Normen
AVG §56;
BAO §198 Abs2;
BAO §92;
LAO NÖ 1977 §150 Abs2;
LAO NÖ 1977 §69;
AVG §56;
BAO §198 Abs2;
BAO §92;
LAO NÖ 1977 §150 Abs2;
LAO NÖ 1977 §69;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.950,-- zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
Mit zwei getrennten Bescheiden je vom 23. Juli 1980 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber den Beschwerdeführerinnen gemäß § 15 der Niederösterreichischen Bauordnung anlässlich der erstmaligen Bauführung auf ihrem näher bezeichneten Grundstück einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 67.424,85 fest. Dieser Betrag werde gemäß § 15 letzter Satz der Niederösterreichischen Bauordnung anlässlich der erstmaligen Errichtung der Aufschließungsanlagen zu diesem Grundstück fällig. Dieser Zeitpunkt werde von der Gemeinde durch Übersendung einer Lastschriftanzeige an die Grundeigentümerinnen bekannt gegeben. Der Einheitssatz betrug S 1.800,--. Der Hebesatz wurde a) für die Fahrbahn mit 35 %, b) für den Kanal mit 25 %, c) für den Gehweg mit 25 % und d) für die Beleuchtung mit 15 % des Einheitssatzes festgesetzt.
Mit Lastschriftanzeigen vom 14. Juli 1989 zeigte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführerinnen jeweils einen Hälfteanteil von S 8.428,-- für den auf den Gehweg entfallenden Teil des Gesamtaufschließungsbeitrages mit einer Fälligkeit vom 15. August 1989 als Lastschrift und Rückstand an. Insoweit kann zur Vorgeschichte auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 93/17/0394, verwiesen werden.
Mit Antrag vom 17. Juni 1994 (eingelangt bei der mitbeteiligten Marktgemeinde am 21. Juni 1994) bestritten die Beschwerdeführerinnen die Fälligkeit des in der (neuerlichen) Lastschriftanzeige vom 15. Juni 1994 ausgewiesenen Rückstandes in der Höhe von je S 8.428,-- und stellten den Antrag, gemäß § 69 der Niederösterreichischen Abgabenordnung (NÖ AO) einen Feststellungsbescheid zu erlassen.
Mit gleichlautenden Bescheiden des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde je vom 22. September 1994 wurde jeweils der Antrag der Beschwerdeführerinnen vom 16. Juni 1994 auf Erlassung eines Feststellungsbescheides zurückgewiesen. Ein Feststellungsbescheid könne nur erlassen werden, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür vorhanden sei; dies sei aber weder nach der Niederösterreichischen Abgabenordnung noch nach der Niederösterreichischen Bauordnung für diesen Fall vorgesehen. Außerdem sei der gemäß § 69 NÖ AO ausgestellte Bescheid vom 23. Juli 1980 in Rechtskraft erwachsen; in diesem Bescheid sei "bereits enthalten, dass die Fälligkeiten mittels Lastschriftanzeigen angezeigt" würden.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen Berufung (eingelangt am 6. Oktober 1994 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde), in der sie unter anderem ausführten, dass im Beschwerdefall die Erlassung eines Bescheides notwendiges Mittel zur Klärung der Frage der bestrittenen Fälligkeit des Aufschließungsbeitrages für den Gehweg in einem "rechtsförmlichen Verfahren" sei, "zumal dem Zahlungspflichtigen nicht zugemutet werden" könne, "diese Frage im Verfahren über Säumnisfolgen abzuklären und damit die Gefahr zwangsweiser Einbringung einer nicht fälligen Abgabenschuld auf sich zu nehmen".
Mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 17. Oktober 1994 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführerinnen als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters vom 22. September 1994. Es liege auf Grund des rechtskräftigen Bescheides des Bürgermeisters vom 23. Juli 1980 eine rechtskräftige Vorschreibung eines Aufschließungsbeitrages vor. In diesem sei auch darüber abgesprochen worden, dass der Eintritt der Fälligkeit nicht mehr Gegenstand eines Bescheides sein werde; lediglich die Bekanntgabe der Fälligkeit durch Lastschriftanzeige solle erfolgen. Es treffe auch nicht zu, dass für die Berufungswerberinnen (Beschwerdeführerinnen) keine Möglichkeit zur Rechtsverteidigung vorgesehen sei; sollten sie nämlich "vermeinen", dass Fälligkeit nicht eingetreten sei, so hätten sie bei Nichtzahlung der fällig gestellten Teilzahlung die Möglichkeit, den Mangel der Fälligkeit in einem allfälligen Exekutionsverfahren einzuwenden. Weder die Bauordnung noch die Niederösterreichische Abgabenordnung biete eine Grundlage für die Erlassung eines Feststellungsbescheides. Vielmehr sei in der Exekutionsordnung vorgesehen, dass der Mangel der eingetretenen Fälligkeit einer zwangsweisen eingebrachten Abgabe geltend gemacht werden könne. Damit sei ein Feststellungsbescheid auch nicht ein notwendiges Mittel um zu einer möglichen Rechtsverteidigung zu kommen, da dies auch in einem allfälligen Exekutionsverfahren möglich sei.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben gegen die erwähnten Bescheide vom 17. Oktober 1994 (eine gemeinsame) Vorstellung. In dieser brachten sie - zusammengefasst - vor, sei die Frage des Eintritts der im Bescheid vom 23. Juli 1980 umschriebenen Bedingung (Herstellung des Gehsteiges) umstritten, müsse für den Abgabepflichtigen die Möglichkeit der Einleitung eines Abgabenverfahrens zur Rechtsverteidigung bestehen. Es sei überdies dem Gesetzgeber nicht zusinnbar, dass er einem Normunterworfenen zu "zivilem Unrecht", nämlich zur Nichtentrichtung einer allenfalls fälligen Abgabe zwinge und ihm die Klärung der Frage der Fälligkeit erst nach Einleitung eines Exekutionsverfahrens ermögliche.
Mit ihrem Bescheid vom 11. Dezember 1995 wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerinnen als unbegründet ab. Feststellungsbescheide seien immer dann zu erlassen, wenn sie im konkreten Fall erforderlich seien, um dem Abgabepflichtigen seine Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Im Beschwerdefall sei es den Abgabepflichtigen aber möglich, ihre Ansicht über den umstrittenen Fälligkeitszeitpunkt im Rahmen des (laufenden) Verfahrens betreffend Mahngebühren und Säumniszuschlag vorzubringen bzw. hier die Beurteilung der Behörde anzufechten. Ein Hinweis, dass der Eintritt der Fälligkeit jedenfalls vorher mittels eines Feststellungsbescheides bekannt gegeben werden müsste, sei dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1994, Zl. 93/17/0394, nicht zu entnehmen. Der "nunmehr angestrengte Feststellungsbescheid" sei für die Partei (Beschwerdeführerinnen) daher nicht als "notwendiges und letztes, einziges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung anzusehen".
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 1. März 1996,
B 299/96-3, die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor diesem machen die Beschwerdeführerinnen in ihrer - ergänzten - Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; sie erachten sich in ihrem Recht auf bescheidmäßige Feststellung der Fälligkeit eines eingemahnten Abgabenbetrages verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Marktgemeinde - eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. November 1992, Zl. 86/17/0162, unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung ausgesprochen hat, sind die Verwaltungsbehörden befugt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide zu erlassen, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung oder ein im privaten oder öffentlichen Interesse begründeter Anlass vorliegt und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen. Was die Verfahrensinitiative anlangt, wurde dabei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Partei die Berechtigung zuerkannt, die bescheidmäßige Feststellung strittiger Rechte zu begehren, wenn der Bescheid im Einzelfall notwendiges Mittel der Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse der Partei liegt. Der Antragsteller muss ein rechtliches Interesse daran haben, dass ein Rechtsverhältnis oder Recht durch den beantragten verwaltungsbehördlichen Bescheid festgestellt werde. Ein solches Interesse besteht dann nicht, wenn die für die Feststellung maßgebende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens oder eines gerichtlichen Verfahrens zu entscheiden ist. Im Übrigen ist ein rechtliches Interesse der Partei nur dann zu bejahen, wenn der Feststellungsantrag im konkreten Fall als geeignetes Mittel zur Beseitigung der Rechtsgefährdung angesehen werden kann. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich auch die Notwendigkeit, das Element der Klarstellung für die Zukunft als Voraussetzung für die Erlassung eines Feststellungsbescheides anzuerkennen, weil der Feststellungsbescheid zur Abwendung zukünftiger Rechtsgefährdung Rechte oder Rechtsverhältnisse klar stellen soll. Nur dort, wo eine Klarstellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses eine Rechtsgefährdung des Antragstellers beseitigen kann, kommt der Klarstellung für die Zukunft rechtliche Bedeutung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1993, Zl. 90/17/0116, mwN).
