Normen
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 13. August 1997 wurde gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer in Armenien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Seine Abschiebung in diesen Staat sei somit zulässig.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger von Armenien, laut der mit ihm im Asylverfahren aufgenommenen Niederschrift vom 7. Juni 1996 als Fluchtgrund angegeben habe, sein Heimatland deshalb verlassen zu haben, weil er dort wegen Desertion gesucht würde. Er hätte einige Monate Militärdienst geleistet und den Krieg miterlebt. Dies wäre für ihn schrecklich gewesen, und aus diesem Grund wäre er im Juli 1991 vom Militärdienst desertiert. Danach hätte er sich einige Monate lang bei seinen Eltern aufgehalten. Auf Vorhalt, dass er dort für die staatlichen Organe leicht erreichbar gewesen wäre, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er von den staatlichen Organen wegen Desertion zweimal im Monat bei seinen Eltern gesucht worden wäre und die staatlichen Organe (jeweils) wieder gegangen wären, nachdem ihnen die Haustür nicht geöffnet worden wäre. Er wäre vor diesen Organen im Haus seiner Eltern sicher gewesen. Nach einigen Monaten wäre er zu seinen Großeltern gezogen, wo er sich zweieinhalb Jahre lang aufgehalten hätte, und immer wieder für kurze Zeit zu seinen Eltern gefahren, um diese zu besuchen. Bei seinen Großeltern hätte er sich deshalb aufgehalten, weil er sich nicht immer bei seinen Eltern im Haus hätte verstecken können. Er hätte nichts gegen den Militärdienst gehabt, sondern nur nicht in den Krieg ziehen wollen. Auf Vorhalt, warum er nicht schon früher aus dem Heimatland geflüchtet wäre, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er die Herausgabe des neuen Gesetzes abgewartet und gehofft hätte, danach wieder zum Militärdienst einrücken zu können, ohne bestraft zu werden. Nachdem das neue Gesetz herausgekommen wäre, hätte er wegen Desertion eine Haftstrafe von fünf Jahren zu erwarten gehabt, weshalb er aus seinem Heimatland geflüchtet wäre. Zu diesem Zeitpunkt wäre der Krieg dort beendet gewesen. Weitere Gründe für seine Flucht habe er nicht angeben können.
Die belangte Behörde wertete diese Angaben als unglaubwürdig. Die Behauptung, dass der Beschwerdeführer sich nach seiner angeblichen Desertion bei seinen Eltern und danach bei seinen Großeltern aufgehalten, dann auch noch mehrmals seine Eltern besucht und riskiert hätte, von den staatlichen Organen aufgegriffen zu werden, widerspreche jeder logischen Nachvollziehbarkeit und allgemeinen Lebenserfahrung, zumal Deserteure, insbesondere wenn sie mit einer strengen Bestrafung rechnen müssten, sich in der Regel nicht bei ihren nahen Angehörigen aufhielten, sondern an einen den Behörden unbekannten Ort flüchteten, an dem die Gefahr einer wahrscheinlichen Nachschau durch staatliche Organe möglichst gering sei. Auch sei es unglaubwürdig, dass er im Haus seiner Eltern vor den staatlichen Organen sicher gewesen wäre und diese jeweils, nachdem ihnen nicht geöffnet worden wäre, wieder gegangen wären, zumal diese, sollten sie ihn im Haus seiner Eltern vermutet haben, mit Sicherheit Mittel und Wege gefunden hätten, auch gegen seinen Willen und unter Anwendung von Gewalt in das Haus zu gelangen. Auch sei es eine bekannte Tatsache, dass in Ländern, die sich gerade im Kriegszustand oder im Zustand der Mobilmachung befänden, die Gefahr einer tatsächlichen Bestrafung oder der Verhängung einer höheren Strafe wesentlich größer sei als in Friedenszeiten bzw. in Zeiten, in denen keine Mobilmachung stattfinde. Es sei daher logisch nicht nachvollziehbar und unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer nicht bereits zu jenem Zeitpunkt, als sich sein Heimatstaat noch im Kriegszustand befunden habe, geflüchtet sei, sondern das Risiko auf sich genommen habe, gefasst und bestraft zu werden. Auch hätten sich im Fall seiner Desertion mit Sicherheit die Nachforschungen der staatlichen Organe auf die Wohnadresse seiner nächsten Angehörigen konzentriert und wäre dort im Fall des Verdachts seines Aufenthalts bei diesen eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden.
