Normen
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §26;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §26;
EMRK Art8 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem Bescheid der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 2. August 1993 war gegen den Beschwerdeführer, einen liberianischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 i. V.m. § 18 Abs. 2 Z. 7 und § 21 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis zum 2. August 2003 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Diese Entscheidung war damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer unter dem falschen Namen J und mit einem gefälschten britischen Reisepass über Ungarn nach Österreich eingereist und am 25. Februar 1993 wegen Verdachtes der Urkundenfälschung festgenommen worden sei. Er sei in der Folge am 29. April 1993 vom Landesgericht Klagenfurt wegen des Vergehens nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer auf drei Jahre bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Am 30. April 1993 habe er angegeben, nicht britischer Staatsbürger, sondern Staatsbürger von Jamaika zu sein, seine Geburtsdaten und sein Name wären jedoch zutreffend. Bei einer neuerlichen Einvernahme am 4. Mai 1993 habe er jedoch angegeben, weder britischer noch jamaikanischer Staatsbürger, sondern Staatsbürger von Liberia zu sein und B zu heißen. Er wäre von Liberia über die Elfenbeinküste nach Mali und von dort nach Senegal und Libyen gereist, wo er von der ungarischen Botschaft einen Sichtvermerk erhalten hätte. Im Jänner 1993 wäre er mit dem Flugzeug nach Budapest gereist, wo er sich einen gefälschten Reisepass gekauft und einen anderen Namen angenommen hätte. Auf der Durchreise von Ungarn nach Italien wäre er in Österreich festgenommen worden.
Der Beschwerdeführer habe in Österreich - so der Aufenthaltsverbots-Bescheid weiter - keinen ordentlichen Wohnsitz, gehe keiner geregelten Beschäftigung nach, sei völlig mittellos und könne daher die für seinen weiteren Aufenthalt in Österreich erforderlichen "Subsistenzmittel" nicht nachweisen. Er sei "nicht nur eine Gefahr der öffentlichen Fürsorge, sondern auch eine des wirtschaftlichen Wohles des Landes und der öffentlichen Arbeitsmarktverwaltung". Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde daher die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und auch anderer öffentlicher Interessen.
Mit Antrag vom 14. November 1995 begehrte der Beschwerdeführer die Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes und begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass zwar die im Aufenthaltsverbots-Bescheid angeführte Verurteilung gegen ihn ergangen sei. Auch wenn er am 30. April 1993 im Zuge seiner fremdenpolizeilichen Befragung angegeben habe, dass er jamaikanischer Staatsbürger sei, und dies im Zuge seiner fremdenpolizeilichen Befragung am 4. Mai 1993 dahingehend richtig gestellt habe, dass er seine richtige Identität sowie seine richtige Staatsbürgerschaft angegeben habe, sei kein Grund anzunehmen, dass er nunmehr eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Er sei seit 20. Oktober 1993 im Bundesgebiet als Kolporteur beschäftigt und beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von S 8.150,--. Er sei an einer Adresse in Graz gemeldet und leiste monatlich an Mietzahlungen einen Betrag von S 2.500,--. Seit dem April 1993 sei er weder strafrechtlich noch verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung getreten. Er sei mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gewillt, sich den Rechtsvorschriften im Bundesgebiet zu unterwerfen, mittlerweile im Bundesgebiet integriert und verfüge über gesicherte Mittel zu seinem Unterhalt.
Auch in einer Äußerung an die Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 19. März 1996 führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit dem 20. Oktober 1993 im Bundesgebiet bei näher angeführten Unternehmen als Kolporteur beschäftigt sei und über ein monatliches Nettoeinkommen von S 8.150,-- verfüge. Bis zum heutigen Tage sei es ihm nicht gelungen, aus seinem Heimatstaat ein Reisedokument zu erhalten. Selbst von der liberianischen Vertretungsbehörde in Bonn bzw. in Zürich sowie von der liberianischen Botschaft in Paris sei ihm bislang kein Reisedokument ausgestellt worden. In seinem Heimatland herrschten kriegerische Auseinandersetzungen und es könne ihm die Tatsache, dass ihm von der liberianischen Vertretungsbehörde bislang noch kein Reisedokument ausgestellt worden sei, nicht zum Nachteil gereichen. Seine nunmehr angegebene Identität treffe zu.
Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1996 wiederholte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen und führte aus, es sei ihm zugute zu halten, dass er seinen Lebensunterhalt durch Bestreitung einer erlaubten Tätigkeit sichern könne. Dagegen, dass seine Identität nicht feststehe, sei vorzubringen, dass alle Bescheide, die bislang erlassen worden seien, definitiv auf seinen Namen "B" ausgestellt worden seien und keinerlei Zusatz auf allfällige Aliasnamen enthielten. Die im Strafurteil festgelegte Probezeit sei bereits abgelaufen. Das Aufenthaltsverbot hindere ihn daran, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten. Würde es nicht bestehen, könnte er einen Antrag auf bescheidmäßige Erledigung vom Inland aus stellen, da ihm eine Antragstellung aus dem Ausland wegen Unmöglichkeit der Erlangung eines Reisedokumentes nicht möglich sei. Die Behörden hätten ihm mit Sicherheit keinen Abschiebungsaufschub gewährt, wenn er die Möglichkeit hätte, von einer liberianischen Vertretungsbehörde ein entsprechendes Reisedokument zu erhalten.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Februar 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 26 FrG abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes vom 2. August 1993 geführt hätten, nämlich die Verurteilung nach § 223 Abs. 2 StGB wegen Urkundenfälschung, die Tatsache, dass der Beschwerdeführer der Pass- und Sichtvermerkspflicht nicht genüge und dass er sich demnach seit seiner Einreise nach Österreich am 25. Februar 1993 mit einem gefälschten Reisepass hier unrechtmäßig aufhalte, nach wie vor bestünden.
Dass dem Beschwerdeführer aus dem Grund der tatsächlichen Unmöglichkeit, ihn in sein Heimatland abzuschieben, mehrere Abschiebungsaufschübe gewährt worden seien und dass er während dieses geduldeten und nicht etwa rechtmäßigen Aufenthaltes auch einer Beschäftigung als Zeitungskolporteur nachgehe und insoferne nicht mehr mittellos sei, vermöge nichts daran zu ändern, dass er seinerzeit illegal mit einem gefälschten Reisedokument unter Verschleierung seiner wahren Identität nach Österreich gelangt sei, damals und bis zum heutigen Tage seine Identität nicht eindeutig geklärt habe werden können und dass er keine nachgewiesenen initiativen Schritte zur Beschaffung eines Reisedokumentes unternommen habe. Das kumulative Zusammentreffen mehrerer Negativa erlaube nach Ansicht der belangten Behörde nach wie vor die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung, die in der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens bestehe, gefährde. Die §§ 19 und 20 FrG kämen im Fall des Beschwerdeführers nicht zum Tragen, weil er sich in Österreich bisher nicht erlaubt aufgehalten habe und demnach im rechtlichen Sinne keine Integrationssituation geschaffen haben könne. Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer Abschiebungsaufschübe erteilt worden seien, falle dabei nicht ins Gewicht, da es sich hiebei nur um einen geduldeten, nicht aber rechtmäßigen Aufenthalt handle.
Die belangte Behörde könne aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass es ihm bisher nicht möglich gewesen sei, einen Reisepass zu erlangen, keine für ihn günstigen Momente ableiten. Wolle die belangte Behörde der Argumentation des Beschwerdeführers folgen, dass es ihm infolge Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes verwehrt sei, zu einer Aufenthaltsbewilligung zu gelangen, so würde dies letztlich bedeuten, dass illegal nach Österreich gelangten und hier illegal aufhältigen Fremden die Möglichkeit zur Legalisierung ihres Aufenthaltes eröffnet wäre. Dies könne aber gewiss nicht im Geiste des Fremdengesetzes gelegen sein. Abgesehen davon könne der Aufenthalt des Beschwerdeführers selbst im Fall der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Inland nicht saniert werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 26 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Behörde nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegen den Fremden weiter getroffen werden kann und ob allenfalls ein relevanter Eingriff im Sinn des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits gemäß § 20 FrG maßgebend sind, zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Nicht nur wesentliche Änderungen des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes, sondern auch wesentliche Änderungen der insoweit maßgeblichen Rechtslage haben zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG zu führen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. November 1998, Zl. 98/21/0342, und vom 23. März 1999, Zl. 95/21/0374, m.w.N.).