Ist die Erlassung eines Abgabenbescheides möglich, so ist die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides zufolge des Grundsatzes der Subsidiarität von Feststellungsbegehren und Feststellungsbescheiden überhaupt zu verneinen (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom 1. Juli 1993, mwN; vgl. überdies das hg. Erkenntnis vom 26. April 1999, Zl. 98/17/0229, gleichfalls mit weiteren Nachweisen).
Bei der Prüfung der Frage, ob im Beschwerdefall von den Beschwerdeführerinnen ein Abgabenbescheid erlangt werden kann, ist von den Bescheiden vom 23. Juli 1980 auszugehen; mit diesen wurde rechtskräftig der jeweils zu entrichtende Aufschließungsbeitrag festgesetzt. Einer neuerlichen Abgabenfestsetzung steht insoweit die Rechtskraft dieser Bescheide entgegen.
Mit den erwähnten Bescheiden vom 23. Juli 1980 wurde jedoch die Fälligkeit des (jeweils zu entrichtenden) Aufschließungsbeitrages nicht etwa mit einem bestimmten Datum sondern mit der erstmaligen Errichtung der (jeweiligen) Aufschließungsanlage umschrieben; dieser Zeitpunkt werde (nach Errichtung der Aufschließungsanlagen) durch Übersendung einer Lastschriftanzeige bekannt gegeben werden. Damit wurde der Zeitpunkt der Eintritt der Fälligkeit von einer Bedingung abhängig gemacht. Über die Frage, ob die Bedingung eingetreten ist, liegt kein rechtskräftiger Abspruch - weder in den Bescheiden vom 23. Juli 1980 noch sonst - vor.
Gemäß § 150 Abs. 2 Niederösterreichische Abgabenordnung haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Führen Abgabenbescheide zu keiner Nachforderung, so ist eine Angabe über die Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeiten entbehrlich. Ist die Fälligkeit einer Abgabenschuldigkeit bereits vor deren Festsetzung eingetreten, so erübrigt sich, wenn auf diesen Umstand hingewiesen wird, eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit.
Unbestritten ist, dass in den Beschwerdefällen die Fälligkeit der jeweiligen Abgabenschuldigkeiten nicht bereits vor deren Festsetzung eingetreten ist. Eine nähere Angabe über den Zeitpunkt der Fälligkeit der festgesetzten Abgabenschuldigkeit konnte daher nicht aus diesem Grunde unterbleiben.
In den Beschwerdefällen wurde der Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Abgabenschuldigkeit - wie erwähnt - nicht bestimmt sondern nur bestimmbar festgesetzt. Eine - von § 150 Abs. 2 Niederösterreichische Abgabenordnung vorgesehene - bescheidmäßige Festsetzung des Fälligkeitszeitpunktes der Abgabenschuldigkeiten steht aus. Bei gesetzeskonformer Interpretation der Bescheide vom 23. Juli 1980 ist aus diesen Erwägungen davon auszugehen, dass diese (ergänzende) Konkretisierung noch vorbehalten blieb. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die erwähnten Bescheide vom 23. Juli 1980 jeweils von Lastschriftanzeigen sprechen, handelt es sich bei diesen doch um keine Bescheide (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1996, Zl. 94/17/0378, und weiters nur Ritz, Bundesabgabenordnung2 Rz 17 zu § 92, mwN); der aus § 150 Abs. 2 Niederösterreichische Abgabenordnung entspringenden Verpflichtung konnte damit nicht entsprochen werden.
Zusammenfassend ist daher in den Beschwerdefällen davon auszugehen, dass sich - im Sinne der oben bezogenen Judikatur - die Verpflichtung zur Erlassung von Feststellungsbescheiden über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabenschuldigkeiten bereits aus einer gesetzlichen Anordnung, nämlich aus § 150 Abs. 2 Niederösterreichische Abgabenordnung ergibt. Auf die Frage, ob der Zeitpunkt der Fälligkeit etwa in einem anderen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren geklärt werden könnte, war daher nicht weiter einzugehen.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war in der Höhe von dreimal S 120,-- für die Beschwerde und S 90,-- für den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung zuzusprechen; das diesbezügliche Mehrbegehren war abzuweisen.
Wien, am 26. Juni 2000
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)