VwGH 97/21/0804

VwGH97/21/08041.7.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der BT in Graz, geboren am 1. Juli 1964, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. Oktober 1997, Zl. Fr 432/1997, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 2. Oktober 1997 wurde auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, sie sei in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht; ihre Abschiebung in die Türkei sei somit zulässig.

Dies begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass die am 17. Dezember 1996 - mit einem gültigen Sichtvermerk über den Flughafen Wien-Schwechat - in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin am 2. Jänner 1997 einen Asylantrag gestellt habe. Zu ihren Fluchtgründen am 20. Jänner 1997 vom Bundesasylamt befragt habe sie angegeben, dass ihr namentlich genannter Schwager politisch tätig wäre und sie deshalb nach ihrer letzten Rückkehr in die Türkei Probleme gehabt hätte; sie wäre von der Polizei befragt worden, wobei man Auskünfte über den Schwager verlangt hätte; ein weiterer Fluchtgrund wäre, dass der Sohn ihres Schwagers, ihr Neffe, im kurdischen Parlament tätig gewesen wäre und während ihres letzten Aufenthaltes in Österreich festgenommen worden wäre; auch bezüglich ihres Neffen wäre sie ausgefragt worden. Die Beschwerdeführerin habe weiter angegeben, dass sie in der Türkei nicht in Haft gewesen und dass gegen sie auch kein Strafverfahren eingeleitet worden wäre; man hätte sie jedoch mehrmals einvernommen. Auf die Frage nach daraus entstandenen konkreten Nachteilen habe die Beschwerdeführerin erklärt, sie hätte ständig Angst gehabt, dass ihr ungeborenes Kind hätte Schaden erleiden können; die Befragungen wären außerdem lästig gewesen, sie hätte Angst gehabt, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Auf die Frage nach weiteren Asylgründen habe die Beschwerdeführerin schließlich angegeben, sie hätte ihr Baby in einem freien Land zur Welt bringen wollen.

Das Bundesasylamt habe den Asylantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen, einer dagegen erhobenen Berufung habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 19. Februar 1997 keine Folge gegeben.

In ihrem Antrag nach § 54 FrG habe die Beschwerdeführerin wiederum darauf hingewiesen, dass ihr Schwager von den türkischen Behörden wegen seiner politischen Tätigkeit gesucht würde; sie würde die Angaben aus dem Asylverfahren vollinhaltlich aufrecht erhalten. Würde sie in die Türkei zurückkehren müssen, würden die Polizeiverhöre von neuem beginnen.

Ihr Vorbringen zu den Befragungen betreffend ihren Schwager und ihren Neffen - so die belangte Behörde weiter - sei nicht geeignet, eine aktuelle Bedrohung der Beschwerdeführerin im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG in ihrem Heimatstaat darzutun; bloße Befragungen und Verhöre durch die Polizei seien im Sinn des § 37 FrG nicht relevant. Dass die Beschwerdeführerin aber während der Befragungen oder Verhöre misshandelt worden wäre, habe sie niemals behauptet.

Gegen eine maßgebliche Bedrohung spreche auch, dass die Beschwerdeführerin 1995 und 1996 mehrfach (von Österreich aus) in die Türkei eingereist sei; im Fall einer aktuellen Bedrohung bzw. Verfolgung seitens der staatlichen Behörden ihres Heimatstaates hätte sie dies mit Sicherheit unterlassen. Auch die Tatsache, dass die türkischen Behörden der Beschwerdeführerin ein Reisedokument ausgestellt haben, mache eine Bedrohung nicht wahrscheinlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift absah, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte für den Fall der Abweisung der Beschwerde Kostenzuspruch.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der im § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 97/21/0899).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin eine ihr drohende Gefährdung im Ergebnis lediglich daraus abgeleitet, dass sie nach ihrer letzten Rückkehr in die Türkei mehrmals bezüglich ihres politisch tätigen Schwagers und ihres während ihrer Abwesenheit verhafteten, gleichfalls politisch tätigen Neffen befragt worden sei. Müsste sie in die Türkei zurück, würden die Polizeiverhöre von neuem beginnen.

Die belangte Behörde sprach diesem Vorbringen die Relevanz ab, weil bloße Befragungen und Verhöre durch die Polizei keine Maßnahmen im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG darstellten. Diese Auffassung entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes; demnach kann nämlich in einer Befragung durch die Polizei, mag sie auch mehrfach erfolgen, weder eine unmenschliche Behandlung noch eine relevante Freiheitsbeschränkung im Sinn der genannten Gesetzesstellen erblickt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/0309).

Die gegenständliche Beschwerde bringt nichts vor, was zu einer anderen Beurteilung des Falles führen könnte. Sie enthält weitwendige Ausführungen über die Lage der Kurden in der Türkei, ohne dass daraus etwas bezüglich einer konkreten Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gerade der Beschwerdeführerin zu gewinnen wäre. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die allgemein schwierige Situation der kurdischen Bevölkerung in der Türkei ist nicht geeignet, die von der Rechtsprechung geforderte individuelle und konkrete Bedrohung des Antragstellers gemäß § 54 FrG zu ersetzen; die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 37 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 97/21/0839, m.w.N.).

Auch der Vorwurf, die belangte Behörde habe amtswegige Ermittlungen dahingehend unterlassen, welchen konkreten Sanktionen die Beschwerdeführerin im Fall der Abschiebung in ihr Heimatland ausgesetzt wäre, wie sich die derzeitigen Zustände in der Türkei darstellten und wie die Verhöre bzw. Befragungen der Beschwerdeführerin seitens der türkischen Behörden geführt worden seien, ist nicht zielführend. Im Verfahren nach § 54 FrG ist es nämlich im Hinblick auf die dem Fremden obliegende Glaubhaftmachung einer Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG dessen Aufgabe, von sich aus die insoweit relevanten Fakten mitzuteilen (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 97/21/0899). Im Übrigen zeigt die Beschwerde nicht näher auf, welches Ergebnis die von ihr für notwendig erachteten Ermittlungen erbracht hätten; insoweit verabsäumt sie es, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen. Aus eben diesem Grund kann auch den weiteren, zum Teil nicht näher substanziierten und vom Vertreter der Beschwerdeführerin offenbar standardmäßig erhobenen Verfahrensrügen kein Erfolg beschieden sein. Ein näheres Eingehen darauf erübrigt sich mithin. Soweit der belangten Behörde vorgeworfen wird, sie hätte Tatsachenfeststellungen treffen müssen, sei allerdings ergänzend angemerkt, dass eine derartige Verpflichtung nur dann bestanden hätte, wenn die Behauptungen der Beschwerdeführerin abstrakt geeignet gewesen wären, die von ihr begehrte Feststellung nach § 54 Abs. 1 FrG zu tragen; das war, wie oben dargestellt, jedoch nicht der Fall.

Soweit die Beschwerde schließlich ausführt, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, dass bereits eine "Asylstellung im Bundesgebiet" ausreiche, um die Beschwerdeführerin als Angehörige der kurdischen Minderheit in ihrem Heimatland einer unmenschlichen Behandlung im Sinn des § 37 FrG auszusetzen, ist ihr zu entgegnen, dass eine derartige - im Übrigen nicht näher konkretisierte - Behauptung im Verwaltungsverfahren nicht aufgestellt worden ist. Insoweit handelt es sich daher um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Auch unter diesem Gesichtspunkt kann die Beschwerde daher nicht zum Erfolg führen. Sie war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der begehrten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 1. Juli 1999

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