Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §63 Abs5;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §17;
ZustG §6;
ZustG §8;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §63 Abs5;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §17;
ZustG §6;
ZustG §8;
ZustG §9 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 24. Mai 1995 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) im Wege der österreichischen Botschaft in Preßburg die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, wobei als Aufenthaltszweck Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrem türkischen Ehegatten angegeben wurde. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 8. Juni 1995 "mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" gemäß § 6 Abs. 2 AufG ab. Nach den Angaben des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines fand am 20. Juni 1995 ein Zustellversuch statt, wobei eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt wurde. In weiterer Folge wurde das RSb-Schreiben beim Postamt 1032 Wien hinterlegt, wobei als der Beginn der Abholfrist der 20. Juni 1995 angegeben wurde.
Am 22. Juni 1995 langte bei der erstinstanzlichen Behörde eine Vertretungsanzeige eines der der nunmehrigen Vertreter der Beschwerdeführerin ein, in der ersucht wurde, das Vertretungsverhältnis zur Kenntnis zu nehmen und den Rechtsvertreter von allen Ladungen und Verfügungen, die in gegenständlicher Verwaltungssache ergehen sollten, zu verständigen. In weiterer Folge wurde der erstinstanzliche Bescheid den ausgewiesenen Vertretern sowohl am 5. Juli 1995 als auch am 27. Juli 1995 zugestellt.
Die am 14. Juli 1995 zur Post gegebene anwaltlich gefertigte Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Juni 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 20. Juni 1995 durch Hinterlegung erfolgt, die Berufung erst am 14. Juli 1995 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Spruch gründe sich vor allem auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin - im Zuge einer Aufforderung zur Stellungnahme, weshalb im Berufungsschreiben angeführt worden sei "binnen offener Frist" - angegeben habe, das bekämpfte Schriftstück (der erstinstanzliche Bescheid vom 8. Juni 1995) sei trotz des Bevollmächtigungsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Rechtsvertreter zuerst an die Partei zustellt worden und erst per Datum 5. Juli 1995 in die Einflusssphäre ihres Rechtsanwaltes gelangt; von diesem Tag an gerechnet gelte bei einer 14tägigen Frist eben der 19. Juli 1995 als fristgerecht.
Dazu stelle die belangte Behörde Folgendes fest:
Laut Aktenlage habe die Beschwerdeführerin der Erstbehörde mit Schreiben vom 20. Juni 1995 (Poststempel) das gegenständliche Vertretungs- bzw. Vollmachtsverhältnis mitgeteilt (eingegangen bei der erstinstanzlichen Behörde am 22. Juni 1995). Der gegenständliche Bescheid sei per Datum 8. Juni 1995 geschrieben und am 14. Juni 1995 mittels Formular 4 zu § 22 des Zustellgesetzes am 20. Juni 1995 (nach erfolglosem Zustellversuch) am Postamt 1032 durch Hinterlegung zustellt worden.
Nach Wiedergabe der nach Ansicht der belangten Behörde maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8 und 9 des Zustellgesetzes führte diese weiters aus, dass sie keinen Fehler in der formalen Vorgehensweise der Erstbehörde erkennen könne, da die Änderung der Abgabestelle zu einem Zeitpunkt (der Erstbehörde) bekannt gegeben worden sei, als diese schon eine Woche zuvor den gegenständlichen Bescheid an die Abgabestelle der Partei verschickt habe.
Für die belangte Behörde sei klar dokumentiert, dass die Hinterlegung des Bescheides per Datum 20. Juni 1995 erfolgt und das Schreiben des Rechtsanwaltes im Bezug auf die Änderung der Abgabestelle bei der erstinstanzlichen Behörde am 22. Juni 1995 eingetroffen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 30. September 1996, B 2574/96, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die §§ 63 Abs. 5 und 66 Abs. 4 AVG lauteten (auszugsweise):
"§ 63.
...
(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. ...
...
§ 66.
...
(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ..."
Die belangte Behörde stützt ihren angefochtenen Bescheid auf den Umstand, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz an die Beschwerdeführerin am 20. Juni 1995 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt worden ist.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit dem Rechtsmittel angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, insbesondere ob die auf dem Rückschein vermerkten Daten den Tatsachen entsprechen. Die Behörde hat die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist dem Rechtsmittelwerber zur Stellungnahme vorzuhalten. Unterlässt sie dies, trägt sie das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2 (1998), 1995, E 61 zu § 17 des Zustellgesetzes angegebene hg. Rechtsprechung).
Einen derartigen Vorhalt hat die belangte Behörde aufgrund des Hinweises der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung, diese werde "binnen offener Frist" erhoben, gemacht und die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die am 20. Juni 1995 durch Hinterlegung erfolgte Zustellung und der am 14. Juli 1995 erfolgte Postaufgabe der Berufung um "Aufklärung der offensichtlichen Diskrepanz" ersucht.
