Normen
AufG 1992 §3 Abs1 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4 impl;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
EMRK Art8;
SGG §16 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs1 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4 impl;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
EMRK Art8;
SGG §16 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.640,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach der Aktenlage verfügte der Beschwerdeführer über einen am 21. Februar 1990 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerk mit Geltungsdauer bis 30. Jänner 1991, über einen am 4. März 1991 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerk mit Geltungsdauer bis 29. Dezember 1991 und über einen am 7. Juli 1992 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerk mit Geltungsdauer bis 31. Jänner 1993. Er beantragte am 23. August 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 31. Mai 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Nach Wiedergabe des Gesetzestextes führte die erstinstanzliche Behörde aus, der Antragsteller sei seit 30. Juni 1994 an einer Adresse in Wien gemeldet. Er stehe auch in Österreich in Arbeit. Daher sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er brachte vor, er befinde sich bereits seit 1981, also über ein Jahrzehnt in Österreich. Er habe die öffentliche Hauptschule in Wien besucht. Er habe am 15. Juli 1993 eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht. Das (gemeinsame) Kind sei am 17. März 1990 in Wien geboren. Der Beschwerdeführer verfüge seit 1984 ununterbrochen über Beschäftigungsbewilligungen.
Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Mai 1996 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m.
§ 6 Abs. 2 AufG und § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag zwar bei der österreichischen Botschaft in Budapest eingebracht, jedoch sei aus seinem Reisedokument keine Einreise nach Antragstellung ersichtlich. Der Beschwerdeführer sei vor, während und nach der Antragstellung aufrecht in Österreich polizeilich gemeldet. Daher habe er der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG, wonach der Antrag vor der Einreise des Fremden in das Bundesgebiet zu stellen sei, nicht Genüge getan.
Der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden unbestrittenen Aktenlage "sichtvermerksfrei" eingereist. Er habe die Absicht gehabt, im Bundesgebiet zu arbeiten. Zu diesem Zweck hätte er von Anfang an einen Sichtvermerk benötigt. Fest stehe, daß der Beschwerdeführer seit Ablauf seiner Aufenthaltsberechtigung mit 31. Jänner 1993 unerlaubt in Österreich aufhältig sei. Seit 30. Juni 1994 sei der Beschwerdeführer aufrecht an einer Adresse in Österreich gemeldet. Seit 19. Jänner 1996 sei er bei einem österreichischen Unternehmen beschäftigt. Dennoch sei er als arbeitslos bei der Wiener Gebietskrankenkasse gemeldet. Auch in der Berufung führe der Beschwerdeführer ausschließlich eine Adresse im Bundesgebiet an.
Überdies sei der Beschwerdeführer am 7. Dezember 1994 gemäß § 16 Abs. 1 SGG vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen verurteilt worden, welche unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei.
Ausgehend von diesen Sachverhaltsfeststellungen sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gegeben, weil die Aufenthaltsbewilligung nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle.
Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers einerseits und des seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhaltens andererseits sei die Annahme gerechtfertigt, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Sicherheit gefährden. Es liege daher auch der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG vor.
Die Erteilung einer Bewilligung sei nach dem Vorgesagten auch aus dem Grunde des § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen.
Die öffentlichen Interessen überwögen die durch den Aufenthalt seiner Ehegattin im Bundesgebiet begründeten familiären Interessen des Beschwerdeführers in Österreich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG lauten:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 AufG oder § 14) erteilt werden soll;"
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (11. Juni 1996) war für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, maßgebend.
