VwGH 97/19/0088

VwGH97/19/008814.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des 1995 geborenen R T, vertreten durch den Vater M T in Wien, dieser vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Juli 1995, Zl. 300.431/7-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
SHV Richtsätze Wr 1973 §1 Abs1 idF 1994/068;
AufG 1992 §5 Abs1;
SHV Richtsätze Wr 1973 §1 Abs1 idF 1994/068;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 13. April 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Beigelegt war dem Antrag eine Bestätigung eines Wiener Unternehmens vom 10. April 1995, der zufolge der Vater des Beschwerdeführers bei diesem Unternehmen seit 1991 beschäftigt sei und wöchentlich durchschnittlich netto S 2.045,-- verdiene.

Mit Bescheid vom 26. April 1995 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß §§ 1 Abs. 1, 6 Abs. 1 und 4 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. In der Begründung wurde ausgeführt, die unterhaltspflichtige Mutter des Beschwerdeführers verfüge über keine Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, sein Vater habe aufgrund des Einkommens von dessen Mutter ausreichende Mittel, um in Österreich zu verbleiben.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 12. Juli 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe im Verfahren keinen gesicherten Unterhalt nachweisen können. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weiteren Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden. Diese Beurteilung zeige im Fall des Beschwerdeführers, dass einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 13.316,-- (inklusive Miete) gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien tatsächlich ein Familieneinkommen von ca. S 8.180,--, das vom Vater des Beschwerdeführers aufgebracht werden könne, gegenüberstünde. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Die in der Berufung angegebenen Behauptung, der Vater des Beschwerdeführers hätte ausreichende Mittel durch das Einkommen seiner Mutter, könne von der Behörde nicht berücksichtigt werden, zumal weder eine von dieser unterzeichnete Verpflichtungserklärung noch eine Lohnbestätigung vorgelegt worden sei. Des Weiteren gehe aus den vorgelegten Unterlagen nicht hervor, ob und für wieviele Personen die Mutter des Vaters des Beschwerdeführers unterhaltspflichtig sei, weshalb nicht beurteilt werden könne, ob dieses Einkommen ausreichend sei. Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde festgestellt, dass unter Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 9. Oktober 1996, B 2952/95-7, abgelehnt und mit Beschluss vom 27. Dezember 1996, B 2952/95-11, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 11. August 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 lautete (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, ..., wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsüblic

he

Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 1 Abs. 1 der aufgrund des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 idF der Novelle LGBl. Nr. 50/1993, erlassenen Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973 idF der Verordnung LGBl. Nr. 68/1994, lautete:

"§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

1. für den Alleinunterstützten ............. 4.770 S

2. für den Hauptunterstützten ............. 4.652 S

3. für den Mitunterstützten

a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe ...... 2.388 S

b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe ....... 1.431 S."

Weder nach seinem Vorbringen noch nach der Aktenlage verfügte der Beschwerdeführer jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete seinen Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliegt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung zur initiativen Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse darf die Behörde auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den von Fremden in seinem Bewilligungsantrag und im folgenden Verwaltungsverfahren von sich aus bekannt gegebenen Unterhaltsmitteln ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561 mwN).

Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat sich die belangte Behörde bei ihrer Feststellung eines Unterhaltsbedarfes des Beschwerdeführers von S 13.316,-- am Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien orientiert und dabei erkennbar die in § 1 Abs. 1 der Wiener Sozialhilfeverordnung festgelegten Richtsätze - im vorliegenden Fall für einen Hauptunterstützten sowie drei Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe - herangezogen. Eine derartige Vorgangsweise ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Blickwinkel der Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden. Die Feststellung des Unterhaltsbedarfes wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten.

Auch der Feststellung der belangten Behörde, er verfüge an Unterhaltsmittel nur die von seinem Vater monatlich aufgebrachten S 8.180--, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten, ebensowenig die Ausführungen der belangten Behörde, er habe im Berufungsverfahren weder eine Verpflichtungserklärung noch eine Lohnbestätigung der Mutter seines Vaters vorgelegt.

Dem von ihr festgestellten Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde allerdings sämtliche Unterhaltsmittel gegenüberzustellen gehabt, über die der Beschwerdeführer (bzw. sein Vater) verfügt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen nämlich auch Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der einem Niederlassungswerber zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel zu berücksichtigende Ansprüche dar (vgl. neuerlich in diesem Sinn das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997), und zwar auch dann, wenn die Behörde die Sozialhilferichtsätze für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe heranzieht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind auch Sonderzahlungen zur Deckungen des laufenden Lebensunterhalts verfügbare eigene Mittel (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zlen. 97/19/0709, 0710).

Weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Anhaltspunkte dafür, dass die belangte Behörde, hätte sie Feststellungen zum Bestehen eines Anspruches auf Familienbeihilfe sowie allfällige Feststellungen zum Bezug von Sonderzahlungen getroffen, zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Im Zeitpunkt ihrer Entscheidung hätte sie nämlich gemäß § 8 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 nur zum Ergebnis kommen können, dass dem Vater des Beschwerdeführers Familienbeihilfe für zwei Kinder unter zehn Jahren, insgesamt daher in Höhe von S 2.600,--, gebühren würde. Da ausgehend von einem monatlichen Einkommen von S 8.180,-- auch unter Einbeziehung von Sonderzahlungen, bezogen auf ein Monat, nur ein Einkommen knapp über S 9.500,-- zur Verfügung stünde und sich zuzüglich von S 2.600,-- an Familienbeihilfe ein Betrag von knapp über S 12.150,-- ergäbe, stünden dem Beschwerdeführer (bzw. seinem Vater) auch bei Einbeziehung der genannten zusätzlichen Mittel nur Unterhaltsmittel in Höhe von insgesamt über S 12.150,-- zur Verfügung. Angesichts des unbestrittenen Unterhaltsbedarfes von S 13.316,-- läge der sich letztlich ergebende Gesamtbetrag der zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel mehr als S 1.000,-- unter dem von der Behörde festgestellten Unterhaltsbedarf. Angesichts dieser Differenz kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine bloß geringfügige Unterschreitung des Unterhaltsbedarfes handelt, der die Behörde in die Lage versetzt hätte, dennoch das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes im Sinne des § 5 Abs. 1 zu verneinen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Jänner 1999, Zlen. 96/19/3106 bis 3108).

Soweit in der Beschwerde eine unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 3 AufG sowie eine unrichtige Annahme der belangten Behörde, die dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Unterkunft sei zu klein, gerügt werden, ist darauf hinzuweisen, dass der angefochtene Bescheid sich weder auf den Vorwurf der unzureichenden Unterkunft noch auf § 9 Abs. 3 AufG stützt. Soweit weiters eine Verletzung der "Anleitungs- und Mitwirkungspflicht" gerügt wird, lässt die Beschwerde nicht erkennen, zu welchem Ergebnis die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels hätte gelangen können.

Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers erweist sich auch vor dem Hintergrund des Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Insoweit die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung überhaupt in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützte Recht des Beschwerdeführers eingriffe, wäre der Eingriff gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Die Anwesenheit Fremder, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, im Bundesgebiet führte nämlich zu einer Belastung der Sozialhilfeträger und damit zu einer Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Wohles des Landes. Die dadurch tangierten öffentlichen Interessen sind derart gewichtig, dass sie einen Eingriff in ein allenfalls bestehendes Recht des Beschwerdeführers auf Familiennachzug notwendig machen (vgl. z.B.

das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998, Zlen. 96/19/1802, 1999).

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42

Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die

§§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Mai 1999

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