VwGH 96/15/0126

VwGH96/15/012616.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der S GmbH in Hadersdorf, vertreten durch Dr. Christian Hauser, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Prechtlgasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. April 1996, GA7-995/95, betreffend Haftung gemäß § 14 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §14 Abs1;
EStG §10 Abs5;
EStG §24 Abs1 Z1;
BAO §14 Abs1;
EStG §10 Abs5;
EStG §24 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.860 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt zog die Beschwerdeführerin gemäß § 14 BAO als Haftende für Abgabenschulden der F-GmbH (Umsatzsteuer für September 1994 und Säumniszuschlag) heran. Die F-GmbH habe (laut Rechnung vom September 1994) der Beschwerdeführerin die Betriebs- und Geschäftsausstattung verkauft und sich von ihr die Investitionen in fremden Gebäuden sowie den Eislaufplatz um einen Gesamtkaufpreis von 4,386.000 S ablösen lassen. Erhebungen hätten ergeben, dass die Beschwerdeführerin alle Geschäfte der F-GmbH, nämlich ein Restaurant und einen Eislaufplatz, fortführe. Es sei sohin ein Unternehmen im Ganzen übereignet worden. Die Haftung betreffe die Umsatzsteuer aus dem Verkauf des Unternehmens an die Beschwerdeführerin, woraus sich ergebe, dass diese Kenntnis von der Steuerschuld gehabt habe. Zudem sei die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin zugleich Prokuristin der F-GmbH, weshalb der Beschwerdeführerin die finanzielle Situation der F-GmbH bekannt gewesen sein müsse.

In der Berufung gegen den Haftungsbescheid wurde vorgebracht, eine Unternehmensveräußerung habe die Übertragung der wesentlichen Grundlagen des Betriebes zur Voraussetzung, also der Geschäftsräume, des Inventars und des Warenlagers. Entscheidend sei die Übertragung der Liegenschaft oder die Einräumung von Mietrechten daran. Tatsächlich sei kein Warenlager übertragen worden, weil die F-GmbH ihre Tätigkeit bis Dezember 1994 fortgesetzt habe. Es hätten auch keine Mietrechte übertragen werden können, weil diese der W GmbH eingeräumt und von ihr der Bank verpfändet worden seien. Die Beschwerdeführerin habe daher lediglich Inventar erworben. Es treffe auch nicht zu, dass die Beschwerdeführerin den Eislaufplatz betreibe. Im Übrigen sei es zwar richtig, dass die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin Prokuristin der F-GmbH sei, sie habe aber keine Kenntnis über die Entrichtung von Abgaben durch die F-GmbH haben müssen oder können.

In der Niederschrift vom 23. Februar 1995 über die Vernehmung der Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin als Auskunftsperson ist deren Aussage wie folgt festgehalten:

"Nach Kauf v. Fa. F-GmbH gingen sämtliche Inhalte lt. der Re.

v. 2.9.94 in die (Beschwerdeführerin) über. Den Grundanteil für das Restaurant mietete die (Beschwerdeführerin) u. vermietete diesen Anteil bis zum Kauf am 2.9.94 weiter.

Nach meiner Ansicht sind durch den Kauf der (Beschwerdeführerin) v. F-GmbH v. 2.9.94 sämtliche Rechte aus den Pachtverträgen u. Eigentumsverhältnisse am Inventar (Betriebs- und Geschäftsausstattung) u . dgl. an die (Beschwerdeführerin) übergegangen."

