. Die vorgeschlagene Auflage sei dennoch durchaus als geeignet anzusehen und könne auch von der Behörde jederzeit überprüft werden. In seiner rechtlichen Beurteilung führte der Bundesminister aus, er folge mit der nunmehrigen Entscheidung den schlüssigen, klaren und objektiv nachvollziehbaren Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen. Die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen hätten in ihrer Beurteilung zusätzliche Geräusche wie das Zuschlagen von Motorhauben, das mehrmalige Starten usw., unzulässigerweise miteinbezogen. Es werde der Ausführung des gewerbetechnischen Sachverständigen gefolgt, wonach derartige Geräusche nur in Einzelfällen aufträten, im allgemeinen aber beim fünfmaligen Einbringen von KFZ in das Gebäude und von den vom gewerbetechnischen Sachverständigen erhobenen Geräuschen auszugehen sein werde. Diese Lärmereignisse seien aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung als bekannt vorauszusetzen und seien nunmehr vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen näher erläutert worden. Wenn nun das medizinische Gutachten aus dieser Sicht betrachtet werde, so müsse davon ausgegangen werden, daß eine Beeinträchtigung der Nachbarn ausgeschlossen werden könne. Da es bei bestimmten Betriebsanlagen - wie der gegenständlichen - nicht möglich sei, sämtliche lärmintensiven Arbeitsvorgänge taxativ aufzuzählen, sei die im Spruch ersichtliche Änderung der Auflage D.2 vorgenommen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichartigen Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung nur unter Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn insbesondere durch Erteilung von Auflagen, die Gesundheitsgefährdungen hintanhalten sollen, verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin unter anderem vor, die belangte Behörde habe ihre Entscheidung mit dem angefochtenen Bescheid gegenüber ihrem früheren Bescheid vom 28. April 1997 lediglich derart geändert, daß sie in Punkt D2 die Worte "wie z.B. Hämmern, Schleifen, Bohren usw." weggelassen habe. Auch diese Formulierung der Auflage sei, wie schon der Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 25. November 1997 ausgeführt habe, nicht überprüfbar.

Schon mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Recht:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustand herzustellen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem in dieser Rechtssache ergangenen Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/04/0111, mit aller Deutlichkeit ausgeführt hat, verstößt eine Auflage, mit der "sämtliche lärmintensive Arbeiten" untersagt werden, selbst dann gegen das in diesem Erkenntnis näher definierte Konkretisierungsgebot, wenn die von diesem Begriff umschriebenen Arbeiten beispielsweise umschrieben werden. Umso weniger entspricht eine derartige Formulierung der Auflage dem Konkretisierungsgebot, wenn auch die beispielsweise Umschreibung wegfällt. Dadurch, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid neuerlich eine Auflage mit einem solchen Wortlaut, noch dazu nunmehr unter Wegfall der beispielsweisen Umschreibung, vorgeschrieben hat, verstieß sie gegen die ihr im § 63 Abs. 1 VwGG auferlegte, oben näher dargestellte Verpflichtung.

Daran vermag der Umstand, daß der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige eine derartige Auflage durchaus als geeignet ansah, nichts zu ändern, weil die Frage, ob die konkrete Formulierung einer Auflage den aus § 77 Abs. 1 GewO 1994 abzuleitenden Anforderungen an eine solche entspricht, eine Rechtsfrage darstellt, die von der Behörde ohne Bindung an sachverständige Äußerungen zu lösen ist. Die belangte Behörde verkennt auch den normativen Gehalt der Bestimmung des § 77 Abs. 1 GewO 1994, wenn sie offensichtlich meint, die Vorschreibung einer den aus dieser Norm abzuleitenden Anforderungen nicht entsprechenden Auflage sei dann gerechtfertigt, wenn anders für die in Rede stehende Betriebsanlage die beantragte Genehmigung nicht erteilt werden könnte. Tatsächlich kann der Wortlaut des ersten Satzes des § 77 Abs. 1 GewO 1994, wonach die Betriebsanlage zu genehmigen ist, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, nur dahin verstanden werden, daß die Genehmigung versagt werden muß, wenn durch den Anforderungen dieser Gesetzesstelle entsprechende Auflagen der Schutz der im § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen nicht gewährleistet werden kann.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Jänner 1999

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