Normen
AVG §45 Abs3 impl;
AVG §66 Abs4;
FinStrG §138 Abs2;
FinStrG §161 Abs1;
FinStrG §161 Abs3;
AVG §45 Abs3 impl;
AVG §66 Abs4;
FinStrG §138 Abs2;
FinStrG §161 Abs1;
FinStrG §161 Abs3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 21. Mai 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der M. GmbH das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Hinterziehung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Juni bis Dezember 1990 eingeleitet.
Bei seiner Vernehmung als Beschuldigter gab der Beschwerdeführer am 9. Juli 1991 an, die GmbH sei im Jahre 1990 wegen des Ausfalls eines Lastkraftwagens in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die - vom Steuerberater ausgefüllten - Erlagscheine betreffend Vorauszahlungen an Umsatzsteuer seien zur Bank gegeben worden. Der Kreditrahmen sei aber ausgeschöpft gewesen. Das Wichtigste sei damals die Anschaffung eines neuen Lastkraftwagens gewesen.
Mit Erkenntnis vom 30. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer von der Finanzstrafbehörde erster Instanz (Spruchsenat) der Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig erkannt und bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von S 641.254,-- mit einer Geldstrafe von S 80.000,-- bestraft.
In der Berufung gegen dieses Straferkenntnis wurde geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen nicht vorsätzlich, sondern lediglich fahrlässig verletzt.
In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe stets die Erlagscheine zur Bank getragen. Die kleineren Beträge seien immer zuerst bezahlt worden und die größeren zum Schluß; dies seien meist die Umsatzsteuer-Erlagscheine gewesen. Er habe sich bei seinem Hauptkunden, der W. KG, verlassen können, daß er zehn Tage nach Rechnungslegung pünktlich das Geld erhalte. Dann sei aber bei der KG die Führungsschicht ausgetauscht worden. Das Geld sei nicht mehr regelmäßig gekommen. Er sei mit dem Lastkraftwagen gefahren, wodurch er den Überblick verloren habe. Er habe mit der neuen Finanzchefin der W. KG gesprochen. Sie habe einfach das Zahlungsziel hinausgeschoben.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis dahin abgeändert, daß die Tathandlung als Finanzordnungswidrigkeit im Sinne des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG gewertet wurde. Die Geldstrafe wurde auf S 60.000,-- herabgesetzt. Die belangte Behörde vertrat mit folgender Begründung die Auffassung, dem Beschwerdeführer sei nicht Wissentlichkeit, sondern lediglich bedingter Vorsatz vorzuwerfen:
"Die Überprüfung dieser Feststellungen durch den Berufungssenat ergab allerdings, daß ein solches Wissen dem Beschuldigten nicht vorgeworfen werden konnte. Vielmehr war es so, daß gerade zur Tatzeit der Hauptkunde des Beschuldigten, die W. KG, eine Umstrukturierung durchmachte, in deren Verlauf auch die für die Geschäftsführung maßgeblichen Personen, so insbesondere die Finanzreferentin ausgewechselt wurde, die von der bisherigen Übung abging, die Rechnungen des Beschuldigten binnen zehn Tagen zu bezahlen, und eigenmächtig ein längeres Zahlungsziel in Anspruch nahm. Nun hat der Beschuldigte von dieser Entwicklung zweifellos ebenso Kenntnis erlangt wie vom Umstand, daß dadurch sein Kreditrahmen überstrapaziert wurde. Daß er aber im einzelnen gewußt hätte, in welchen Monaten die Eingänge auf seinem Konto dafür ausreichen werden, neben den kleineren Zahlungen auch die jeweils große Zahlung an Umsatzsteuervorauszahlungen zu leisten, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Wohl aber ist dem Beschuldigten bei der gegebenen Sachlage vorzuhalten, daß er mit dieser Möglichkeit rechnete, sie sohin ausdrücklich ins Kalkül zog und sich auch damit abfand, daß die Umsatzsteuervorauszahlungen dann nicht geleistet wurden, wenn der Kreditrahmen dafür nicht mehr hinreichte. Er hat also entgegen seiner eigenen Auffassung nicht mit Fahrlässigkeit, sondern mit bedingtem Vorsatz gehandelt."
