VwGH 97/13/0230

VwGH97/13/02301.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde des H, W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I A) vom 24. Oktober 1997, Zl. RV/267-15/08/97, betreffend Berichtigung des Einkommensteuerbescheides für 1995 gemäß § 293b BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §293b;
EStG §18;
EStG 1988 §4 Abs4 Z1 litb idF 1993/818;
BAO §293b;
EStG §18;
EStG 1988 §4 Abs4 Z1 litb idF 1993/818;

 

Spruch:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, erklärte mit seiner Einkommensteuererklärung für 1995 Einkünfte aus selbständiger Arbeit. In den Beilagen zur Einkommensteuererklärung schlüsselte er die Betriebsausgaben in 21 Positionen auf, worunter die Position 10 "Krankenversicherung BL" mit dem Betrag von 104.455,30 S aufscheint. Weiters machte er verschiedene Sonderausgaben geltend, bei deren Aufschlüsselung in den Beilagen zur Einkommensteuererklärung u.a. ein Betrag von 104.455,30 S für "Krankenversicherung BL" aufscheint.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 6. August 1996 die Einkommensteuer fest. Es verringerte die erklärten Einkünfte um den im erklärten Betrag nicht enthaltenen, mit den Beilagen zur Einkommensteuererklärung jedoch geltend gemachten Betrag für eine Abfertigungsrückstellung, berücksichtigte von den geltend gemachten Sonderausgaben jedoch lediglich den sich aus § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 312/1992, ergebenden Höchstbetrag. Dagegen berief der Beschwerdeführer und wandte ein, dass die von ihm nachgewiesenen Kosten der Krankenversicherung bei der B-VersicherungsAG in Höhe von 104.455,30 S als Werbungskosten hätten anerkannt werden müssen, wobei er auf das hg. Erkenntnis vom 2. März 1993, 93/14/0003 verwies. Gemäß Richtlinie 9a für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes habe der Rechtsanwalt für eine angemessene Krankenversicherung Sorge zu tragen, die zumindest dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversicherung entspreche. Dabei handle es sich um eine "Verpflichtung, die auf Grund eines Beschlusses des zuständigen Kammerorgans zwingend zur Entrichtung auferlegt" sei.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 18. September 1996 mit der Begründung ab, im Beschwerdefall würden "die Beiträge für eine freiwillige Krankenversicherung weder an eine gesetzliche Krankenversicherung noch an eine Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammer geleistet, sondern an die B-VersicherungsAG". Diese Prämienzahlungen seien nur als Sonderausgaben abzugsfähig.

In dem dagegen erhobenen Vorlageantrag machte der Beschwerdeführer den Betrag von 104.455,30 S ausdrücklich als "Werbungskosten" geltend. Die Richtlinie 9 a für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes sei ausdrücklich erst auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. März 1993, 93/14/0003, "eingeführt" worden.

Mit Bescheid vom 11. September 1997 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Der vom Beschwerdeführer erwähnten Richtlinie 9a für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes sei ab dem Jahr 1994 vom Gesetzgeber insofern Rechnung getragen worden, als gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, als Betriebsausgaben jedenfalls die Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung abziehbar seien, Beiträge zu Einrichtungen, die der Krankenversorgung dienten, sowie Beiträge zu inländischen gesetzlichen Krankenversicherungen seien nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Die vom Beschwerdeführer geleisteten Beträge seien Beiträge an eine private Krankenversicherung; als Betriebsausgaben könnten lediglich Beitragszahlungen an eine inländische gesetzliche Krankenversicherung oder an eine Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammer anerkannt werden. Die an die private Versicherungsgesellschaft geleisteten Versicherungsbeiträge seien nur als Sonderausgaben im Rahmen des einheitlichen Höchstbetrages zu berücksichtigen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid berichtigte die belangte Behörde ihren Bescheid vom 11. September 1997 dahingehend, dass die Berufung abgewiesen und der bekämpfte Bescheid des Finanzamtes abgeändert wurde. Im Verwaltungsverfahren bis zur Erlassung des berichtigten Bescheides hätten sowohl die Abgabenbehörde erster Instanz als auch der Beschwerdeführer und die belangte Behörde den Umstand übersehen, dass in der Beilage zur Einkommensteuererklärung 1995 unter der Position

"10. Krankenversicherung BL" geltend gemachte Aufwendungen von 104.455,30 S ohnehin Berücksichtigung gefunden hätten. Allein aus der Aktenlage (einschließlich der Erklärungen) sei die "Unzulässigkeit" zu erkennen. Daher würden bei der Ermittlung des Einkommens die erklärten Einkünfte um den Betrag von 104.455 S an geltend gemachten, nicht anzuerkennenden Betriebsausgaben erhöht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer trägt zunächst vor, dass die belangte Behörde zur Berichtigung unzuständig gewesen sei. Der zu berichtigende Bescheid sei der Einkommensteuerbescheid 1995 des Finanzamtes und daher wäre auch diese Behörde der ersten Rechtsstufe zur Berichtigung zuständig.