Voraussetzung für die Erlassung - und damit auch für die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag auf dessen Aufhebung - ist die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, dass der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet. Um diese Gefährlichkeitsprognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Hiebei kommt nicht nur dem von ihm gesetzten Fehlverhalten entscheidende Bedeutung zu, sondern auch der Dauer seines Wohlverhaltens seit der Verwirklichung einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG. Je länger die Verwirklichung dieser bestimmten Tatsachen zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitpunkt zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 95/21/0166, m.w.N.).
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde verkannt habe, dass er bestrebt sei, in Österreich "ein integratives Leben" zu führen, und dass er einer geregelten Beschäftigung nachgehe, ohne auf die finanzielle Unterstützung Anderer angewiesen zu sein. Er sei nicht in der Lage, sich ein Reisedokument seines Heimatstaates, in dem noch immer Kriegswirren herrschten, zu beschaffen. Gerade aus diesem Grund seien ihm auch Abschiebungsaufschübe gewährt worden. Es müsse das Recht einer jeden Person sein, die keine Möglichkeit habe, das Bundesgebiet zu verlassen, einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet zu nehmen.
Der Beschwerdeführer zeigt im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Das Aufenthaltsverbot vom 2. August 1993 war auch wegen dessen Mittellosigkeit (§ 18 Abs. 2 Z. 7 FrG) erlassen worden. Dieser Tatbestand liegt nach der Auffassung der belangten Behörde nicht mehr vor. Soweit die belangte Behörde aus dem der Verurteilung des Beschwerdeführers vom 29. April 1993 zu Grunde liegenden Fehlverhalten des Gebrauchs einer verfälschten Urkunde im Sinne des § 223 Abs. 2 StGB eine Grundlage für das Bestehen einer fortgesetzten Gefährlichkeitsprognose als gegeben erachtet, ist aus dem angefochtenen Bescheid keine Prognose zu ersehen, der Beschwerdeführer werde sich auch in Zukunft gefälschter Dokumente bedienen oder ein ähnliches Fehlverhalten setzen.
Auch damit, dass - wie die belangte Behörde ausführt - die Identität des Beschwerdeführers nicht habe eindeutig geklärt werden können, und dass er keine nachgewiesenen initiativen Schritte zur Beschaffung eines Reisedokumentes unternommen habe, hat die belangte Behörde nicht überzeugend aufgezeigt, inwiefern dadurch eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG bestünde. Die belangte Behörde stellt nicht fest, dass der Beschwerdeführer österreichische Behörden über seine wahre Identität oder seine Herkunft in die Irre führte. Aus dem Umstand allein, dass ein Fremder über einen Identitätsnachweis nicht verfügt, ist jedoch für sich allein nicht auf das Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG zu schließen.
Die belangte Behörde hat auch mit ihrer Auffassung, dass im Fall des Beschwerdeführers, der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides etwa vier Jahre in Österreich gelebt und hier als Kolporteur gearbeitet hatte, die §§ 19 und 20 FrG deswegen nicht zum Tragen kämen, weil sich der Beschwerdeführer in Österreich bisher nicht erlaubt aufgehalten habe und demnach keine Integrationssituation schaffen habe können, nicht Recht. Zum einen waren dem Beschwerdeführer nämlich - wie den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens zu entnehmen ist - ab dem 11. September 1994 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides fast durchgehend gültige Abschiebungsaufschübe gemäß § 36 Abs. 2 FrG erteilt worden, sein Aufenthalt war in dieser Zeit daher jedenfalls insoferne geduldet bzw. erlaubt, als für ihn keine Ausreiseverpflichtung bestand (vgl. § 82 Abs. 2 FrG und dazu, dass der darin normierte Rechtfertigungsgrund auch hinsichtlich des Tatbestandes des § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG gilt, das hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 95/21/1162), zum anderen hat die belangte Behörde verkannt, dass auch während eines rechtswidrigen Aufenthaltes entstandene private oder familiäre Beziehungen im Sinne des § 19 FrG zu berücksichtigen sind (vgl. zu § 37 Fremdengesetz 1997 die hg. Erkenntnisse vom 8. November 2000, Zl. 96/21/1060, und vom 14. September 2000, Zl. 99/21/0228).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 13. Dezember 2001
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
