VwGH 98/01/0603

VwGH98/01/06036.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des A C in B, vertreten durch Dr. Martin Lichtenegger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Andreas-Hofer-Platz 9/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. Oktober 1998, Zl. 2-11.C/155 - 97/11, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 lita;
StRÄG 1996 Art11;
StRÄG 1996 Art5;
TilgG 1972 §2 Abs1;
TilgG 1972 §2 Abs2;
TilgG 1972 §4 Abs2;
TilgG 1972 §4 Abs3 idF 1996/762;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2 lita;
StRÄG 1996 Art11;
StRÄG 1996 Art5;
TilgG 1972 §2 Abs1;
TilgG 1972 §2 Abs2;
TilgG 1972 §4 Abs2;
TilgG 1972 §4 Abs3 idF 1996/762;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung (der belangten Behörde) vom 19. Oktober 1998 wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines am 15. August 1967 geborenen türkischen Staatsangehörigen - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 11a i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 und § 39 Abs. 1 und Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer am 3. Juni 1991 vom Landesgericht Klagenfurt "wegen Übertretung des § 14 Abs. 1/1 Fremdenpolizeigesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 1/2 Monaten" verurteilt worden sei. Weitere strafgerichtliche Verurteilungen seien am 16. Oktober 1995 und am 5. November 1996 erfolgt, und zwar durch das Bezirksgericht Feldbach (wegen § 125 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von S 5.000,--, im Nichteinbringungsfall 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bzw. durch das Landesgericht für Strafsachen Graz (wegen §§ 105 Abs. 1, 15, 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe in Höhe von S 26.000,--, im Nichteinbringungsfall 100 Tage Ersatzfreiheitsstrafe).

Es stehe damit fest, dass sich der Beschwerdeführer mehrerer, zum Teil schwer wiegender Verstöße gegen strafgesetzliche Bestimmungen schuldig gemacht habe. Damit konfrontiert habe er darauf hingewiesen, dass die Verurteilungen nur wegen Meinungsverschiedenheiten im privaten Bereich (mit seiner Gattin) erfolgt seien. Diese Stellungnahme sei jedoch nicht geeignet, eine Änderung "der Bewertung des Verfahrensergebnisses" herbeizuführen, zumal den Ausführungen des Beschwerdeführers die Rechtskraft der gerichtlichen Verurteilungen entgegenstehe. Da der Beschwerdeführer somit wiederholt gegen Vorschriften verstoßen habe, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Staate erlassen worden seien, erfülle er - so die belangte Behörde sinngemäß - nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des StbG in der hier anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124/1998, lauten wie folgt:

"Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

...

2. er durch ein inländisches Gericht

a) weder wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten

b) noch wegen eine Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist;

...

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet;

...

§ 11a. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

  1. 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist,
  2. 2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,

    3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und

    a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder

    b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen Staatsbürger ist."

    Die belangte Behörde hat zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers keine Feststellungen getroffen. Der Begründung des angefochtenen Bescheides liegt jedoch implizit zugrunde, dass dieser die besonderen Voraussetzungen des § 11a Z. 1 bis 4 StbG erfülle, was mit dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und dem Beschwerdevorbringen insofern im Einklang steht, als der Beschwerdeführer seit 21. Februar 1992 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist und seit 22. Mai 1995 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat.

