VwGH 96/19/0714

VwGH96/19/071430.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden

1.) des MA, 2.) des OA, 3.) des SA und 4.) der DM, alle in W, sämtliche vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. H in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 3. Juli 1995,

Zlen. 1.) 301.783/4-III/11/95, 2.) 301.783/3-III/11/95,

3.) 301.783/5-III/11/95 und 4.) 301.783/2-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §140 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
EMRK Art8 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art1;
ABGB §140 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
EMRK Art8 Abs1;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Viertbeschwerdeführer ist Mutter der übrigen Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Mazedoniens.

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 3. Juli 1995 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 18. Jänner 1994 auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen abgewiesen.

In Ansehung der Viertbeschwerdeführerin wurde der angefochtene Bescheid - unter anderem - auf § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) gestützt. Begründend führte die belangte Behörde in Ansehung dieses Versagungsgrundes aus, die Viertbeschwerdeführerin sei seit 3. Oktober 1994 im Bundesgebiet aufhältig und übe seit 21. November 1994 eine unselbständige Erwerbstätigkeit als Küchenhilfe aus. Nach der auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin beruhenden unbestrittenen Aktenlage sei sie mit der Absicht eingereist, im Bundesgebiet einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen und in Österreich eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Zu diesem Zweck hätte die Beschwerdeführerin schon zur Einreise in das Bundesgebiet eine entsprechende Bewilligung benötigt. Sie halte sich nach wie vor ohne eine solche Bewilligung in Österreich auf. Durch dieses Gesamtverhalten zeige sie, daß sie nicht gewillt sei, die österreichische Rechtsordnung, insbesondere in einem Bereich, der für den geordneten Ablauf eines geregelten Fremdenwesens vorgesehen sei, zu respektieren. Damit sei der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht, die Erteilung einer Bewilligung sei gemäß § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die persönlichen Interessen der Viertbeschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK.

In Ansehung der übrigen Beschwerdeführer stützte die belangte Behörde ihren Bescheid auf § 5 Abs. 1 AufG und begründete, daß die Viertbeschwerdeführerin, welche verpflichtet sei, für den Unterhalt der übrigen Beschwerdeführer aufzukommen, über keine Aufenthaltsbewilligung in Österreich verfüge. Der Lebensunterhalt der Beschwerdeführer für die Dauer der zu erteilenden Bewilligung sei daher nicht gesichert. Erst- bis Drittbeschwerdeführer strebten die Familienzusammenführung mit ihrer Mutter, der Viertbeschwerdeführerin, an. Diese verfüge jedoch über keine Aufenthaltsbewilligung. Der Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung" sei daher nicht gegeben. Die öffentlichen Interessen überwögen - im Hinblick auf die Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen - die privaten Interessen dieser Beschwerdeführer.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden. Die Beschwerdeführer machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften jeweils mit dem Antrag geltend, die angefochtenen Bescheide aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

§ 5 Abs. 1 AufG lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautet:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

In dem von der belangten Behörde festgestellten Zeitpunkt der Einreise der Viertbeschwerdeführerin (3. Oktober 1994) stand im Verhältnis zur ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien das pragmatisch weiter angewendete Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, in Geltung. Mit Wirksamkeit vom 15. Mai 1995 wurde die Anwendung des Art. 3 Abs. 3 lit. a, c, d, e, f und g des genannten Abkommens bis auf weiteres ausgesetzt (BGBl. Nr. 322/1995).

Art. 1, 2 und 3 des genannten Abkommens lauteten bis zu diesem Zeitpunkt auszugsweise wie folgt:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Artikel 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

...

Artikel 2

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben, bedürfen eines Sichtvermerkes, der auch die Aufenthaltsberechtigung einschließt. Dieser Sichtvermerk wird gebührenfrei erteilt.

Artikel 3

...

