VwGH 97/21/0242

VwGH97/21/024226.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 5. März 1997, Zl. Fr 619/1994, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 5. März 1997 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz (FrG) festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Bosnien-Herzegowina gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach Darstellung des Verwaltungsganges sowie der maßgeblichen Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde in ihrem Bescheid aus, der Beschwerdeführer sei Moslem und stamme aus Banja Luka. Er sei im Jahre 1992 als "bosnischer Kriegsvertriebener" in das Bundesgebiet gekommen und habe gemäß § 12 Aufenthaltsgesetz eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erhalten. Die Bundespolizeidirektion Graz als Behörde erster Instanz habe festgestellt, daß der Beschwerdeführer am 10. Jänner 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Graz wegen des Verbrechens der Hehlerei (§ 164 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten (bedingt auf die Dauer von drei Jahren) rechtskräftig verurteilt worden sei. Am 16. Juni 1996 sei er wegen des Verdachtes der Förderung der gewerbsmäßigen Unzucht, der Zuhälterei, des Menschenhandels und der Bildung einer kriminellen Organisation verhaftet worden, weshalb ihm die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angedroht worden sei. Der Beschwerdeführer hat keinen Asylantrag gestellt. Den Antrag gemäß § 54 FrG habe er damit begründet, daß er nicht in seine Heimatstadt Banja Luka zurückkehren könne, weil diese Stadt unter serbischer Hoheit stehe und er Moslem sei. Nach ständiger hg. Judikatur habe der Fremde im Verfahren über einen Antrag nach § 54 FrG mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben, das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen. Dieser Verpflichtung sei der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen. Er sei jegliche logische Erklärung und Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb ihn in Bosnien der Tod erwarte bzw. ihm unmenschliche Behandlung drohe. Die Situation in Bosnien habe sich seit Unterzeichnung des Abkommens von Dayton am 10. November 1995 dahingehend geändert, daß derzeit in Bosnien-Herzegowina Frieden herrsche. Es sei zwar richtig, daß aufgrund des Friedensabkommens von Dayton Banja Luka an die "Serbische Republik" abgetreten werden mußte, und die Serben den Versuchen von Moslems Ende April 1996, ihre früheren, nun zur "Serbischen Republik" in Bosnien gehörenden Orte zu besuchen, mit der Errichtung von Straßensperren begegneten. Aus Sicherheitsgründen sehe sich somit die dort stationierte IFOR-Einheit gezwungen, bosnisch-moslemischen Flüchtlingen die Weiterreise in ihre Heimatorte zu verwehren. Dennoch bestünden laut Berichten des UNHCR mit Stand März 1996 für die bosnischen Gemeinden

"Besanski Petrovac, Glamoc, Gracanica, Kakanj, Kurbres und Prnjavor sowie weiters für die Gemeinden Bosanski Krupa, Donji Vakut, Gorazde, Kljuc, Lukarac, Magla, Modrica, Novi Grad, Ribnik und Vitet (für letztere auch laut Stand April 1996) für Privatpersonen, UNHCR und andere internationale Organisationen Bewegungsfreiheit in sämtlichen Stadtgemeinden. Bei der Rückkehr der zurückkehrenden Vertriebenen melden sich die meisten Eintreffenden bei den örtlichen Behörden, die bei Bedarf Unterstützung leisten und ist auch nach den vorliegenden UNHCR-Berichten die Sicherheitslage in den vorhin angeführten Gemeinden stabil und es sind in diesen Regionen nur Bagatelldelikte bekannt geworden, Gewaltverbrechen hingegen wurden laut UNHCR-Berichten keine bekannt bzw. gemeldet. Rassische bzw. religiöse Diskriminierungen von rückkehrenden Moslems gehen aus den UNHCR-Berichten nicht hervor, es wird im Gegenteil im Hinblick auf die religiösen Einrichtungen sogar angeführt, daß es zahlreiche Moscheen in den Gemeinden gibt, in welchen regelmäßig Gottesdienste stattfinden.

Zwar bestehen in einigen Gemeinden zwischen der kroatischen Gemeinschaft und dem Rest der Stadtgemeinde Spannungen, diese sind jedoch laut UNHCR-Berichten bisher nur auf der politischen Ebene zu Tage getreten und haben weder zu einer Gefährdung der Sicherheit noch zu einer Störung der öffentlichen Ordnung geführt. Die Arbeit von Polizei, Zivil- und Strafgerichten war während des Krieges ebenfalls nicht unterbrochen und funktioniert ebenfalls."