Die Beschwerdeführerin teilte hierauf mit, dass der erstinstanzliche Bescheid ihrem ausgewiesenen Rechtsvertreter nachweislich per 5. Juli 1995 zugestellt worden sei, sodass die am 14. Juli 1995 abgefertigte Berufung jedenfalls innerhalb der offenen 14tätigen Berufungsfrist erfolgt sei. Eine allenfalls trotz ausgewiesenen Bevollmächtigungsverhältnisses durchgeführte Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides habe aufgrund dieses Bevollmächtigungsverhältnisses keine Rechtswirkungen entfalten können. Die "angebliche Hinterlegung" stelle somit einen Nichtakt dar.
Die Beschwerdeführerin bestreitet auch in der Beschwerde nicht, dass der erstinstanzliche Bescheid am 20. Juni 1995 beim zuständigen Postamt hinterlegt und als Beginn der Abholfrist der 20. Juni 1995 angegeben wurde. Damit galt aber diese Sendung gemäß § 17 Abs. 3 zweiter Satz Zustellgesetz mit diesem Tag als zugestellt, zumal die Beschwerdeführerin auch nicht das Vorliegen eines Zustellmangels geltend gemacht hat.
Auch der - im Übrigen erstmals in der Beschwerde, und damit als unzulässige Neuerung (§ 41 VwGG) - geltend gemachte Umstand, dass die Beschwerdeführerin mangels Reisepasses nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Bescheid zu beheben, könnte darin nichts ändern: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die (allfällige) Verweigerung der Ausfolgung der hinterlegten Sendung nämlich keinen Einfluss auf die bereits vorher eingetretene Rechtswirksamkeit der Zustellung. Die Rechtswirksamkeit der Zustellung ist nach dieser Judikatur nicht davon abhängig, ob und wann eine gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz rechtswirksam hinterlegte Sendung vom Empfänger behoben wird und ob hiebei Hindernisse auftreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0950). Es ist daher von der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung an die Beschwerdeführerin am 20. Juni 1995 auszugehen, was aber bedeutet, dass die zweiwöchige Berufungsfrist des § 63 Abs. 5 AVG durch die erst am 14. Juli 1995 zur Post gegebene Berufung versäumt wurde.
Dass der erstinstanzliche Bescheid in weiterer Folge noch zweimal an den unstrittig erst mit 22. Juni 1995 ausgewiesenen Vertreter erfolgte, ist unbeachtlich. Die erste (gültige) Zustellung ist maßgeblich; einer neuerlichen Zustellung an den nunmehr ausgewiesenen Vertreter kommt keine rechtliche Bedeutung mehr zu (§ 6 Zustellgesetz). Die danach an die erste gültige Zustellung geknüpfte Rechtsfolge wird selbst dann nicht aufgehoben, wenn die erstinstanzliche Behörde die erste Zustellung als ungültig erachtet haben sollte. Der Beschwerdeführerin ist daher im Ergebnis beizupflichten, wenn sie die zweimalige Zustellung des Bescheides an ihre ausgewiesenen Rechtsvertreter als "wohl in jeder Hinsicht entbehrlich" erachtete. Die Beschwerdeführerin ist auch insofern im Recht, als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid rechtlich verfehlt in der Vollmachtsbekanntgabe des Rechtsanwaltes eine Änderung der Abgabestelle im Sinne des § 8 des Zustellgesetzes erblickte. Nach dem Vorgesagten kommt dieser unzutreffenden Ansicht jedoch keine Bedeutung zu.
Die Beschwerde bringt weiters vor, der erstinstanzlichen Behörde sei schon aus einem "früheren" Verfahren bekannt gewesen, dass ihr Rechtsvertreter "ihre Angelegenheit betreffend Erlangung der Aufenthaltsbewilligung" betreibe. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine (auch die Zustellung von Schriftstücken umfassende) Bevollmächtigung sich nur auf das jeweilige Verfahren bezieht, in dem sich der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen oder auf die ihm erteilte Vollmacht berufen hat. Die Erteilung einer "Generalvollmacht" für alle (anhängigen oder künftig anfallenden) Verfahren ist mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig. Es muss vielmehr in jedem Einzelfall auf das in einem anderen Verfahren bestehende Vertretungsverhältnis gesondert hingewiesen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/03/0121). Dies hat der einschreitende Rechtsvertreter - wie sich aus seiner obzitierten, am 22. Juni 1995 eingelangten Vertretungsanzeige ergibt - ohnedies auch selbst erkannt. Der verfahrensgegenständliche Antrag vom 24. Mai 1995 wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin persönlich eingebracht.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. September 1999
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