VwGH 97/11/0234

VwGH97/11/023420.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Nachlasses nach Dr. M in W, vertreten durch Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Dr. Armenak Utudjian, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 18. Februar 1997, B 22/97, betreffend Zurückweisung eines Antrages i.A. Altersversorgung, zu Recht erkannt:

Normen

ÄrzteG 1984 §65 Abs1;
AVG §1;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art144 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr;
VwRallg;
ÄrzteG 1984 §65 Abs1;
AVG §1;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art144 Abs1;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dr. M war Mitglied der Ärztekammer für Wien und bezog seit dem Jahr 1985 eine Altersversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds dieser Kammer. Mit Schreiben vom 26. Juli 1996 stellte er beim Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds die Anträge auf rückwirkende Erhöhung der Altersversorgung mit Wirkung vom Jänner 1991, auf Nachzahlung des dieser Erhöhung entsprechenden Betrages, auf Auszahlung eines entsprechenden Betrages für das Jahr 1996 und - unter der gebotenen Valorisierung - für die Folgejahre.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 10. Juni 1997, B 1086/97, die Behandlung der an ihn gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt. Mit Beschluß vom 19. August 1997 hat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Am 7. August 1997 verstarb Dr. M.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die Zurückweisung des Antrages vom 26. Juli 1996 lag darin, daß die Behörden des Wohlfahrtsfonds die Auffassung vertraten, daß dieser Antrag, würde man ihm nicht das Begehren nach rechtswidriger Entscheidung unterstellen, auf eine Änderung der Satzung des Wohlfahrtsfonds hinausläuft. Für eine solche Änderung sei gemäß § 50 Z. 10 ÄrzteG die Vollversammlung zuständig. Der angerufene Verwaltungsausschuß habe daher seine Unzuständigkeit zu Recht festgestellt.

Die beschwerdeführende Partei behauptet, in ihrem Recht auf Entscheidung über den Antrag auf Pensionsnachzahlungen durch den hiefür zuständigen Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds verletzt zu sein. Sie ist damit im Recht.

Sie hatte in ihrem Antrag vom 26. Juli 1996 zur Begründung ihres Begehrens im wesentlichen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die die Höhe der Altersversorgung regelnden Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vorgebracht. Es trifft zwar zu, daß die Behörden des Wohlfahrtsfonds diesem Begehren insofern nicht entsprechen konnten, als sie an die genannten Verordnungsbestimmungen gebunden waren und verfassungsrechtliche Bedenken, die von der Partei vorgetragen werden, für sie bei der Entscheidung über den an sie gerichteten Antrag rechtlich unbeachtlich sind. Es trifft auch zu, daß den Intentionen des Antragstellers entsprechend eine Änderung der Satzung zu erfolgen hätte - dies rückwirkend - und daß eine solche Änderung nicht im Zuständigkeitsbereich der Behörden des Wohlfahrtsfonds läge. Die belangte Behörde übersieht aber, daß es gleichwohl ein Akt zweckentsprechender Rechtsverfolgung ist, einen derartigen Antrag zu stellen. Die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit einer generellen Norm, welche für den Einzelnen durch die Erlassung individueller Rechtsakte wirksam wird, kann nur auf dem Weg erfolgen, daß die Erlassung eines solchen, auf die als rechtswidrig erachtete Norm gestützten, individuellen Rechtsaktes begehrt wird. Über den Weg der Anfechtung dieses (in letzter Instanz ergangenen) individuellen Rechtsaktes beim Verfassungsgerichtshof oder einem Organ mit dem Recht der Antragstellung auf Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof kann der Antragsteller seine Rechtsposition wahrnehmen. Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift aufgezeigte Weg der Stellung eines sogenannten Individualantrages auf Verordnungsprüfung nach Art. 139 Abs. 1 letzter Satz B-VG ist hiefür nicht gangbar, ist für die Zulässigkeit eines solchen Antrages an den Verfassungsgerichtshof doch Voraussetzung, daß die Verordnung u. a. ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam wird, was bereits dann nicht der Fall ist, wenn in der Sache ein Bescheid nicht unbedingt ergehen muß, seine Erlassung aber verlangt werden kann.

Die belangte Behörde hätte auf Grund ihrer grundsätzlichen Meinung, die von der beschwerdeführenden Partei begehrte Erhöhung der Pensionsleistungen sei mit der generellen Rechtslage nicht vereinbar, eine negative Sachentscheidung über den Antrag erlassen müssen. Hinsichtlich dieser hätte der beschriebene Rechtsweg beschritten werden können.

Den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift ist auch entgegenzuhalten, daß es der beschwerdeführenden Partei nicht gelungen ist, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. An den Verfassungsgerichtshof herantragen konnte die beschwerdeführende Partei auf Grund des verfehlten Inhaltes des angefochtenen Bescheides nur die Frage, ob die Zurückweisung ihres Antrages wegen Unzuständigkeit verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, insbesondere das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, verletzt. Hinsichtlich dieser Frage hat der Verfassungsgerichtshof, gestützt auf Art. 144 Abs. 2 B-VG die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Die in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen wurden bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht angewendet und wären vom Verfassungsgerichtshof selbst im Falle ihrer offenkundigen Bedenklichkeit nicht in Prüfung zu ziehen gewesen.

Dadurch, daß die Behörden des Wohlfahrtsfonds den Antrag vom 26. Juli 1996 in einen anderslautenden Antrag umdeuteten, zu dessen Erledigung sie nicht zuständig sind, und diesen Antrag wegen Unzuständigkeit zurückwiesen - dem Antragsteller somit die begehrte, auf die für rechtswidrig erachteten Verordnungsbestimmungen gestützte Sachentscheidung verweigerten -, wurde die beschwerdeführende Partei in ihren Rechten verkürzt und ist der Zurückweisungsbescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der zugesprochene Betrag setzt sich aus dem Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung sowie den tatsächlich entrichteten Stempelgebühren (§ 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG) für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zusammen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte