VwGH 97/04/0169

VwGH97/04/016910.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. April 1997, Zl. MA 63 - M 487/95, betreffend Auftrag gemäß § 83 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §309;
GewO 1973 §83 idF 1988/399 impl;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §83;
ABGB §309;
GewO 1973 §83 idF 1988/399 impl;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §83;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes A.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer "für die teilweise Auflassung der Betriebsanlage im Standort Wien, G.-Gasse 24-26" gemäß § 83 GewO 1994 zu Punkt A.) des Bescheides Vorkehrungen betreffend einen unterirdischen 10.000 l fassenden Lagerbehälter und die zugehörigen unterirdischen Rohrleitungen vorgeschrieben. Spruchpunkt B.) ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Begründend wurde dargelegt, die gegenständliche Betriebsanlage umfasse eine KFZ-Werkstätte mit ca. 635 m2 (ebenerdige Halle) im Hof ON 24; weiters im rechten Hofseitentrakt ON 26 zwei Büroräume, einen Waschraum, Garderobe und Aufenthaltsraum, WC-Anlagen, einen Öllagerraum und einen Aufstellungsraum für den ölbefeuerten Lufterhitzer. Der ölbefeuerte Lufterhitzer diene zur Beheizung der Werkstätte, der Dusche, der Garderobe und des Vorraumes. Im Öllagerraum sei ein 3.000 l fassender Lagerbehälter für die Lagerung von Heizöl aufgestellt. Die gegenständliche Betriebsanlage, die auch wesentliche Teile auf ON 26 umfaßt habe, sei erstmals mit Bescheid vom 20. Februar 1951 "und Folgebescheiden" genehmigt worden. Soweit aus der Aktenlage ersichtlich, sei die nunmehr vom Beschwerdeführer verwendete Betriebsanlage "im wesentlichen" bereits mit Bescheid vom 8. September 1965 genehmigt worden. "Dieser Teil der Betriebsanlage" sei u.a. mit Bescheid vom 14. Juli 1982 abgeändert worden, wobei auch der "gegenständliche Lufterhitzer" genehmigt worden sei. Der Lufterhitzer werde nunmehr durch einen Lagerbehälter, der sich im Öllager der Betriebsanlage des Beschwerdeführers befinde, mit Heizöl versorgt. Am unterirdischen Lagerbehälter, der laut Schreiben des Betriebsinhabers vom 24. März 1992 aufgelassen werden sollte, habe der Betriebsinhaber im Jahre 1992 eine amtliche Druckprobe durch die Magistratsabteilung 35 vornehmen lassen. Diese sei am 1. April 1992 durchgeführt worden. Der Standort sei "jedoch nicht in seiner jetzigen Betriebsanlage, sondern befindet sich im Hof ON 26, der damals zur Betriebsanlage gehörte". Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er nicht Eigentümer, sondern Mieter der Liegenschaft und der aufgelassene Lagertank nicht Bestandteil seiner Betriebsanlage sei, erwiderte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Beweismittel beigebracht oder angeboten, wonach er nicht auflassender Inhaber des Lagerbehälters sei, auf den sich die erteilten Aufträge bezögen. Vielmehr habe er mit Schreiben vom 24. März 1992 bekanntgegeben, daß der unterirdische Lagerbehälter aufgelassen werde. Somit sei der Beschwerdeführer zumindest bis zu diesem Zeitpunkt Inhaber dieses Anlagenteiles gewesen. Möge er auch zwischenzeitlich nicht mehr Inhaber des aufgelassenen Teiles der Betriebsanlage sein, so sei nach dem klaren Wortlaut des § 83 GewO 1994 Normadressat eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle der Inhaber der Anlage, der eine Auflassungshandlung gesetzt habe. Aus dem Gutachten ergebe sich, daß der Beschwerdeführer am 1. April 1992 im Zusammenhang mit der angekündigten Auflassung noch eine Druckprobe am Behälter habe durchführen lassen. Da eine Weiterverwendung des Behälters nach diesem Zeitpunkt weder aktenkundig sei noch vom Beschwerdeführer behauptet werde, sei dieser als auflassender Inhaber im Sinne des § 83 GewO 1994 anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich im Umfang seines Spruchpunktes A.) die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer im Recht auf Unterbleiben der Vorschreibung von Vorkehrungen nach § 83 GewO 1994 verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wendet sich die Beschwerde insbesondere gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme, der Beschwerdeführer sei "auflassender Inhaber" in bezug auf den den Gegenstand der Vorkehrung bildenden Anlagenteil. Der Beschwerdeführer trägt vor, er habe mit Mietvertrag vom 3. Juni 1988 die auf dem Grundstück G.