    Sind die Voraussetzungen des § 11a Z. 1 bis 4 StbG gegeben, so kommt dem Fremden ein Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zu, wenn er überdies die Verleihungserfordernisse des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 erfüllt. Dies hat die belangte Behörde in Bezug auf § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. verneint, weil der Beschwerdeführer im Hinblick auf die festgestellten Verurteilungen eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle. Gegen diese Rechtsansicht richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem wesentlichen Argument, dass die Vorverurteilungen des Beschwerdeführers "im Lichte des Umfeldes gesehen werden" müssten, in dem der Beschwerdeführer erzogen und aufgewachsen sei. Dabei bleiben jedoch die behördlichen Feststellungen, dass er am 3. Juni1991 vom Landesgericht Klagenfurt "wegen Übertretung des § 14 Abs. 1/1 Fremdenpolizeigesetz zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 1/2 Monaten" verurteilt wurde (gemäß der im Akt erliegenden Strafregisterauskunft erfolgte die Verurteilung richtig wegen § 14a Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz, wobei lediglich ein Strafteil von 4 1/2 Monaten bedingt nachgesehen wurde) und dass am 16. Oktober 1995 eine neuerliche strafgerichtliche Verurteilung wegen § 125 StGB zu einer Geldstrafe von S 5.000,-- (50 Tagessätze a S 100,--, im Nichteinbringungsfall 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, rechtskräftig am 20. Oktober 1995) erfolgte, unbekämpft. Davon ausgehend kann die Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StGB aber dahinstehen, weil im Hinblick auf diese Verurteilungen einer Verleihung der Staatsbürgerschaft schon das selbstständige Hindernis nach § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG im Wege steht, welches "absolut" wirkt und für eine Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände keinen Platz lässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998, Zl. 98/01/0449).

    Dass einer Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG entgegensteht, ergibt sich aus nachstehenden Erwägungen: Der Beschwerdeführer wurde am 3. Juni 1991 vom Landesgericht Klagenfurt wegen des Vergehens nach "§ 14 Abs. 1/1 Fremdenpolizeigesetz" (richtig: § 14a Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz; Schlepperei) zu einer "bedingten Freiheitsstrafe von 6 1/2 Monaten" (richtig: zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von insgesamt 6 1/2 Monaten) verurteilt. Dieses Delikt kann nur vorsätzlich begangen werden (§ 7 Abs. 1 StGB), weshalb eine maßgebliche Verurteilung im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG vorliegt, zumal von dieser Vorschrift auch bedingte strafgerichtliche Verurteilungen erfasst sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1998, Zl. 98/01/0220). Diese Verurteilung wäre im gegebenen Zusammenhang freilich nicht (mehr) beachtlich, wenn sie mittlerweile getilgt wäre (vgl. abermals das schon genannte hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998). Zur Beurteilung dieser Frage sind die §§ 2 bis 4 des Tilgungsgesetzes 1972 (im folgenden: TilgG) heranzuziehen. Diese lauteten in der im Juni 1991 gültigen Fassung (auszugsweise) wie folgt:

    "Beginn der Tilgungsfrist

§ 2. (1) Die Tilgungsfrist beginnt, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen.

(2) Ist keine Freiheits- oder Geldstrafe verhängt worden oder sind die verhängten Freiheits- oder Geldstrafen durch Anrechnung einer Vorhaft zur Gänze verbüßt und ist auch keine mit Freiheitsentziehung verbundene vorbeugende Maßnahme angeordnet worden, so beginnt die Frist mit Rechtskraft der Verurteilung.

...

Tilgungsfrist bei einer einzigen Verurteilung

§ 3. (1) Ist jemand nur einmal verurteilt worden, so beträgt die Tilgungsfrist

...

2. fünf Jahre, wenn er zu einer höchstens einjährigen Freiheitsstrafe oder nur zu einer Geldstrafe oder weder zu einer Freiheitsstrafe noch zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist ...

...

Tilgungsfrist bei mehreren Verurteilungen

§ 4. (1) Wird jemand rechtskräftig verurteilt, bevor eine oder mehrere frühere Verurteilungen getilgt sind, so tritt die Tilgung aller Verurteilungen nur gemeinsam ein. Die Tilgung der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches tritt jedoch unabhängig davon ein, ob andere Verurteilungen vorliegen; ebenso wenig hindert eine solche Anordnung die Tilgung anderer Verurteilungen.

(2) Die Tilgungsfrist ist im Falle des Abs. 1 unter Zugrundelegung der Summe der in allen noch nicht getilgten Verurteilungen verhängten Strafen nach § 3 zu bestimmen, sie muss aber mindestens die nach § 3 bestimmte Einzelfrist, die am spätesten enden würde, um so viele Jahre übersteigen, als rechtskräftige und noch nicht getilgte Verurteilungen vorliegen. Die zuletzt rechtskräftig gewordene Verurteilung ist mitzuzählen.

(3) Verurteilungen, bei denen die verhängte Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder deren Summe einen Monat nicht übersteigt, bewirken keine Verlängerung der Tilgungsfrist nach Abs. 2; ebenso wenig werden ihre Tilgungsfristen durch andere Verurteilungen verlängert. Das Entsprechende gilt für die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetzbuches.

..."

Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 762/1996, wurde § 4 Abs. 3 des TilgG - nur das ist im vorliegenden Zusammenhang maßgeblich - dahingehend geändert, dass der zweite Satz nunmehr mit Wirksamkeit vom 1. März 1998 wie folgt zu lauten hat:

"Die Tilgung aller Verurteilungen tritt jedoch auch in diesem Fall nur gemeinsam ein (Abs. 1)." (Art. V und XI des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996).

Gemäß § 2 Abs. 1 und 2 des TilgG konnte die Tilgungsfrist bezüglich der Verurteilung vom 3. Juni 1991 frühestens mit deren Rechtskraft zu laufen beginnen, und zwar unabhängig davon, ob - wie von der belangten Behörde festgestellt - die 6 1/2-monatige Freiheitsstrafe zur Gänze oder - wie es der im Akt erliegenden Strafregisterauskunft entspräche - nur zum Teil bedingt nachgesehen worden ist (vgl. Kunst-Petrik, Tilgungsgesetz 1972, Strafregistergesetz 19682, 36). Im Hinblick auf die fünfjährige Dauer der Tilgungsfrist (§ 3 Abs. 1 Z. 2 leg. cit.) konnte die Tilgung der Verurteilung vom 3. Juni 1991 daher frühestens am 3. Juni 1996 eingetreten sein. Vor diesem Zeitpunkt ist der Beschwerdeführer allerdings neuerlich gerichtlich verurteilt worden, und zwar am 16. Oktober 1995 durch das Bezirksgericht Feldbach zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen a S 100,--, im Nichteinbringungsfall 25 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Die Verurteilung bewirkte zwar im Hinblick auf die Anordnung des § 4 Abs. 3 erster Satz TilgG keine Verlängerung der Tilgungsfrist nach Abs. 2 dieser Bestimmung; davon unberührt bleibt allerdings die Anordnung des § 4 Abs. 1 TilgG, wonach mehrere Verurteilungen nur gemeinsam getilgt werden können. Das galt schon für die Rechtslage vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (Kunst-Petrik, aaO., 43 und 45), was durch die Neufassung des § 4 Abs. 3 TilgG durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1996 (siehe oben) nur klargestellt werden sollte (33 BlgNR 20. GP, 77 f.). Die Tilgung der Verurteilung vom 3. Juni 1991 kann mithin frühestens - unter Ausklammerung der für die vorliegende Entscheidung nicht mehr maßgeblichen weiteren Verurteilung vom 5. November 1996 - mit Tilgung der Verurteilung vom 16. Oktober 1995 stattfinden und somit - auch für diese Verurteilung gilt die fünfjährige Tilgungsfrist des § 3 Abs. 1 Z. 2 TilgG - nicht vor Erlassung des bekämpften Bescheides eingetreten sein. Die bloße Rechtsbehauptung des Beschwerdeführers, dem gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG gleich der belangten Behörde zu dem Umstand Gehör gewährt worden ist, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am 23. Oktober 1998) die Verurteilung vom 3. Juni 1991 - unabhängig von den Voraussetzungen des TilgG - bereits getilgt war, sie sei bereits getilgt gewesen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern; eine gnadenweise Tilgung hat der Beschwerdeführer mit keinem Wort angesprochen.

Nach dem Gesagten steht mithin schon § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer entgegen. Dass die belangte Behörde ihren Bescheid demgegenüber auf § 10 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. gründete, verletzt den Beschwerdeführer nicht in Rechten. Seine Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. Juli 1999

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