(3) Der Grenzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a) Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)

...

e) Kinderausweis"

Die Viertbeschwerdeführerin tritt den maßgeblichen Feststellungen der belangten Behörde, sie sei am 3. Oktober 1994 in das Bundesgebiet mit der Absicht eingereist, eine unselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben und halte sich seither in Österreich auf, nicht entgegen. Auf Basis dieser Bescheidfeststellung ist die Beurteilung der belangten Behörde zutreffend, daß die Viertbeschwerdeführerin nicht gemäß Art. 1 Abs. 1 des Abkommens BGBl. Nr. 365/1965 sichtvermerksfrei einreisen durfte (Art. 2 des Abkommens). Eine unrechtmäßige Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Annahme, ein weiterer Aufenthalt des Fremden gefährde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259). Gleiches würde auch für einen längerdauernden unberechtigten Aufenthalt im Anschluß an den dreimonatigen rechtmäßigen Aufenthalt nach sichtvermerksfreier Einreise gelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1996, Zl. 95/19/0269). Wenn sich die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang darauf beruft, sie sei in Unkenntnis der entsprechenden Vorschriften ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist und habe die Bewilligung erst beantragt, nachdem ihr die entsprechenden Umstände zur Kenntnis gelangt seien, so zeigt dieses Vorbringen, daß sie auch nach Kenntniserlangung von der Notwendigkeit einer Aufenthaltsbewilligung weiter im Inland verblieb. Die Beurteilung der belangten Behörde, der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG liege vor, ist daher zutreffend.

Im Falle einer unrechtmäßigen Einreise und eines daran anschließenden unrechtmäßigen Aufenthaltes ist bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gestützten Abweisung eines Bewilligungsantrages auf private und familiäre Interessen im Sinne des Art. 8 MRK nicht Bedacht zu nehmen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 25. November 1993). Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Anwesenheit ihres österreichischen Ehegatten sowie ihrer Kinder im Bundesgebiet vermag daher der Beschwerde ebensowenig zum Erfolg zu verhelfen, wie jener auf ihre aufrechte Beschäftigung im Inland als Küchenhilfe.

Die übrigen Beschwerdeführer beriefen sich als zur Deckung ihres Unterhaltes verfügbare Mittel ausschließlich auf das Einkommen der Viertbeschwerdeführerin aus ihrer Beschäftigung im Inland. Das Einkommen ihrer im Inland nicht aufenthaltsberechtigten Mutter aus einer - aus der Sicht des Aufenthaltsgesetzes unzulässigen - Erwerbstätigkeit derselben im Inland ist jedoch nicht geeignet, den Unterhalt der Beschwerdeführer im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu sichern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1006). Auch die Beurteilung der belangten Behörde, der allein geltend gemachte Aufenthaltszweck der Familienzusammenführung mit der Mutter sei nicht realisierbar, weil diese über keine Bewilligung verfüge, ist zutreffend.

Die Beschwerdeführer wären zur initiativen Darlegung ihrer Unterhaltsmittel verpflichtet gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1996, Zl. 96/19/0857). Entsprechender Anleitungen und Belehrungen durch die Verwaltungsbehörden bedurfte es hiezu - im Gegensatz zur Auffassung des Erst-, Zweit- und Drittbeschwerdeführers - nicht. Das Beschwerdevorbringen, ihnen stünde zur Deckung ihres Unterhalts das Einkommen ihres Stiefvaters zur Verfügung, verstößt gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführer nie über eine Aufenthaltsbewilligung oder einen gewöhnlichen Sichtvermerk verfügten und die Viertbeschwerdeführerin überdies unrechtmäßig einreiste, lag in Ansehung der Erst- bis Drittbeschwerdeführer aufgrund ihres seit 3. Oktober 1994 bestehenden gemeinsamen Inlandsaufenthaltes mit ihrer Mutter ein geschütztes Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 MRK nicht vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zlen. 95/19/0566 bis 0571).

Aus diesen Erwägungen waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte