VwGH 96/16/0023

VwGH96/16/002322.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde der S in Wolkenstein, Italien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Berufungssenat IV, betreffend fahrlässige Verkürzung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §161 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
FinStrG §161 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 7. April 1995 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt,

"fahrlässig eine Verkürzung der auf den PKW Ford Fiesta 1,1, amtliches Kennzeichen BZ nnnn1, Fg-Nr. VS6AXXWPFALL 16749, Baujahr 1990, im gemäß § 184 Bundesabgabenordnung geschätzten Gesamtwert von S 110.000,-- entfallenden Eingangsabgaben von S 75.856,-- (Zoll S 30.800,-- und Einfuhrumsatzsteuer S 45.056,--) dadurch bewirkt zu haben, daß sie spätestens ab März 1991 das gegenständliche Beförderungsmittel, für das ihr anläßlich der vorangegangenen Einreise aus dem Ausland über ein namentlich unbekanntes Straßengrenzzollamt die Abgabenbegünstigung der formlosen und sicherstellungsfreien Eingangsvormerkbehandlung gemäß § 93 Abs. 1 lit. a) Ziffer 1 iVm Abs. 7 Zollgesetz 1988 und § 7 Zollgesetz-Durchführungsverordnung 1988 gewährt worden war, zu einem anderen als jenem Zweck verwendete, der für die Abgabenbegünstigung zur Bedingung gemacht war, nämlich entgegen der gesetzlichen Auflage, wonach die Einbringung des Beförderungsmittels zum eigenen Gebrauch für die Dauer längstens eines Jahres zulässig ist, wenn der Halter und Benützer seinen gewöhnlichen Wohnsitz oder Sitz im Zollausland hat, zur zeitweiligen Überlassung an den damals nachweislich nur im Zollgebiet, und zwar in V. wohnhaft gewesenen Karl H. zu dessen privater Nutzung, und es unterließ, dies einem Zollamt gemäß § 93 Abs. 10 ZollG 1988 vor der anderweitigen Verwendung anzuzeigen".

Sie habe dadurch das Finanzvergehen der fahrlässigen Verkürzung von Eingangsabgaben gemäß §§ 36 Abs. 2 i.V.m. § 35 Abs. 3 FinStrG begangen. Gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 15.460,-- verhängt. Gleichzeitig wurde Karl H. des Finanzvergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben nach § 35 Abs. 3 FinStrG schuldig erkannt.

Mit dem als "Berufungserkenntnis" bezeichneten Bescheid wurde der Berufung des Karl H. Folge gegeben und das Finanzstrafverfahren eingestellt. Der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Straferkenntnis wurde von der belangten Behörde teilweise Folge gegeben und "das angefochtene Straferkenntnis, das im Schuldspruch betreffend die Beschwerdeführerin unberührt bleibt", in dem sie betreffenden Strafausmaß insoweit abgeändert, als die Geldstrafe auf S 8.000,-- herabgesetzt wurde. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, das durchgeführte Beweisverfahren hätte nicht ergeben, daß Karl H. auch nur einmal in unzulässigerweise den gegenständlichen Personenkraftwagen allein benützt hätte. Hingegen habe die Beschwerdeführerin den auf ihren Namen zugelassenen PKW nach Österreich eingeführt und hier auch mehrere Monate hindurch "offensichtlich" benützt, obwohl sie in Österreich einen Zweitwohnsitz begründet hätte. Aus diesem Grunde sei am Schuldspruch der Beschwerdeführerin festzuhalten.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wird dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sache im Sinne dieser Gesetzesstelle ist dabei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Sache des Verwaltungsstrafverfahrens ist somit die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 30. Mai 1995, 93/13/0217). Dabei ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, daß die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz unzuständig ist, wenn sie in einer Angelegenheit, die nicht den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildete, einen Sachbescheid erläßt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, 94/16/0275, 0276).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Schuldausspruches abgewiesen. Ein solcher zweitinstanzlicher Bescheid - hier allein hinsichtlich des Ausspruches über die Schuld - ist so zu werten, als ob die Rechtsmittelbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte, der fortan an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides tritt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, 94/16/0275, 0276). Daraus folgt für den Streitfall, daß der Beschwerdeführerin nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides (übereinstimmend mit der Finanzstrafbehörde erster Instanz) die Überlassung des in Rede stehenden Beförderungsmittels an Karl H. "zu dessen privater Nutzung" zur Last gelegt worden ist. Demgegenüber wurde der Beschwerdeführerin in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Vorwurf gemacht, sie habe selbst den in Rede stehenden Personenkraftwagen im Inland (unter Verletzung einer zollrechtlichen Anzeigepflicht) benützt, was - wie klarstellend hinzuzufügen ist - eine völlig andere Tathandlung - auch in ihrem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang - darstellt als jene, die im Straferkenntnis erster Instanz umschrieben und von der belangten Behörde in ihren Spruch übernommen worden ist. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend erkannt hat, befinden sich damit aber Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides im Widerspruch. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei es sich erübrigte, auf die übrigen Beschwerdeausführungen einzugehen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da der angefochtene Bescheid der Beschwerde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur im einfachen Ausmaß anzuschließen ist, war ein Ersatz der Beilagengebühr nur im Ausmaß von S 60,-- zuzusprechen.

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