VwGH 96/15/0018

VwGH96/15/001827.5.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der O Ges.m.b.H. in H, vertreten durch Dr. Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwarzenbergstraße 8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Dezember 1995, Zl. GA 17-92/4112/14, betreffend Kapitalertragsteuer für die Jahre 1984 und 1986, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
EStG 1972 §25 Abs1 Z1;
EStG 1972 §27 Abs1 Z1;
EStG 1972 §47 Abs1;
EStG 1972 §93 Abs1 Z1;
GmbHG §15;
GmbHG §18 Abs1;
KStG 1966 §8 Abs1;
BAO §80 Abs1;
EStG 1972 §25 Abs1 Z1;
EStG 1972 §27 Abs1 Z1;
EStG 1972 §47 Abs1;
EStG 1972 §93 Abs1 Z1;
GmbHG §15;
GmbHG §18 Abs1;
KStG 1966 §8 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Betriebsgegenstand der Beschwerdeführerin besteht im Handel und in der Reparatur von Kraftfahrzeugen. An deren Stammkapital waren zu 25 % M und zu 75 % die W-Ges.m.b.H. beteiligt. M war durch Gesellschaftsvertrag vom 11. August 1982 zum alleinigen Geschäftsführer bestellt worden.

Anfang Februar 1987 erlangten die Organe der beteiligten W-Gesellschaft auf Grund einer Inventur davon Kenntnis, dass M zum Betriebsvermögen der Beschwerdeführerin gehörende Gebrauchtwagen im Jahr 1984 im Wert von S 225.000,-- und im Jahr 1986 im Wert von S 733.455,-- verkauft und die dabei erzielten Barerlöse nicht in die Buchhaltung der Beschwerdeführerin aufgenommen und sich dadurch ungerechtfertigt bereichert hatte.

In der Folge wurde zum einen im Jahresabschluss vom 31. Dezember 1986 die Forderung der Beschwerdeführerin an M in der Gesamthöhe von S 958.455,-- eingestellt und vereinbart, dass dieser seine Geschäftsführertätigkeit sofort einstelle. Schließlich wurde durch Notariatsakt vom 15. Mai 1987 zwischen der W-Ges.m.b.H. und M die Abtretung der Anteile des M an die W-Ges.m.b.H. fixiert. Der Abtretungspreis bestand aus der Minderung des Schuldsaldos des M von S 700.655,-- gegenüber der Beschwerdeführerin. Eine aus dem von M zugefügten Schaden nach Gegenverrechnung mit dem Kaufpreis des übertragenen Anteiles verbleibende Forderung der Gesellschaft gegenüber M in der Höhe von S 257.800,-- stand in der Folge trotz Einbringungsmaßnahmen noch aus.

Auf Grund dieses Sachverhaltes wurde bei einer für die Jahre 1986 bis 1989 durchgeführten Betriebsprüfung davon ausgegangen, dass verdeckte Gewinnausschüttungen an M in einer Höhe von S 225.000,-- für das Jahr 1984 und S 733.455,-- für das Prüfungsjahr 1986 vorlägen, da sowohl die objektiven (Bereicherung des Gesellschafters M durch die Entnahme von Verkaufserlösen) als auch die subjektiven Kriterien (Willensentscheidung der Gesellschaft durch den gesetzlichen Vertreter M) für eine verdeckte Gewinnausschüttung erfüllt seien. Eine vollzogene verdeckte Gewinnausschüttung könne nicht rückgängig gemacht werden und eine nachträgliche Korrektur sei entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 86/14/0189, nur bis zum Bilanzstichtag möglich, weswegen eine solche nachträgliche Korrektur im Beschwerdefall unerheblich bleiben müsse.

Das Finanzamt folgte den Ausführungen des Prüfers und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren zwei Haftungs- und Zahlungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer für 1984 in einer Höhe von S 45.000,-- und für das Jahr 1986 in einer Höhe von S 146.691,--.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass sofort nach Bekanntwerden des Vorfalles im Februar 1987 ohnehin die Forderung der W-Gesellschaft gegenüber M in die Bilanz vom 31. Dezember 1986 entsprechend bestehender handelsrechtlicher Bewertungsvorschriften eingestellt worden sei, sodass es zu keiner auf Gesellschafterebene verursachten Vermögensverschiebung im Geschäftsjahr 1986 gekommen sei. Ferner sei die Erfüllung der Kriterien des Wissens und Wollens um die verdeckte Gewinnausschüttung sowohl beim Geschäftsführer als auch bei der Generalversammlung notwendig, was aber im konkreten Fall nicht vorgelegen sei.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und führte im Wesentlichen aus, dass die Willensbildung und Setzung der Rechtshandlungen bei juristischen Personen ihren vertretungsberechtigten Organen zukomme. Demnach sei die juristische Person nur durch natürliche Personen - bei der GesmbH durch den Geschäftsführer - handlungsfähig. Ein Wissen und Wollen der Gesellschaft sei daher gleichbedeutend mit dem Wissen und Wollen ihrer vertretungsberechtigten Organe.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung könne nur angenommen werden, wenn die Vermögensminderung auf einer Rechtshandlung der Kapitalgesellschaft, das sei eine Rechtshandlung ihrer Organe, beruhe. Dies sei im gegenständlichen Fall verwirklicht worden. Es sei nämlich unbestritten, dass der Geschäftsführer M in den Jahren 1984 und 1986 Verkaufserlöse vereinnahmt und nicht ordnungsgemäß dem Betrieb zugeführt, sondern sich persönliche Vermögensvorteile verschafft habe. Da M mit Gesellschaftsvertrag vom 11. August 1982 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt worden sei, habe er über die Verkaufserlöse zu seinen Gunsten verfügen können. Dieses Handeln des Geschäftsführers sei der Gesellschaft zuzurechnen. Daher lägen Wissen und Wollen der Gesellschaft vor und die Vermögensvermehrung sei auf eine Rechtshandlung der Gesellschaft zurückzuführen, weswegen eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben sei.

Ferner sei - unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 86/14/0179, - eine Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung nur bis zum Bilanzstichtag möglich. Änderungen, die danach vorgenommen würden, könnten aufgrund des steuerlichen Rückwirkungsverbotes keine entsprechende Wirkung entfalten. Da die Rückforderung erst im Februar 1987 erfolgt sei, demnach nach dem Bilanzstichtag zum 31. Dezember 1986, hätte dadurch die bewirkte verdeckte Gewinnausschüttung steuerlich nicht mehr beseitigt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin wendet im Wesentlichen ein, dass entgegen der Annahme der Behörde der subjektive Wille des Geschäftsführers nicht mit jenem der Gesellschaft gleichzusetzen sei, umso mehr, als dieser lediglich ein Minderheitsgesellschafter gewesen sei. Denn gemäß § 35 GmbHG unterliege der Gesamtheit der Gesellschafter die Beschlussfassung über die Prüfung und Feststellung des Jahresabschlusses, die wiederum Voraussetzung für die Verteilung eines allfälligen Bilanzgewinnes sei. In der Folge müsste den Gesellschaftern auch bei der Willensbildung für die Genehmigung einer verdeckten Gewinnausschüttung eine entsprechende Rolle zukommen. Auch § 35 Abs. 1 Z. 6 GmbHG, wonach über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Geschäftsführung gegen Geschäftsführer zwingend die Gesellschafter zu entscheiden hätten, spräche für diese Auslegung. Ein Geschäftsführer könne daher niemals eine Willensentscheidung der GesmbH hinsichtlich der Genehmigung einer verdeckten Gewinnausschüttung herbeiführen. Vielmehr läge eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Gesellschaft nur dann vor, wenn die Gesellschafter als gesellschaftsrechtliches Organ zustimmten, was wohl auch konkludent möglich sei. Im konkreten Fall habe aber die Gesellschaft nach Bekanntwerden der ungerechtfertigten Vorteilszuwendung sofort Rückforderungsansprüche gegenüber dem Gesellschafter M geltend gemacht. Da eine verdeckte Gewinnausschüttung erst im Zeitpunkt des Verzichts auf den Rückforderungsanspruch vorläge, habe die belangte Behörde zu Unrecht eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung versteht man alle nicht ohne weiteres als Ausschüttung erkennbaren Zuwendungen (Vorteile) einer Körperschaft an die unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen, die zu einer Gewinnminderung bei der Körperschaft führen und die dritten, der Körperschaft fremd gegenüberstehenden Personen nicht gewährt werden (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 90/13/0155, mwN). Subjektive Voraussetzung für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft, wobei sich die Absicht der Vorteilsgewährung schlüssig aus den Umständen des Falles ergeben kann, was etwa auch dann zu unterstellen ist, wenn die Gesellschaft nach Kenntnis des vom Gesellschafter in Anspruch genommenen Vorteils nichts unternimmt, um ihn rückgängig zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/14/0080).