-Gasse 24 liegende Werkstättenhalle (635 m2), die dazugehörige Hoffläche und Einfahrt (237 m2) und den von der Einfahrt zugänglichen Büroraum (16 m2) sowie auf dem Grundstück G.-Gasse 26 die im Parterre des rechten Hofseitentraktes befindliche Durchfahrt in den Hof, den anschließenden als Garderobe dienenden Raum (70 m2), eine Hoffläche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen sowie einen Büroraum im Parterre des rechten Hofseitentraktes (58 m2), gemietet. Eine "Anmietung des eigentlichen Grundstückes G.-Gasse 26", wo sich unterirdisch ein 10.000 l fassender Lagerbehälter und die zugehörigen unterirdischen Rohrleitungen befänden, sei nie erfolgt. Dem Beschwerdeführer sei die Lage des Lagerbehälters und der Rohrleitungen völlig unbekannt. Die vom Beschwerdeführer gemieteten Räumlichkeiten seien Teil einer gegenüber der Sch.-Autohandelsgesellschaft m.b.H. genehmigten Betriebsanlage gewesen. In anderen ursprünglich zu dieser Betriebsanlage gehörenden Räumen hätten sich weitere Unternehmen etabliert. Der Beschwerdeführer habe im Jahre 1988 um Genehmigung der Änderung der vorhandenen Betriebsanlage angesucht. Über diesen Antrag sei bis heute nicht entschieden worden. Die Heizungsanlage in den Betriebsräumen des Beschwerdeführers werde aus einem 300 l fassenden "Tageslagerbehälter" gespeist, der - ebenso wie die Tageslagerbehälter der anderen am Standort G.-Gasse 24-26 etablierten Unternehmen - zunächst aus dem unterirdischen Öltank durch Umpumpen befüllt worden sei. Zu diesem unterirdischen Behälter bzw. zum Pumpenraum habe der Beschwerdeführer niemals Zutritt gehabt. Selbst von der Existenz dieses Behälters habe der Beschwerdeführer erst geraume Zeit nach Aufnahme des Betriebes Kenntnis erlangt. Zum Jahreswechsel 1988/1989 habe er in seinen Betriebsräumlichkeiten einen 3000 l fassenden oberirdischen Lagerbehälter für Heizöl, aus dem der Tageslagerbehälter befüllt werde, in Betrieb genommen. Zeitgleich habe er die vom unterirdischen Lagerbehälter zu seinem Tageslagerbehälter führenden Rohre fachgerecht abstöpseln lassen. Aus Anlaß einer im Jahr 1991 erfolgten Aufforderung der Behörde, den unterirdischen Lagerbehälter einer Druckprobe unterziehen zu lassen, habe der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. März 1992 die Umstellung seiner Ölfeuerungsanlage gemeldet und u.a. mitgeteilt, daß der ihm bekanntgewordene unterirdische Lagerbehälter aufgelassen werde. Daraufhin sei von Amts wegen - und nicht auf Veranlassung des Beschwerdeführers - eine Druckprobe durchgeführt worden. Die belangte Behörde hätte nicht zur Auffassung gelangen dürfen, daß der Beschwerdeführer, bezogen auf den unterirdischen Lagerbehälter, auflassender Inhaber im Sinne des § 83 GewO sei. Nach Absiedlung des Betriebes der Sch.-AutohandelsgmbH, deren Betriebsanlage (zu der der gegenständliche unterirdische Lagerbehälter offenbar gehört habe) mit Bescheid aus dem Jahr 1982 genehmigt worden sei, hätten sich am Standort mehrere Betriebe etabliert. Die belangte Behörde habe nicht aufgeklärt, zu welcher Betriebsanlage der unterirdische Lagerbehälter gehöre; jedenfalls zähle dieser nicht zur Betriebsanlage des Beschwerdeführers, von der er räumlich getrennt sei. Bei Aufnahme des Betriebes habe der Beschwerdeführer von der Existenz des unterirdischen Lagerbehälters gar nichts gewußt. Aus dem Umstand, daß am 1. April 1992 eine Druckprobe durchgeführt worden sei, und der Bekanntgabe des Beschwerdeführers vom 24. März 1992, daß der Lagerbehälter aufgelassen werde, hätte die belangte Behörde nicht auf die Eigenschaft des Beschwerdeführers als auflassender Inhaber folgern dürfen. Die Druckprobe sei über Veranlassung der Behörde erster Instanz erfolgt; das Schreiben habe lediglich der Notifizierung gedient, daß ein faktisch vorhandener Lagerbehälter aufgelassen werde. Des weiteren trägt die Beschwerde vor, daß der mit der Erfüllung des behördlichen Auftrages verbundene Kostenaufwand von S 300.000,-- für den Beschwerdeführer ruinös wäre; im Zusammenhang mit der Frage einer von dem in Rede stehenden Anlagenteil ausgehenden konkreten Gefährdung werden Feststellungsmängel geltend gemacht.