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. September 1993, B 1578/93-5, abgelehnt. Gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soferne ein Rechtsmittel nicht gemäß § 156 FinStrG zurückzuweisen ist, hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG - und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, gemäß § 289 Abs. 1 BAO - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und das angefochtene Erkenntnis abzuändern. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle ist dabei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1992, Zl. 91/13/0215). "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist somit die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Es steht also der Berufungsbehörde zu, die als erwiesen angenommene Tat einer anderen Strafnorm zu unterstellen, als dies die Erstbehörde getan hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1986, 86/02/0136).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz das bereits von der ersten Instanz inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich die Unterlassung der Entrichtung der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Juni bis Dezember 1990, einem anderen - mit niedrigerer Strafe bedrohten - Tatbestand unterstellt. Eine derartige andere rechtliche Beurteilung bleibt im Rahmen der der Rechtsmittelbehörde zustehenden Abänderungsbefugnis. Von einer Auswechslung der Tat kann dabei keine Rede sein.
Wenn der Beschwerdeführer dabei unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Parteiengehörs rügt, die belangte Behörde habe ihn nicht auf ihre rechtliche Beurteilung hingewiesen, so ist ihm entgegenzuhalten, daß der Grundsatz des Parteiengehörs die Behörde nicht verpflichtet, die aus den aufgenommenen Beweisen gezogenen Schlußfolgerungen und rechtlichen Erwägungen vorzuhalten. Es liegt auch der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen ein "Überraschungsverbot" nicht vor. Denn die belangte Behörde hat sich bei ihrer vorgenommenen anderen rechtlichen Beurteilung ausschließlich auf vom Beschwerdeführer selbst vorgebrachte Sachverhaltsmomente gestützt (vgl. in diesem Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Februar 1988, 87/10/0011, Slg. Nr. 12662).
Zur Untermauerung seines Standpunktes, der vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensmangel sei wesentlich, bringt er dabei vor, er habe sich vor der belangten Behörde ausschließlich auf die Widerlegung des ihm vorgeworfenen direkten Vorsatzes beschränkt. Dieses Vorbringen ist unrichtig, weil in der Berufung - übrigens ohne jede nähere Begründung - geltend gemacht wurde, der Beschwerdeführer sei seinen Verpflichtungen fahrlässig nicht nachgekommen. Wenn der Beschwerdeführer meint, bei einem Vorhalt der rechtlichen Beurteilung hätte er die Vernehmung seines ehemaligen Steuerberaters sowie der "Finanzreferentin" der W. KG beantragt, so steht der Beachtlichkeit dieses Vorbringens im Sinne der erforderlichen Darlegung der Relevanz eines behaupteten Verfahrensmangels schon entgegen, daß in der Beschwerde ein konkretes Thema einer solchen Beweisaufnahme nicht genannt worden ist. Überdies ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohnedies davon ausgegangen, daß die Überweisungen der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer deswegen vom beauftragten Kreditinstitut nicht durchgeführt worden sind, weil der dem Beschwerdeführer eingeräumte Kreditrahmen erschöpft war.
Wenn in der Beschwerdeschrift behauptet wird, dem Steuerberater sei erst nach sechs Monaten aufgefallen, daß die W. KG ihre Zahlungen erst nach längerer Frist tätigte, so verstößt dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot. Es widerspricht zudem jeder Lebenserfahrung, daß der Unternehmer bzw. hier sein Geschäftsführer vom aktuellen Stand seines Bankkontos nicht selbst jederzeit Kenntnis hat. Das Vorbringen, das Konto sei ohne Wissen des Beschwerdeführers durch die Vorgangsweise der W. KG überzogen gewesen, widerspricht überdies dem Vorbringen im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren, wonach Ursache der Zahlungsschwierigkeiten der erfolgte Ankauf eines Lastkraftwagens gewesen sei. Letztlich schließt der Umstand, daß der dem Beschwerdeführer eingeräumte Kreditrahmen erschöpft war, die Annahme von Vorsatz keineswegs - und zwar insbesondere auch nicht von direktem Vorsatz - aus.
Die Beschwerde erweist sich daher zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
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