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung führt das Finanzamt aus, die F-GmbH habe ein Restaurant, ein Freibad und einen Eislaufplatz betrieben. In der Bilanz der F-GmbH zum 31. Dezember 1993 sei das Anlagevermögen mit ca 3,26 Mio S und das Umlaufvermögen (Handelswaren) mit 52.343 S ausgewiesen. "Mit Rechnung vom 2.9.94 verkaufte die F-GmbH um S 4.386.000,-

(inkl. 20% USt.) folgende Gegenstände bzw. lies sich folgende Gegenstände ablösen: Werkzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung lt. Inventarverzeichnis, Geschirr, Lastkraftwagen, Geringwertige Wirtschaftsgüter sowie Ablöse für Eislaufplatz und Einbauten in fremden Gebäuden." Somit sei das gesamte Anlagevermögen im Jahr 1994 an die Beschwerdeführerin verkauft worden. Damit seien die wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen worden. Es sei unwesentlich, dass die Beschwerdeführerin den Eislaufplatz nicht betrieben habe. Das Restaurant habe sie jedenfalls ab November 1994 betrieben. Im November 1994 habe ihr die F-GmbH auch die Warenbestände verkauft. Die Beschwerdeführerin habe somit die wesentlichen Grundlagen für die Fortführung des Unternehmens erworben und dieses auch tatsächlich fortgeführt. Dass die Beschwerdeführerin die aus der Rechnung vom 2. September 1994 resultierende Umsatzsteuerschuld gekannt habe, stehe außer Streit. Ihre Geschäftsführerin sei über die finanzielle Situation der F-GmbH informiert gewesen, zumal sie zwei Lebensversicherungen zu Gunsten der F-GmbH vinkuliert und, ebenso wie die Beschwerdeführerin, eine Wechselbürgschaft für sie eingegangen sei.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Beschwerdeführerin vor, das Nichtbetreiben des Eislaufplatzes habe sie nicht als Argument gegen eine Unternehmensveräußerung ins Treffen geführt. Das Finanzamt habe aber in der Berufungsvorentscheidung die Problematik der Übertragung der Mietrechte nicht behandelt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die F-GmbH habe ein Restaurant, ein Freibad und einen Eislaufplatz betrieben und im Jahr 1994 ihr gesamtes Anlagevermögen an die Beschwerdeführerin übertragen. Die Beschwerdeführerin habe ab November 1994 das Restaurant betrieben. Sie bestreite den Unternehmenserwerb, weil die Mietrechte nicht übertragen worden seien. Nach Ansicht der belangte Behörde sei allerdings ausreichend, dass der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit der Übereignung der Geschäftseinrichtung das Geschäftslokal für Zwecke des fortzuführenden gastgewerblichen Betriebes zur Verfügung gestellt worden sei und sie den Betrieb daher am selben Standort mit derselben Einrichtung habe fortführen könne. Dass mit dem Kauf der Geschäftsausstattung auch das Bestandrecht am Geschäftslokal übertragen worden sei, ergebe sich auch aus der Aussage der Geschäftsführerin vom 23. Februar 1995. Nach Ansicht der Geschäftsführerin seien durch den Kauf "sämtliche Rechte aus den Pachtverträgen und Eigentumsverhältnisse am Inventar (Betriebs- und Geschäftsausstattung) und dgl" auf die Beschwerdeführerin übergegangen. Dem Einwand, Mietrechte hätten nicht übertragen werden können, weil sie im Besitz der W-GmbH und an Banken verpfändet gewesen seien, werde entgegengehalten, dass die W-GmbH das von ihr gepachtete Freizeitzentrum (Verpächterin: Gemeinde H) mit Unterpachtvertrag vom 21. März 1988 auf unbestimmte Zeit der F-GmbH in Bestand gegeben habe. Die Bezahlung des Kaufpreises von 4,386.000 S inklusive Umsatzsteuer sei durch die Übernahme von Kreditverbindlichkeiten der F-GmbH erfolgt, weshalb die Beschwerdeführerin die prekäre finanzielle Lage dieser Gesellschaft habe kennen müssen. Der Wert der an die Beschwerdeführerin übertragenen Gegenstände übersteige den Haftungsbetrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 14 BAO lautet:

"Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.

Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen musste und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.

(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Konkursmasse, im Weg des Ausgleichsverfahrens (auch des fortgesetzten Verfahrens) oder der Überwachung des Schuldners durch Sachwalter der Gläubiger."

