VwGH 96/19/0109

VwGH96/19/010918.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden 1.) des mj. DS und 2.) der mj. AS, beide vertreten durch die Mutter MS, letztere vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 17. November 1995,

1.) Zl. 109.958/2-III/11/94 und 2.) Zl. 109.991/2-III/11/94, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, jeweils vertreten durch ihre Mutter, beantragten auf postalischem Wege am 7. Juni 1994 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Auf die Antragsfrage nach dem derzeitigen Wohnsitz gaben sie jeweils eine Adresse in Jugoslawien an. Unter der Rubrik "gesicherte Unterkunft in Österreich" wurde eine österreichische Adresse angegeben. Weiters wird im Antrag vorgebracht, die Beschwerdeführer seien früher im Paß ihrer Mutter miteingetragen gewesen. Sie hätten mehrere Monate in Jugoslawien verbracht und beabsichtigten nun, wieder zu den Eltern zu kommen. Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 5. September 1994 wurden diese Anträge gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Sie seien von einer dritten Person von Preßburg aus der österreichischen Botschaft per Post übersendet worden. Das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus sei nicht erfüllt, weil auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden hätten.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung, wobei sie im Kopf dieser Berufung angaben, an einer Adresse in Jugoslawien aufhältig zu sein. Die Antragstellung durch einen Vertreter, auch auf postalischem Wege, sei zulässig. Die erstinstanzliche Behörde habe es unterlassen, Nachforschungen darüber anzustellen, ob die Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhältig gewesen seien.

Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 17. November 1995 wurden diese Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Gegen die in der Berufung kritisierte Annahme der ersten Instanz, die Antragsteller hielten sich im Bundesgebiet auf, sei jedenfalls der Nachweis des Gegenteiles unterblieben. Feststehe, daß die Antragsteller seit 10. Mai 1994 in Wien gemeldet seien. Die bloße Übersendung des Antrages per Post an eine österreichische Vertretungsbehörde im Ausland entspreche nicht dem in § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, wonach Fremde die Entscheidung über ihren Antrag vom Ausland aus grundsätzlich abzuwarten hätten. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 8 MRK.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden jeweils mit dem Antrag, sie aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung der angefochtenen Bescheide (30. November 1995) hatte die belangte Behörde die Rechtslage nach Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

§ 6 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ..."

§ 60 AVG lautet:

"§ 60. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen."

Der Bestimmung des § 6 Abs. 1 AufG ist nicht zu entnehmen, der Fremde habe von sich aus glaubhaft zu machen, daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt wurde. Das Vorliegen der Erfolgsvoraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG ist daher gemäß § 39 Abs. 2 erster Satz AVG von der Behörde von Amts wegen zu prüfen, wenn sie - wie hier - nicht aufgrund ihrer Vermutung, die Regelung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG solle umgangen werden, nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vorgeht. Dabei trifft die Partei die Pflicht, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792). Doch hat auch in diesen Fällen die Behörde von Amts wegen zu bestimmen, welche Tatsachen zu beweisen sind und die Erbringung der Beweise anzuordnen (sofern der Beteiligte nicht von sich aus Beweisanträge stellt oder Beweise vorlegt (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 321)).

Dieser Mitwirkungspflicht kamen die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall im Verwaltungsverfahren nach, weil sie die Antragsfrage nach ihrem Wohnsitz im Zeitpunkt der Antragstellung mit der Angabe einer jugoslawischen Adresse unter dieser Antragsrubrik beantworteten. Aus diesem Grund konnten sich die Beschwerdeführer in ihrer Berufung auch darauf beschränken, der von der erstinstanzlichen Behörde rechtsirrtümlich getroffenen Annahme einer Beweislastregel mit rechtlichen Argumenten entgegenzutreten. Auch die belangte Behörde hat die Beschwerdeführer nicht aufgefordert, Nachweise über ihren Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung zu erbringen. Die im angefochtenen Bescheid erstmals getroffene Annahme, die Beschwerdeführer seien an einer Adresse in Wien gemeldet und die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, sie hätten sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufgehalten, wurde ihnen nicht vorgehalten.

Indem sie auch in der Beschwerde - wie auch schon im Bewilligungsantrag - darlegen, sie hätten sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland aufgehalten, zeigen die Beschwerdeführer die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels in tauglicher Weise auf.

Aus diesen Gründen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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