Der Beschwerdeführer übersieht dabei, dass mit Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 11. September 1997, womit über seine Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes abgesprochen wurde, der Bescheid der belangten Behörde an die Stelle des bekämpften Bescheides des Finanzamtes getreten ist, wobei durch die bloße Abweisung der Berufung die belangte Behörde den Spruch des bekämpften Bescheides des Finanzamtes übernommen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2003, 2001/15/0097).

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

Entscheidend für die Befugnis der Abgabenbehörde zur Berichtigung nach § 293b BAO ist, dass die Abgabenbehörde den Inhalt einer Abgabenerklärung übernimmt, dem eine offensichtliche Unrichtigkeit zugrunde liegt. Dies wird dann zu bejahen sein, wenn die Abgabenbehörde bei ordnungsgemäßer Prüfung der Abgabenerklärung die Unrichtigkeit hätte erkennen müssen, ohne ein weiteres Ermittlungsverfahren durchzuführen. Die Unrichtigkeit kann sowohl in einer unzutreffenden Rechtsauffassung als auch in einer in sich widersprüchlichen oder eindeutig gegen menschliches Erfahrungsgut sprechenden Sachverhaltsdarstellung zum Ausdruck kommen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 2002, 99/15/0255).

Dass es sich bei den in den Beilagen zur Einkommensteuererklärung für 1995 im selben Betrag geltend gemachten Betriebsausgaben für "Krankenversicherung BL" und Sonderausgaben für "Krankenversicherung BL" um dieselbe Krankenversicherung und um einen vom Beschwerdeführer nur einmal geleisteten Betrag handelt, ist im Beschwerdefall unbestritten. Dass es sich bei den zwei Beträgen in derselben Höhe und unter derselben Bezeichnung um verschiedene Versicherungen gehandelt hätte, widerspräche dem menschlichen Erfahrungsgut und durfte das Finanzamt daher nicht annehmen. Dass derselbe Aufwand nicht gleichzeitig als Betriebsausgabe und als Sonderausgabe anzuerkennen ist, ergibt sich bereits aus § 18 Abs. 1 EStG 1988, wonach Ausgaben als Sonderausgaben abzuziehen sind, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Aus der Bezeichnung "Krankenversicherung BL" allein ist allerdings noch nicht erkennbar, ob ein Aufwand für eine solche Krankenversicherung als Betriebsausgabe oder im Rahmen der Sonderausgaben abziehbar ist. Der der Einkommensteuererklärung für 1995 beigelegten Bestätigung des Versicherers, der B-VersicherungsAG, über Prämienleistungen war zu entnehmen, dass es sich bei den als Betriebsausgabe geltend gemachten Beiträgen zu einer Krankenversicherung um solche an eine private Krankenversicherung gehandelt hatte.

Zu beachten ist, dass Sachverhaltselemente regelmäßig erst aus der Sicht der anzuwendenden Rechtsnormen bedeutsam werden. Im Beschwerdefall musste die Abgabenbehörde daher nicht bloß - noch keine offensichtliche Unrichtigkeit begründende (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, 93/13/0277) - Zweifel hegen, sondern von der Unrichtigkeit der Abgabenerklärung ausgehen.

Der Beschwerdeführer wendet im Ergebnis ein, die belangte Behörde habe mit dem berichtigten Bescheid keine Unrichtigkeit aus der Abgabenerklärung übernommen, weil die geltend gemachten Betriebsausgaben tatsächlich zustünden. Er verweist dabei auf die vom österreichischen Rechtsanwaltskammertag im Jahr 1993 beschlossene "neue" Richtlinie 9a für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, wonach der Rechtsanwalt für eine angemessene Krankenversicherung Sorge zu tragen habe, welche zumindest dem Leistungsumfang einer gesetzlichen Krankenversicherung entspreche.

Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, sind Betriebsausgaben jedenfalls die Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammer der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, weiters Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Bei den in Rede stehenden Beiträgen an eine private Krankenversicherung handelt es sich weder um Pflichtbeiträge zu einer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammer noch um Beiträge zu einer inländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Daher kommen solche Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung nur als Sonderausgaben in Betracht (vgl. Doralt, EStG I7, Tz 279 zu § 4).

Der Beschwerdeführer äußert verfassungsrechtliche Bedenken und trägt vor, Selbständige, die zur Leistung von Beiträgen in eine gesetzliche Pflichtversicherung und solche, die zur Leistung von Krankenversicherungsbeiträgen in eine freiwillige (gemeint wohl: private) Krankenversicherung verpflichtet seien, würden ungleich behandelt werden. Der Beschwerdeführer ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1998, 98/14/0093), dass die nach der Bestimmung des § 9a der Richtlinie für die Berufsausübung des Rechtsanwaltes bestehende standesrechtliche Vorschrift noch nicht bedeutet, dass die Beiträge durch einen Beschluss des zuständigen Kammerorgans zwingend zur Entrichtung auferlegt werden könnten, der Rechtsanwalt sohin nicht unmittelbar zum Abschluss einer solchen Versicherung gezwungen werden kann.

Da sich die Beschwerde sohin insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 1. Juli 2003

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