§ 4 Z. 2 dieser Verordnung lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
2. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 AufG), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,"
1. Zum Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 AufG:
Gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, kann der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung von Angehörigen österreichischer Staatsbürger, denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde, ausnahmsweise im Inland gestellt werden. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden bereits dargelegt, daß er Ehegatte und somit Angehöriger im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG einer österreichischen Staatsbürgerin sei. Er hat darüberhinaus dargetan, daß ihm bereits mehrfach gewöhnliche Sichtvermerke erteilt worden waren. Daß die Ehe bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des gewöhnlichen Sichtvermerkes oder der Einreise bestanden haben müsse, ist der Bestimmung des § 4 Z. 2 der in Rede stehenden Verordnung nicht zu entnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010). Unter der Voraussetzung, daß einer der für den Beschwerdeführer ausgestellten gewöhnlichen Sichtvermerke bereits vor seiner (zuletzt erfolgten) Einreise erteilt worden wäre, wäre er gemäß § 4 Z. 2 der in Rede stehenden Verordnung zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen. Indem es die belangte Behörde in Verkennung der oben dargestellten Rechtslage unterließ, Feststellungen über die Staatsbürgerschaft der Ehegattin des Beschwerdeführers sowie über den Zeitpunkt seiner zuletzt erfolgten Einreise zu treffen, belastete sie ihren Bescheid in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 6 Abs. 2 AufG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
2. Zum Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG:
Die belangte Behörde trifft einerseits die Tatsachenfeststellung, daß der Beschwerdeführer sichtvermerksfrei eingereist sei, andererseits, daß er sich seit Ablauf seiner letzten Aufenthaltsberechtigung aufgrund eines gewöhnlichen Sichtvermerkes am 31. Jänner 1993 unerlaubt im Bundesgebiet aufhalte. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß die belangte Behörde von einer sichtvermerksfreien Einreise des Beschwerdeführers vor Ausstellung des ihm zuletzt erteilten gewöhnlichen Sichtvermerkes am 7. Juli 1992 ausgeht. Auf Basis dieser Bescheidannahme könnte jedoch im Hinblick auf die zwischenzeitige Ausstellung dieses gewöhnlichen Sichtvermerkes nicht mehr davon gesprochen werden, daß die Bewilligung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/1476).
3. Zum Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG:
Der belangten Behörde ist zunächst dahin beizupflichten, daß das der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 16 Abs. 1 SGG zugrundeliegende Verhalten jedenfalls im Zusammenhang mit seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im Anschluß an den Ablauf des ihm zuletzt erteilten gewöhnlichen Sichtvermerkes die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG getroffene Gefährdungsprognose rechtfertigt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0535, und vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/1730). Demgegenüber hätte der unrechtmäßige Aufenthalt im Anschluß an den Ablauf des gewöhnlichen Sichtvermerkes alleine keine ausreichende Grundlage für eine derartige Annahme gebildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907).
Bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG hat die Behörde auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, indem sie zu prüfen hat, ob sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0380).
Der Beschwerdeführer brachte nun im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden vor, er halte sich seit 1981, also bereits über ein Jahrzehnt in Österreich auf, habe in Wien die Hauptschule besucht und am 15. Juli 1993 eine österreichische Staatsangehörige geehelicht. Auch das gemeinsame, am 17. März 1990 in Wien geborene Kind halte sich im Bundesgebiet auf. Er verfüge seit 1984 ununterbrochen über Beschäftigungsbewilligungen.
Die belangte Behörde beschränkte sich in ihrer Beurteilung nach Art. 8 Abs. 2 MRK darauf, die Anwesenheit der Ehegattin des Beschwerdeführers in Österreich zu erwähnen. Sie unterließ es jedoch, Feststellungen über die sonstigen im Bundesgebiet begründeten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers sowie über die Dauer und Rechtmäßigkeit seines Voraufenthaltes zu treffen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0535, und vom 21. Februar 1997, Zl. 95/18/0297), daß eine Verurteilung nach § 16 SGG den Eingriff in die während eines langdauernden (dort jeweils über 20-jährigen) Inlandsaufenthaltes begründeten privaten und familiären Interessen (im erstgenannten Fall durch die Anwesenheit der vier Kinder der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, sowie durch ihre aufrechte Beschäftigung und vorhandene Wohngelegenheit; im zweitgenannten Fall durch Ausübung eines Berufes, Anwesenheit der Eltern und Geschwister in Österreich sowie durch die Absicht, eine österreichische Staatsbürgerin zu heiraten) nicht rechtfertigt. Anders wurde der Sachverhalt bei einem etwa dreijährigen Aufenthalt des Fremden beurteilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1996, Zl. 96/19/0102).
Die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren behaupteten, während eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes - seine Rechtmäßigkeit vorausgesetzt - begründeten familiären Interessen sind - selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß er im Zeitpunkt seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen, anders als im Zeitpunkt der Geburt seines Kindes, über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet mehr verfügte - derart intensiv, daß bei Zutreffen seiner diesbezüglichen Behauptungen der Eingriff in diese durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtsgüter aufgrund des ihm zur Last liegenden - durchaus nicht unbeträchtlichen - Fehlverhaltens (noch) nicht gerechtfertigt wäre.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des insgesamt geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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