VwGH 94/04/0060

VwGH94/04/006020.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. Februar 1994, Zl. 315.329/2-III/A/2a/93, betreffend Verfahren gemäß § 83 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1973 §83 idF 1988/399;
GewO 1973 §83 idF 1988/399;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.710,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. November 1991 erteilte der Magistrat der Stadt Wien der Y-Gesellschaft m.b.H. in Wien gestützt auf § 83 GewO 1973 zwei Aufträge. Nur gegen einen der beiden Aufträge erhob die Y-Gesellschaft m.b.H. Berufung. Mit Bescheid vom 18. März 1992 wies der Landeshauptmann von Wien diese Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid unter gleichzeitiger sprachlicher Neufassung der in Rede stehenden Vorkehrung. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Y-Gesellschaft m.b.H. Berufung.

Der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 4. Februar 1994 ist in seinem Betreff gerichtet an: "Y-Gesellschaft mbH (nunmehr: X-Gesellschaft mbH)". Er lautet in seinem Spruch wie folgt:

"Der durch den angefochtenen Bescheid und dem diesem zugrunde liegenden Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 4.11.1991 vorgeschriebene Auflagenpunkt 2) wird abgeändert und lautet wie folgt:

"2) Unterhalb des überdachten Freilagerplatzes für halogenierte Kohlenwasserstoffe, im ebenerdigen Aufstellungsraum der Metallreinigungsanlage sowie im Kellergang bei der Destillationsanlage ist aufgrund der Auflassung der Betriebsanlage im Fußboden je eine Einrichtung zur Absaugung der Bodenluft im Sinne der CKW-Anlagen-Verordnung (BGBl. Nr. 27/1990) herzustellen. Die Bodenluft ist abzusaugen und auf ihre Konzentration an halogenierten organischen Lösungsmittel untersuchen zu lassen. Übersteigen die Meßwerte 10 mg halogenierte Kohlenwasserstoffe/m3 abgesaugte Bodenluft, so ist eine Bodensanierung, beispielsweise durch weitere Bodenluftabsaugung soweit durchzuführen, bis der genannte Grenzwert von 10 mg unterschritten wird. Über die gemessene Konzentration der abgesaugten Bodenluft und die Ergebnisse einer erforderlichen Bodensanierung ist der Behörde unverzüglich ein Gutachten von einem hiezu befugten Fachunternehmen, einem befugten Sachverständigen oder einer autorisierten Untersuchungsanstalt vorzulegen."

Im Hinblick auf § 83, letzter Satz GewO 1973 idgF wird festgestellt, daß ein Wechsel in der Person des Inhabers der gänzlich oder teilweise aufgelassenen Anlage die Wirksamkeit dieses bescheidmäßigen Auftrages nicht berührt, sodaß sich dieser Auftrag an den nunmehrigen Inhaber der aufgelassenen Anlage X-Gesellschaft mbH, S-Gasse 8, richtet."

Zur Begründung führte der Bundesminister aus, im Rahmen einer Überprüfungsverhandlung des Magistrates der Stadt Wien hinsichtlich der in Rede stehenden Betriebsanlage am 11. März 1991 sei durch den Vertreter der Betriebsinhabung (damals: Y-Gesellschaft m.b.H.) angegeben worden, die Betriebsanlage werde voraussichtlich Mitte 1992 aufgelassen. Es seien jedoch keine weiteren Vorkehrungen im Sinne des § 83 GewO 1973 bekanntgegeben worden. Nach Darstellung des weiteren Verfahrensganges und des Inhaltes des § 83 GewO 1973 legte der Bundesminister unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar, Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex lege bestehenden Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle sei jedenfalls nur der Inhaber der Anlage. Im vorliegenden Fall sei durch ein Schreiben der Magistratsabteilung 36 vom 18. Jänner 1993 klargestellt, daß das im Bereich der in Rede stehenden Betriebsanlage gelegene Gebäude, in dem die Metallreinigungsanlage und die Destillationsanlage aufgestellt gewesen seien, nicht abgetragen, sondern nur durch Innenausbauten adaptiert worden sei. Der Bereich des Lagerplatzes für CKW sei durch Abtragung der oberirdischen Bauteile in einen Parkplatz umgewandelt worden, wobei jedoch am im gegenständlichen Verfahren relevanten Erdmaterial keine Veränderungen (Erd- und Aushubarbeiten) durchgeführt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren bestätigt, nunmehr Grundeigentümerin der aufgelassenen Betriebsanlage zu sein. Daraus ergebe sich im Hinblick auf § 83 letzter Satz GewO 1973, daß sie damit gleichzeitig zum nunmehrigen Normadressaten der gegenständlichen behördlich vorzuschreibenden Vorkehrungen geworden sei. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich nämlich zweifelsfrei, daß eine Inhabereigenschaft auch dann vorliege, wenn nur mehr Teile der ehemaligen Betriebsanlage vorhanden seien. Da diese Betriebsanlage auch das notwendige Bodenmaterial mitumfasse, stehe daher die Inhabereigenschaft der Beschwerdeführerin außer Frage. Angesichts der schon von Gesetzes wegen bestehenden Verpflichtung des jeweiligen Inhabers sei diese im vorliegenden Fall nur mehr festzustellen gewesen. Im übrigen befaßt sich die Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Erforderlichkeit der aufgetragenen Vorkehrung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht mit Maßnahmen im Sinne des § 83 GewO 1973 belastet zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin zunächst vor, aus dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu erkennen, ob er sich an die Y-Gesellschaft m.b.H. oder an die Beschwerdeführerin richte. Sie erhebe daher aus Vorsichtsgründen die vorliegende Beschwerde. Im übrigen bekämpft die Beschwerdeführerin die Annahme der belangten Behörde, sie sei Inhaberin der in Rede stehenden Anlage geworden, mit dem Argument, die Y-Gesellschaft m.b.H. habe diese Anlage aus eigenem entfernt. Dadurch sei es zu ihrer gänzlichen Auflassung gekommen. Die Tatsache, daß die Y-Gesellschaft m.b.H. anläßlich der Auflassung der Anlage und Entfernung der Gerätschaft im Jänner 1992 nicht auch das Erdreich mitgenommen habe, begründe keine Inhabereigenschaft der Beschwerdeführerin. Mit den weiteren Ausführungen richtet sich die Beschwerdeführerin schließlich gegen die Annahme der Erforderlichkeit der ihr mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Vorkehrung.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst die Ansicht der Beschwerdeführerin, dem angefochtenen Bescheid sei der Bescheidadressat nicht zu entnehmen, nicht zu folgen. Wenn auch die Bezeichnung des Adressaten im "Betreff" allenfalls diesbezügliche Zweifel offenlassen könnte, so ergibt sich aus dem letzten Absatz des Spruches des angefochtenen Bescheides ohne jeden Zweifel, daß der Bescheid an die Beschwerdeführerin gerichtet ist.

Mit dem die Inhabereigenschaft an der in Rede stehenden Betriebsanlage betreffenden Vorbringen ist die Beschwerdeführerin dagegen im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 83 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung anzuwendenden, durch die Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, unberührt gebliebenen Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988 hat, wenn Anlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Anlagen aufgelassen werden, der Inhaber der Anlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Anlage oder dem aufgelassenen Teil der Anlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und seine Vorkehrungen anläßlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Reichen die angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der Inhaber der Anlage anläßlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nicht vollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der gänzlich oder teilweise aufgelassenen Anlage wird die Wirksamkeit dieses bescheidmäßigen Auftrages nicht berührt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. März 1994, Zl. 93/04/0257, ausgeführt hat, ist nach dem klaren Wortlaut dieser Gesetzesstelle Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex lege bestehenden Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle (jedenfalls nur) der "Inhaber" der Anlage, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1973 zutreffen. Entgegen der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988 kann als solcher nach der seit dieser Novelle geltenden Fassung dieser Gesetzesstelle infolge des eindeutig darauf hinweisenden Normeninhaltes aber nur jener Inhaber angesehen werden, der eine Auflassungshandlung gesetzt hat. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem mit der erwähnten Novelle angefügten letzten Satz. Denn nach dem Gesamtzusammenhang dieser Gesetzesstelle folgt aus der Perpetuierung der Wirksamkeit eines einmal erlassenen Bescheides nach § 83 leg. cit. auch für den Fall des Inhaberwechsels die weiterbestehende Zulässigkeit der Erlassung eines solchen Bescheides gegenüber jenem Inhaber, der eine Auflassungshandlung setzte, selbst wenn dieser zwischenzeitig die Position eines Inhabers der Betriebsanlage verlor.

Insofern betraf die im hg. Erkenntnis vom 5. November 1985, Slg. N. F. Nr. 11.932/A, ausgedrückte gegenteilige Rechtsansicht eine anders geartete Rechtslage.

Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie der Beschwerdeführerin, ohne die die Rechtsfigur des Inhabers bestimmenden Tatbestandsmerkmale des § 83 leg. cit. zu prüfen, die in Rede stehenden Aufträge allein deshalb erteilte, weil sie bestätigte, nunmehrige Grundeigentümerin der aufgelassenen Betriebsanlage zu sein.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, weshalb es sich erübrigt, auf das sonstige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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