Eine Betriebsübertragung liegt bereits vor, wenn die wesentlichen Grundlagen des Betriebes übereignet werden. Bei einem Gastronomoniebetrieb gehören die Einrichtung, das Grundstück und das Gebäude zu den wesentlichen Grundlagen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1995, 95/14/0038). Gehört eine Liegenschaft zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes und wird sie im Zuge der Veräußerung aller übrigen wesentlichen Grundlagen zurückbehalten, so reicht es aus, wenn dem Erwerber unter Mitwirkung des Veräußerers die Nutzung an der Liegenschaft verschafft wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, 90/13/0017). Bei einem Schwimmbadbetrieb und bei einem Eislaufbetrieb zählen das Grundstück und die Baulichkeiten zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.

Die Haftung nach § 14 Abs. 1 BAO hat die Übertragung eines Betriebes oder eines Teilbetriebes zur Voraussetzung (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 14 Tz 4). Bei der Teilbetriebsübertragung kann sich die Haftung nur auf jene Abgaben erstrecken, die zu diesem Teilbetrieb einen Zusammenhang der in § 14 Abs. 1 BAO angeführten Art aufweisen.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie habe keine Bestandrechte erhalten, was sie im Verwaltungsverfahren auch eingewendet habe. Sie sei in der Folge gezwungen gewesen, die titellos genützten Restauranträumlichkeiten zu räumen und der Eigentümerin zu übergeben. Die belangte Behörde habe die Feststellung, mit dem Kauf der Geschäftsausstattung sei auch das Bestandrecht am Geschäftslokal auf die Beschwerdeführerin übertragen worden, ausschließlich auf die Aussage der Geschäftsführerin vom 23. Februar 1995 gestützt.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat die belangte Behörde die Feststellung betreffend die Übertragung der Bestandrechte auch, und zwar zum wesentlichen Teil, aus dem Umstand abgeleitet, dass die Beschwerdeführerin die Restauranträume tatsächlich genutzt und das Restaurant weiterbetrieben hat. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde hält der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand. Die belangte Behörde konnte aus dem tatsächlichen Betreiben des Restaurants durch die Beschwerdeführerin den Schluss ziehen, dass die Beschwerdeführerin die Nutzungsmöglichkeit an den betreffenden Gebäudeteilen hatte. Das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe das Restaurant in der Folge räumen und dem Eigentümer übergeben müssen, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar. Ob die F-GmbH allerdings zur Verschaffung der Verfügungsmacht beigetragen hat, ist von der belangten Behörde nicht festgestellt worden. Es mangelt daher an der Feststellung eines für die Subsumtion des Sachverhaltes unter den Tatbestand des § 14 Abs. 1 BAO wesentlichen Elementes.

Im gegenständlichen Fall ist weiters von Bedeutung, dass die F-GmbH nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ein Restaurant, ein Schwimmbad und einen Eislaufplatz betrieben und ihr gesamtes Anlagevermögen an die Beschwerdeführerin übertragen hat. Die Abgabenschuld, für welche die Beschwerdeführerin zur Haftung herangezogen worden ist, besteht in dem noch unberichtigten Teil der Umsatzsteuerschuld aus dieser Veräußerung des gesamten Anlagevermögens (sowie einem Säumniszuschlag), somit nicht nur aus der Veräußerung von Vermögen des Restaurantbetriebes. Da der angefochtene Bescheid aber keine Ausführungen zur Übertragung der wesentlichen Grundlagen des Schwimmbad- und Eislaufplatzbetriebes enthält, mangelt es ihm an einer ordnungsgemäßen Begründung. Eine Bescheidbegründung hat nämlich u.a. den Sachverhalt anzuführen, den die Behörde für erwiesen annimmt, und die rechtliche Beurteilung darzustellen, nach welcher die Behörde die Tatbestandsverwirklichung für gegeben erachtet. Hinsichtlich der Umsatzsteuerschuld aus der Übertragung von nicht dem Restaurantbetrieb zuzuordnendem Vermögen ist diesen Anforderungen an eine Bescheidbegründung nicht entsprochen.

Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 16. Dezember 1999

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