VwGH 97/06/0009

VwGH97/06/000923.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerden

1. des E in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, 2. des

S in K und des Dipl. Ing. J in X, 3. der RK und des WK in K und des Dipl. Ing. J in X, und 4. der H in K und des Dipl. Ing. J in X, die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen die Bescheide der Tiroler Landesregierung vom 5. September 1995, Zl. Ve1-554-15/1-3, vom 27. November 1995, Zl. Ve1-554-45/1-1, vom 27. November 1995, Zl. Ve1-554-45/1-1, und vom 27. November 1995, Zl. Ve1-554-45/1-1, betreffend Nichtanerkennung einer Wohnung als Freizeitwohnsitz gemäß §§ 15, 16 TROG 1994, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art140 Abs7;
ROG Tir 1994 §15 Abs1 lita idF 1996/004;
ROG Tir 1994 §15 Abs1 litb idF 1996/004;
ROG Tir 1994 §16 Abs1 idF 1996/004;
ROG Tir 1994 §16 Abs2 idF 1996/004;
VwGG §42 Abs2 Z1;
B-VG Art140 Abs7;
ROG Tir 1994 §15 Abs1 lita idF 1996/004;
ROG Tir 1994 §15 Abs1 litb idF 1996/004;
ROG Tir 1994 §16 Abs1 idF 1996/004;
ROG Tir 1994 §16 Abs2 idF 1996/004;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,--, und den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern jeweils insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Im übrigen wird das jeweilige Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers und der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 3. März 1995 wurde gegenüber dem Erstbeschwerdeführer (Beschwerdeverfahren zu hg. Zl. 95/06/0197) festgestellt, daß das Gebäude in B Nr. 56 auf dem Grundstück Nr. 4921/2 nicht weiter als Freizeitwohnsitz verwendet werden dürfe. Das Gebäude sei mit Bescheid vom 23. Juli 1976 baubehördlich bewilligt worden. Der Verwendungszweck sei mit "Wohnhaus" festgelegt worden. Der Beschwerdeführer habe dieses Gebäude um 1980 gekauft und benütze es seit 1982 als Freizeitwohnsitz. Kurzfristig habe es auch der Befriedigung eines dauernden Wohnbedürfnisses gedient. Das Grundstück liege nach dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde B im Freiland und es finde daher die Verwendung als Freizeitwohnsitz weder in baurechtlichen noch in raumordnungsrechtlichen Bestimmungen eine Deckung.

Die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. September 1995 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß das Gebäude im Jahr 1976 als landwirtschaftliches Nebengebäude mit landwirtschaftlich genutzten Räumen im Erdgeschoß und einer Wohnung im ersten Obergeschoß bewilligt worden sei. In der Auflage Punkt 28 dieses Bescheides sei ausdrücklich angeführt, daß das Grundstück 4921 nach dem seinerzeit gültigen Verbauungsplan der Gemeinde B im Freiland gelegen sei und es daher nach dem Raumordnungsgesetz (§ 15 Abs. 2) nur von zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörigen Personen bewohnt werden dürfe. Es könne aus diesem Bauakt nicht abgeleitet werden, daß das Gebäude als Freizeitwohnsitz bewilligt worden sei. Das Gebäude sei auch nicht als im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TROG 1994 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßiger Freizeitwohnsitz zu qualifizieren, da auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TROG 1994 eine Wohnung im Freiland nur im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes zulässig gewesen sei.

2. Die zu 2. bis 4. genannten Beschwerdeführer (Beschwerdeverfahren zu den hg. Zlen. 97/06/0009-0011) sind einerseits Dipl. Ing. J als grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 1759 des Grundbuches 82114 T, die aus dem Grundstück Nr. 3410/16 besteht, auf welchem sich das Mehrfamilienwohnhaus V-Straße 40a befindet, andererseits die Mieter jeweils einer Wohnung in diesem Wohnhaus.

Mit Bescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde T vom 18. Juli 1995 wurde jeweils dem Grundeigentümer und den zu 2. bis 4. genannten Beschwerdeführern gegenüber die Weiterbenützung der Wohnungen als Freizeitwohnsitze untersagt. Das verfahrensgegenständliche Mehrfamilienhaus sei mit Bescheid vom 27. September 1978 genehmigt worden. In diesem Bescheid sei ausdrücklich angeführt, daß die Wohnungen nicht als Ferienwohnungen benützt werden dürften und ganzjährig bewohnt werden müßten (Auflage 18). Zum Stichtag 1. Jänner 1994 ergebe sich, daß insgesamt fünf Wohnungen als Freizeitwohnsitze in diesem Mehrfamilienwohnhaus in Gebrauch stünden. Vor dem 1. Jänner 1994 seien jedenfalls mehr als drei Wohnungen im Sinne des § 16a Abs. 2 TROG 1984 verwendet worden, sodaß gemäß § 16a TROG 1994 eine Sonderflächenwidmung erforderlich gewesen wäre. Somit habe am 1. Jänner 1994 keine raumordnungsrechtlich rechtmäßige Verwendung vorliegen können.

Die von den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern dagegen jeweils erhobenen Berufungen wurden mit den angefochtenen Bescheiden vom 27. November 1994 von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Die Wohnungen seien jeweils am 1. Jänner 1994 unstrittig als Freizeitwohnsitz verwendet worden. Die Baubewilligung für die Errichtung von fünf Wohnungen im Gebäude V-Straße 40a sei unbestritten zu einem Zeitpunkt erteilt worden, zu welchem die erste Raumordnungsgesetz-Novelle und somit die Bestimmung des § 16a TROG 1984 bereits in Kraft gestanden sei. Gemäß § 16a Abs. 1 lit. a TROG 1984 seien Appartementhäuser Gebäude, in denen mehr als drei Wohnungen nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dienten, sondern überwiegend als Aufenthalt während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig als Zweitwohnstätte benützt werden sollten. Solche Appartementhäuser durften nur auf eigens hiefür gewidmeten Sonderflächen errichtet werden. Es sei daher davon auszugehen, daß das verfahrensgegenständliche Gebäude und die darin errichteten Wohnungen nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dienten und somit sowohl zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung als auch zum Zeitpunkt 1. Jänner 1994 (dem Inkrafttreten des TROG 1994) eine Sonderflächenwidmung erforderlich gewesen wäre. Eine solche sei nicht vorgelegen. § 16a TROG 1984 müsse dahin ausgelegt werden, daß mit der Errichtung einer vierten Wohnung, die nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes diene, vom Vorliegen eines Appartementhauses auszugehen sei. Zudem sei in den vorliegenden Fällen auch ergänzend in den Baubescheid als Auflage die Bestimmung aufgenommen worden, daß nur eine ganzjährige Wohnnutzung erfolgen dürfe. Das nunmehrige Raumordnungsgesetz 1994 spreche in § 15 lit. a zwar nur von der raumordnungsrechtlich rechtmäßigen Verwendung. Eine völlige Trennung der baurechtlichen Beurteilung dabei erscheine der belangten Behörde jedoch nicht sinnvoll, da sonst ein positiver Feststellungsbescheid nach § 16 Abs. 2 TROG zu erlassen sei, obwohl beispielsweise keine Baubewilligung vorliege und eine solche aufgrund der Gesetzeslage auch nicht nachträglich erteilt werden könne. Die genannte Auflage 18 des Baubescheides vom 27. September 1978 sei rechtskräftig geworden und somit einzuhalten. § 15 lit. a TROG 1994 müsse daher sinnvollerweise so ausgelegt werden, daß vor einer Feststellung im Sinne des § 16 Abs. 2 TROG 1994 auch die baurechtliche Rechtmäßigkeit zu prüfen sei. Die weitere Benützung als Freizeitwohnsitz scheitere schon daran, daß sie bauordnungswidrig erfolgen würde, da § 43 Abs. 3 Tiroler Bauordnung verletzt bzw. die genannte Auflage nicht eingehalten würde.