Gemäß § 83 GewO 1994 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechts-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 63, hat der Inhaber der Anlage, wenn Anlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Anlagen aufgelassen werden, die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Anlage oder den aufgelassenen Teilen der Anlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und seine Vorkehrungen anläßlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Reichen die angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten oder hat der Inhaber der Anlage anläßlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen.

Nach dieser Gesetzesstelle ist Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex lege bestehenden Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages (jedenfalls nur) der "Inhaber" der Anlage, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1994 zutreffen. Als solcher kann (anders als nach der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988) nur jener Inhaber angesehen werden, der eine Auflassungshandlung gesetzt hat (vgl. die Erkenntnisse vom 29. März 1994, Slg. 14.026/A, und vom 20. September 1994, Zl. 94/04/0060).

Unter "Auflassung der Anlage" im Sinne des § 83 GewO 1994 ist die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck durch den Inhaber zu verstehen (vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 1994, Slg. 14.088/A, und vom 1. Juli 1997, Zl. 95/04/0129).

Die Rechtsfigur der Inhabung (des Inhabers) entstammt dem Zivilrecht, weshalb von jenem Bedeutungsinhalt auszugehen ist, den die Privatrechtsordnung - die der Gesetzgeber der Gewerbeordnung vorgefunden hat - geprägt hat. Danach ist nach § 309 ABGB (Sach-)Inhaber, wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat (vgl. die Erkenntnisse vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0220, und vom 25. Februar 1992, Slg. 13.588/A).

Voraussetzungen der Passivlegitimation bei der Erlassung eines bescheidmäßigen Auftrages nach § 83 GewO 1994 sind somit die Ausübung der Gewahrsame über eine gewerbliche Betriebsanlage (§ 74 Abs. 1 GewO 1994) und die Auflassung, d.h. die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck durch denjenigen, der im betreffenden Zeitpunkt die Gewahrsame ausübt. Der angefochtene Bescheid ist in der Frage des Vorliegens dieser Voraussetzungen mangelhaft begründet. Die belangte Behörde gründet ihre Auffassung, der Beschwerdeführer sei als auflassender Inhaber im Sinne des § 83 GewO anzusehen, auf dessen Schreiben vom 24. März 1992, womit die Auflassung des unterirdischen Lagerbehälters bekanntgegeben wurde, und auf die Feststellung, der Beschwerdeführer habe am 1. April 1992 eine Druckprobe am Behälter durchführen lassen. Damit verkennt die belangte Behörde, daß aus der Erklärung der Auflassung alleine nicht auf die Ausübung der Gewahrsame über die Anlage und somit nicht auf die Eigenschaft des Erklärenden als "Inhaber" im Sinne des § 83 GewO 1994 gefolgert werden kann (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 28. März 1989, Zl. 88/04/0220). Ebensowenig kann die Feststellung, die am 1. April 1992 durchgeführte Druckprobe sei auf Veranlassung des Beschwerdeführers erfolgt, für sich alleine die Beurteilung tragen, der Beschwerdeführer habe die Gewahrsame über jene Betriebsanlage ausgeübt, zu der der in Rede stehende unterirdische Lagerbehälter im Zeitpunkt der Auflassung gehörte. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, wonach er den unterirdischen Lagerbehälter, der sich in einem von den Betriebsräumen und -flächen des Beschwerdeführers räumlich getrennten, diesem nicht zugänglichen Gelände befinde, weder gekauft noch gemietet oder benutzt habe (Stellungnahme vom 30. Juni 1996), hat sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt.

Der Sachverhalt erweist sich daher in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt A.) schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf diese Erledigung erübrigt sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

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