Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §34 Abs4;
AVG §35;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §34 Abs4;
AVG §35;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer brachte am 23. November 1995 im Namen von zwei von ihm vertretenen türkischen Staatsangehörigen den Antrag ein, die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf möge feststellen, dass seine Mandanten in der Türkei aus Gründen des § 37 Abs. 1 und 2 FrG bedroht seien, sohin die Abschiebung in dieses Land unzulässig sei. "Zur Begründung dieses Antrages teile ich mit, dass beide Herren türkische Staatsbürger, kurdischer Abstammung sind. Weiters beantrage ich die neuerliche Einvernahme meiner Mandanten als Partei und behalte mir weitere Ausführungen ausdrücklich vor."
Bei ihrer Vernehmung am 24. November 1995 gaben die von ihm vertretenen türkischen Staatsangehörigen im Wesentlichen zu Protokoll, sie möchten so schnell wie möglich in die Türkei zurück und verstünden nicht, wie es zu der genannten Antragstellung gekommen sei; die Anträge würden ausdrücklich zurückgezogen.
Anlässlich der Übersendung der Vollmachten gab der Beschwerdeführer bekannt, die Feststellungsanträge (namens seiner Mandanten) zurückzuziehen.
Mit Bescheid vom 3. Jänner 1996 verhängte die Behörde erster Instanz über den Beschwerdeführer gemäß § 35 AVG eine Mutwillensstrafe von S 800,--. Sie erachtete es als erwiesen, dass beide Fremde keine Absicht gehabt hätten, Anträge auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung zu stellen; der Beschwerdeführer habe in Verschleppungsabsicht unrichtige Angaben gemacht. Ihm habe klar sein müssen, dass ein Fremder bis zur rechtskräftigen Entscheidung über einen Antrag nach § 54 Abs. 1 FrG nicht abgeschoben werden dürfe. Somit könne eine geplante Abschiebung mittels einer Antragstellung gemäß § 54 FrG verschleppt werden, auch wenn der Antrag inhaltlich völlig unbegründet sei.
In seiner Berufung gegen den genannten Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei von Verwandten der beiden türkischen Staatsangehörigen angesprochen worden, alles rechtlich Mögliche zu unternehmen, um deren Abschiebung in die Türkei zu verhindern. Diese Verwandten hätten erklärt, mit den türkischen Schubhäftlingen gesprochen zu haben, und es entspreche deren Willen, die Abschiebung zu verhindern. Ein persönlicher Besuch bei diesen Schubhäftlingen sei dem Beschwerdeführer entbehrlich erschienen.
Mit Bescheid vom 28. März 1996 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers ab und schloss sich der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides an. Sie gehe ebenfalls davon aus, dass dem Beschwerdeführer klar gewesen sein müsse, dass durch die gegenständliche, mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht in Einklang stehende Antragstellung eine Abschiebung bis auf Weiteres hätte verhindert werden können. Mangels Befragung der von ihm Vertretenen habe der Beschwerdeführer nicht davon ausgehen können, dass seine Behauptungen im Antrag auf Wahrheit beruhten. Er behaupte auch nicht, die Auskunft über die kurdische Abstammung seiner Mandanten von "den Verwandten" erhalten zu haben.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 23. September 1996, B 1711/96-3, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 13. Dezember 1996, B 1711/96-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt die Aufhebung des Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 35 AVG kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe verhängen. Diese Bestimmung findet auch auf berufsmäßige Parteienvertreter Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1997, Zl. 95/19/1706, mwN.). Strafbarer Mutwille bei Antragstellung hat das Bewusstsein von der Grundlosigkeit dieses Antrags zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Antrag daher dann gestellt, wenn sich der Antragsteller wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende Tatbestand keinen Grund für den Antrag gibt (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 95/19/1706, das zwar die Einbringung eines Rechtsmittels zum Inhalt hatte, dessen Grundsätze aber auch auf eine Antragstellung wie die vorliegende übertragen werden können). Die Verhängung einer Mutwillensstrafe über einen Vertreter einer Partei ist nur dann zulässig, wenn der Vertreter den Antrag ohne Ermächtigung durch einen den konkreten Fall betreffenden Auftrag in offenbar mutwilliger Gebrauchnahme seiner allgemein gehaltenen Ermächtigung eingebracht hat (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis Zl. 95/19/1706).
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung zu Grunde und ging sachverhaltsmäßig somit davon aus, dass der Beschwerdeführer von Verwandten seiner Mandanten ersucht worden sei, alles rechtlich Mögliche zu unternehmen, um eine Abschiebung der beiden Personen, die politische und soziale Probleme in der Türkei befürchteten, zu verhindern. Wird ein türkischer Staatsangehöriger
- behauptetermaßen - in seiner Heimat aus politischen Gründen verfolgt, liegt durchaus die Annahme nahe, dass es sich dabei um eine Person kurdischer Abstammung handle. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass sich der Beschwerdeführer im Sinn der genannten Rechtsprechung wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand gestützt habe. Umstände, die ihn hätten veranlassen müssen, an der Richtigkeit der Angaben der Verwandten seiner Mandanten zu zweifeln, werden von der Behörde nicht aufgezeigt. Unter diesen Voraussetzungen kann weder von einer offenbar mutwilligen Antragstellung noch von einer bewusst unrichtigen Begründung des Antrages in Verschleppungsabsicht die Rede sein.
Indem die belangte Behörde gestützt auf § 35 AVG über den Beschwerdeführer eine Mutwillensstrafe verhängte, belastete sie somit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Schriftsatzaufwand war aus folgenden Erwägungen nicht zuzusprechen: Gemäß dem mit 1. September 1997 in Kraft getretenen zweiten Satz des § 49 Abs. 1 VwGG (s. § 73 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997) gebührt Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand nur dann, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung ist die Zuerkennung von Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand sohin ausgeschlossen, wenn kein Rechtsanwalt als "Vertreter" einschreitet. Damit kommt die Zuerkennung von Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand dann nicht in Betracht, wenn ein Rechtsanwalt - wie im vorliegenden Beschwerdefall - in eigener Sache einschreitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1997, Zl. 97/02/0214).
Wien, am 8. November 2000
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