Mit der "bloß lapidaren Behauptung", daß er nicht in seine Heimatstadt Banja Luka zurückkehren könne, er Moslem sei und ihn deshalb zu Hause in Bosnien der Tod erwarte, habe der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, daß er in Bosnien-Herzegowina der Gefahr im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt sei, dartun können. auch müsse nach ständiger hg. Judikatur eine Bedrohung im vorerwähnten Sinne vom Staat ausgehen oder von diesem zumindest gebilligt werden (unter Verweis auf zitierte hg. Erkenntnisse), es sei denn, der Staat wäre nicht in der Lage, die Verfolgung einer bestimmten Gruppe durch andere zu verhindern. Überdies müsse sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Da der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft gemacht habe, daß er in Bosnien-Herzegowina im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet sei (allgemein gehaltene Hinweise auf Berichte verschiedener, wenn auch namhafter und kompetenter Organisationen reichten hiefür genauso wenig wie bloße Vermutungen) sei festzustellen gewesen, daß der Beschwerdeführer dort keiner Bedrohung im vorerwähnten Sinn ausgesetzt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde laste ihm die Erbringung eines "persönlichen Beweises" auf, daß er in Bosnien-Herzegowina als Moslem einer Verfolgung ausgesetzt sei, und ihm werde untersagt, sich dabei auf die Berichte verschiedener, wenn auch namhafter und kompetenter Organisationen beziehen zu dürfen; dies sei nicht nur lebensfremd, sondern "bereits einer unverständlichen Unmenschlichkeit gleichzusetzen".

Der Beschwerdeführer mißversteht die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde ist nicht davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe einen förmlichen Beweis darüber zu erbringen, daß er in Bosnien-Herzegowina einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG ausgesetzt sei, sondern sie hat im Sinne der ständigen hg. Judikatur - welche im bekämpften Bescheid zitiert wurde - dargelegt, daß der Fremde gemäß § 54 FrG die dort umschriebene Gefahr (nur) "glaubhaft" zu machen hat. Der Beschwerdeführer hat glaubhaft zu machen, daß er einer KONKRETEN Gefährdung im Falle seiner Abschiebung ausgesetzt wäre. Demgemäß hat die belangte Behörde zutreffend ausgesprochen, daß "ALLGEMEIN GEHALTENE HINWEISE" und (bloße) Verweisungen auf Berichte verschiedener, wenn auch namhafter und kompetenter Organisationen, nicht ausreichen, eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers darzutun. Die belangte Behörde hat aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß derartige Berichte (etwa von Amnesty International oder vom UNHCR) grundsätzlich nicht geeignet wären, Bescheinigungsmittel für KONKRETE BEHAUPTUNGEN einer individuellen Gefährdung des Beschwerdeführers im vorerwähnten Sinne darzustellen, zumal die belangte Behörde die im angefochtenen Bescheid enthaltenen konkreten Feststellungen über die aktuellen politischen Verhältnisse in Bosnien-Herzegowina selbst auf einen derartigen Bericht einer namhaften Organisation (UNHCR) gestützt hat.

Soweit die Beschwerde mit Bezug auf diese Feststellungen vorbringt, die belangte Behörde habe die Berichte des UNHCR "teilweise unrichtig zitiert", diese Berichte seien "bereits durch Vorfälle Ende 1996 und Anfang 1997 überholt", ist darauf deshalb nicht weiter einzugehen, weil in der Beschwerde nicht dargestellt wird, welche Feststellungen unrichtig sowie aufgrund welcher Vorfälle diese "überholt" seien. Diesem Vorbringen in der Beschwerde fehlt somit die Relevanz. Der in der Beschwerde enthaltene allgemeine Verweis auf "die allgemein bekannten und einschlägigen Berichte von Amnesty International 1995 und 1996" wird gerade dem vorerwähntem Erfordernis der Dartuung konkreter Anhaltspunkte für eine individuelle, nachvollziehbare Bedrohungssituation nicht gerecht.

In der vorliegenden Beschwerde begründet der Beschwerdeführer seine Gefährdung im Sinne des § 37 leg. cit. damit, daß sich die Situation "im damaligen und auch heutigen Kriegsgebiet um Banja Luka aufgrund der starken Einflüsse der serbischen Volksgruppe um vieles verschlechtert" habe und daran auch das Abkommen von Dayton nichts geändert habe. Im Falle seiner Abschiebung nach Banja Luka hätte dies zur Konsequenz, daß er seine gesamte Familie mitnehmen müßte, weshalb auch seine Kinder der Gefahr der Verfolgung, der Verletzung und der Tötung ausgesetzt wären. Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß die Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht besagt, daß er in das Gebiet um Banja Luka abgeschoben (werden) wird. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die stichhaltigen Gründe im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 leg. cit. auf das gesamte Gebiet des genannten Staates beziehen müssen, um eine Bedrohung im vorerwähnten Sinn in dem vom Antrag erfaßten Staat glaubhaft machen zu können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 95/18/1127, mwN). Ausgehend von den insoweit jedenfalls unwidersprochenen Feststellungen, daß in Bosnien-Herzegowina außerhalb des Raumes um Banja Luka, somit außerhalb der sogenannten "Serbischen Republik", weite (moslemisch verwaltete) Gebietsteile bestehen, wo der Beschwerdeführer keine ethnisch-motivierte Verfolgung befürchten müsse, erweisen sich somit die Beschwerdebehauptungen im Lichte der vorhergehenden Rechtsausführungen als unbegründet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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