Es bedarf somit zur Verwirklichung einer verdeckten Gewinnausschüttung rechtlich eines der Gesellschaft zuzurechnenden Verhaltens des geschäftsführenden Organs, welches, bestehe es auch in einem bloßen Dulden oder Unterlassen, den Schluss erlaubt, dass die durch ihre Organe vertretene Gesellschaft die Entnahme von Gesellschaftsvermögen durch den Gesellschafter akzeptiert habe (vgl. das zit. Erk. Zl. 90/13/0155).

Grundsätzlich bringt es die umfassende Vertretungsmacht des geschäftsführenden Organs mit sich, dass auch Rechtshandlungen, die keinen rechtsgeschäftlichen Charakter im engen Sinn des Wortes haben, und auch sogenannte Realakte bis hin zu deliktischem Verhalten die Gesellschaft berechtigen und verpflichten, wobei nur Voraussetzung ist, dass der Geschäftsführer sein Verhalten in seiner Eigenschaft als Organ der Gesellschaft gesetzt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 1995, Zl. 92/13/0061, und vom 24. Oktober 1995, Zl. 95/14/0058, worin dies für das Handeln eines vertretungsbefugten Organs eines Vereines und einer AG bejaht wurde).

Wird ein derartiger Realakt nicht durch einen Geschäftsführer, sondern einen nichtgeschäftsführungsbefugten Gesellschafter ausgeführt, so liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die Gesellschaft (vertreten durch das in Betracht kommende Organ) sich mit den Entnahmen einverstanden erklärt hat oder die Entnahmen nicht zurückfordert (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 85/14/0080 mit Hinweisen auf deutsche Lehre und Rechtsprechung).

Vorliegend hat sich der vertretungsbefugte Gesellschafter einen ungerechtfertigten Vorteil in Ausnützung seiner Eigenschaft als Organ (Geschäftsführer) der Gesellschaft verschafft. Im Gegensatz zu den ein deliktisches Verhalten des geschäftsführenden Organs betreffenden Erkenntnissen Zlen. 92/13/0061 und 95/14/0058 fehlt es hier jedoch an einer nach außen, einem Dritten gegenüber gerichteten Handlung. Nur eine solche wäre unter dem Gesichtspunkt des Handelns für einen anderen mit der Folge der Zurechnung dieser Handlung an den Vertretenen (die Gesellschaft) im Vollmachtsverhältnis zu berücksichtigen, nicht jedoch eine im Innenverhältnis die Gesellschaft schädigende Handlung.

Eine verdeckte Gewinnausschüttung läge dann nur im Verzicht auf die Geltendmachung oder Durchsetzung der aus der genannten deliktischen Handlung erfließenden Schadenersatzansprüche (Bauer/Quantschnigg, KStG 1988, § 8). Vorliegend kann ein solcher Verzicht jedoch nicht angenommen werden, weil - unbestritten - nach Bekanntwerden alle erforderlichen Handlungen zur Rückgängigmachung des Vorteiles gesetzt wurden.

Demgemäß können der Beschwerdeführerin keine verdeckten Gewinnausschüttungen zugerechnet werden. Die gegenständlichen Beträge werden vielmehr als Einkünfte des Geschäftsführers aus selbständiger Tätigkeit bzw. aus einem Dienstverhältnis zu qualifizieren sein.

Die belangte Behörde hat dadurch den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb die weiters angesprochene Frage des Zeitpunkts des Rückgängigmachens einer verdeckten Gewinnausschüttung dahinstehen kann.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich im Ausmaß von S 390,-- (drei Beschwerdegleichschriften S 360,-- und eine Bescheidausfertigung S 30,--) notwendig waren.

Wien, am 27. Mai 1999

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