3. Gegen die angeführten Bescheide der belangten Behörde wenden sich die vorliegenden Beschwerden, in denen die Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

4. Die Tiroler Landesregierung legte in all diesen Fällen zur Gänze oder teilweise die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 3. Oktober 1996, A 63/96 u.a., den Antrag gestellt, festzustellen, daß die §§ 15 und 16 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994, LGBl. Nr. 81/1993, § 15 Abs. 1 i.d.F. der Kundmachung LGBl. Nr. 6/1995, verfassungswidrig waren, und die Wortfolge "§ 15 Abs. 3 und 5, § 16," in § 118 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 als verfassungswidrig aufzuheben. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gingen wie jene des Verfassungsgerichtshofes in seinem Beschluß vom 27. Juni 1996, B 1952/95-11, dahin, daß die Kundmachung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 nicht verfassungsmäßig gewesen sei, weiters daß Teile der Freizeitwohnsitzregelung entgegen Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG durch den Landesgesetzgeber nicht zur Vollziehung in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde übertragen worden und im Hinblick auf die Erwerbsfreiheit gemäß Art. 6 StGG, das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZP EMRK und den Gleichheitssatz gemäß Art. 7 B-VG bzw. Art. 2 StGG verfassungswidrig seien.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1996, G 195/96-8 u.a. (die beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Gesetzesprüfungsanträge aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle erhielten die Geschäftszahl G 356/96), wurde das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993, i.d.F. der Kundmachungen

LGBl. Nr. 6/1995 und Nr. 68/1995, insoweit als verfassungswidrig aufgehoben, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, derogiert wurde, und stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, soweit ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle derogiert wurde, verfassungswidrig war. Die Aufhebung tritt gemäß diesem Erkenntnis mit Ablauf des 30. Juni 1998 in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit. In Spruchpunkt I.2. stellte der Verfassungsgerichtshof weiters fest, daß das verfassungswidrige Gesetz auch in den vorliegenden Beschwerdefällen des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr anzuwenden ist.

Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist ein als verfassungwidrig aufgehobenes Gesetz oder ein als verfassungwidrig festgestelltes, bereits außer Kraft getretenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden.

Das in den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene Verbot, die verfahrensgegenständlichen Freizeitwohnsitze weiter als solche zu verwenden, stützte sich ausdrücklich auf § 16 Abs. 2 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, der wiederum auf § 16 Abs. 1 sowie § 15 Abs. 1 lit. a und b TROG 1994 verweist.

Die für die vorliegenden Beschwerden relevante Feststellung des Verfassungsgerichtshofes, daß die §§ 15 und 16

Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 in der Stammfassung verfassungswidrig waren (die §§ 15 und 16 dieses Gesetzes wurden in der genannten Raumordnungsgesetz-Novelle neu erlassen), bewirkt für die angefochtenen Bescheide den Wegfall der für die jeweils negative Feststellung betreffend die weitere Nutzung als Freizeitwohnsitz maßgeblichen einfachgesetzlichen Grundlage. Gemäß dem Spruch des Verfassungsgerichtshofes treten keine früheren gesetzlichen Bestimmungen in Kraft.

Die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten §§ 15 und 16 TROG 1994 ergibt, daß die Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide in Rechten verletzt wurden. Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch betreffend den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Soweit der Erstbeschwerdeführer bzw. die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer jeweils den Ersatz von Stempelgebühren für nicht erforderliche Ausfertigungen der Beschwerde (die jeweils dritte Ausfertigung) bzw. von zu viel entrichteter Stempelgebühren beantragten, war ihr jeweiliges Mehrbegehren abzuweisen.

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