Man könne wohl davon ausgehen, dass die ursprünglichen Angaben, die ein Asylwerber oder Antragsteller gemäß § 54 FrG mache, der Wahrheit am nächsten kämen und nicht jene, die erst sehr spät (vor allem erst nach anwaltlicher Vertretung bzw. nach Kontakt mit Flüchtlingsberatern) im Verlauf des Verfahrens gemacht würden. Der Beschwerdeführer habe bei seiner (fremdenpolizeilichen) Vernehmung am 20. Februar 1997 angegeben, dass er in seiner Heimat wegen seiner Wehrdienstverweigerung und anschließenden Flucht zu einer sozialen Gruppe gezählt würde, welche ausgeschlossen würde und mit Verfolgungen zu rechnen hätte. In seinen ursprünglichen Angaben (im Asylverfahren) sei davon jedoch keine Rede gewesen. Im Übrigen seien seine Angaben, insbesondere dass er bereits eine Zeit lang den Militärdienst abgeleistet hätte, durch keine Dokumente belegt.
Das Bundesministerium für Inneres habe mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und er in seinem Heimatland vor Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention sicher sei. Da sich der Begriff des Flüchtlings mit den Verfolgungsgründen nach § 37 Abs. 2 FrG decke, könne davon ausgegangen werden, dass diese Verfolgungsgründe nicht vorlägen, zumal er im darauffolgenden fremdenpolizeilichen Verfahren keine neuen Tatsachen vorgebracht und hinsichtlich seiner Fluchtgründe auf sein Vorbringen im Asylverfahren verwiesen bzw. dieses wiederholt habe.
Bei der Ableistung des Militärdienstes handle es sich um eine allgemein anerkannte staatsbürgerliche Pflicht, die von jedem männlichen Erwachsenen zu leisten sei. Es sei das Recht jedes Staates der Welt, seine männlichen und wehrfähigen Staatsbürger zum Militärdienst einzuberufen, wobei auch in Staaten westlicher Prägung, wie Österreich, Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion unter strenger Strafdrohung stehe. Die Einberufung zum Militärdienst (bzw. die strafrechtliche Verfolgung wegen Desertion und Refraktion) stelle grundsätzlich weder Folter noch unmenschliche Strafe oder ebensolche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK dar, noch begründe sie eine Verfolgung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könne nur dann asylrechtlich und in weiterer Folge auch fremdenrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung (Desertion) aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt sei oder aus solchen Gründen eine schwerere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung als anderen Staatsangehörigen gedroht habe bzw. wenn der Deserteur einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre; gleichfalls, wenn er während der Ableistung des Militärdienstes aus den in § 37 Abs. 2 FrG angeführten Gründen gegenüber Personen anderer Volksgruppen schlechter gestellt wäre. Genau dies treffe jedoch auf den Beschwerdeführer nicht zu.
Im Hinblick darauf, dass nach den Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren im Zeitpunkt seiner Flucht der Krieg in seinem Heimatland bereits beendet gewesen sei, hätte er im Fall der Ableistung seines Militärdienstes nicht mehr in ein Kriegsgebiet geschickt werden können. Auch ließen sich seine Vermutungen in der Niederschrift vom 20. Februar 1997, wonach er bei Ableistung seines Militärdienstes als sogenannter Angehöriger einer sozialen Gruppe, wie von ihm in der Niederschrift angegeben, Benachteiligungen gegenüber Angehörigen anderer Volksgruppen ausgesetzt wäre, nicht verifizieren. Sein Hinweis, dass der besondere Hass der Aufseher des Gefängnisses von B. Sowjetaschen gegenüber den Wehrdienstverweigerern eine unmenschliche Behandlung in dieser Haftanstalt begründe und diese Angaben angeblich vom amerikanischen Sender "Armenische Stimme" aus Washington bestätigt würden, sei zu allgemein und daher ebenfalls nicht geeignet, das Vorliegen stichhaltiger Gründe im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 97/21/0804, mwN.)
2. Die Beschwerde bringt vor, dass zur Glaubhaftmachung einer Bedrohung im Sinn des § 54 Abs. 1 FrG Nachweise durch Urkunden nicht erforderlich seien. Aufgrund der Darstellung des Beschwerdeführers iVm den Erkenntnissen, die von Verfahren betreffend andere Staatsangehörige von Armenien hätten gewonnen werden können, stehe fest, dass er mit Sicherheit (in diesem Staat) behördliche Verfolgung zu erwarten habe. Der Beschwerdeführer habe in allen Instanzen im Wesentlichen gleichbleibende Angaben gemacht, die durchaus "wahrscheinlich erscheinen" und keine wesentlichen Widersprüche aufwiesen. Die Behörde hätte ihn einer genauen Befragung unterziehen müssen, so z.B. dazu, wie er zu seiner Großmutter nach Aberan oder immer wieder als Besucher zu seinen Eltern habe gelangen können. Es sei durchaus verständlich, dass er trotz größter Gefahr dennoch seine Eltern habe sehen wollen, und daher völlig unverständlich, weshalb seine Angaben, er wäre vom Militärdienst desertiert, unglaubwürdig sein sollten.
3. Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde die durchaus plausible Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu widerlegen. So ist es bei lebensnaher Betrachtung tatsächlich höchst unwahrscheinlich, dass, wie der Beschwerdeführer im Asylverfahren vorgebracht hat (vgl. die in den Verwaltungsakten erliegende Niederschrift vom 7. Juni 1996), die nach ihm fahndenden staatlichen Organe jeden Monat zweimal zum Haus seiner Eltern, wo er sich einige Monate lang versteckt gehalten habe, gekommen seien und jedes Mal, nachdem ihnen nicht geöffnet worden sei, unverrichteter Dinge weggegangen seien, ohne weiter versucht zu haben, sich den Zutritt ins Gebäude zwecks Nachschau zu verschaffen. Auch ist es kaum vorstellbar, dass ein flüchtiger Deserteur sich mehrere Monate lang im Haus seiner Eltern aufhält und darüber hinaus auch die weiteren Jahre immer wieder zu Besuch dorthin zurückkehrt, obwohl ihm aufgrund der wiederholten Versuche staatlicher Organe, ihn dort auszuforschen, bekannt ist, dass diese Organe das besagte Haus als seinen möglichen Aufenthaltsort in Verdacht haben. Wenn die Beschwerde dem (lediglich) entgegenhält, es erscheine durchaus verständlich, dass der Beschwerdeführer trotz größter Gefahr seine Eltern habe sehen wollen, so vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen, zumal kein Grund ersichtlich ist, dass derartige Zusammenkünfte zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern nicht auch an einem anderen, für ihn weniger gefährlichen Ort hätten stattfinden können.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen begegnet somit die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. November 1985, Zl. 85/02/0053) keinem Einwand.
Von daher ist auch die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, die Behörde hätte den Beschwerdeführer einer näheren Befragung unterziehen müssen, so z.B. dazu, wie er zu seiner Großmutter nach Aberan oder immer wieder als Besucher zu seinen Eltern habe gelangen können, nicht zielführend, zumal die Beschwerde offen lässt, was der Beschwerdeführer bei einer derartigen ergänzenden Befragung konkret hätte darlegen wollen.
4. Ebenso geht die weitere Verfahrensrüge, wonach die belangte Behörde, hätte sie Zweifel an der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer "deponierten Sachverhaltsdarstellung" gehabt, "entsprechende Erhebungen" hätte pflegen müssen, ins Leere, unterlässt die Beschwerde es doch auch hier auszuführen, welche Beweise die belangte Behörde im Einzelnen noch hätte aufnehmen müssen, die zu einer für den Beschwerdeführer günstigen Beurteilung hätten führen können, sodass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan ist.
5. Da somit der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht hat, dass er in Armenien vom Wehrdienst desertiert sei und deswegen von staatlichen Organen verfolgt werde, geht auch der Beschwerdehinweis zur Art und Weise der Behandlung von Deserteuren in diesem Land ins Leere.
6. Die Auffassung der belangten Behörde, dass für die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG umschriebene Annahme keine stichhaltigen Gründe gegeben seien, begegnet daher keinem Einwand. Demzufolge war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Jänner 2000
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