VwGH 96/13/0103

VwGH96/13/010319.12.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zehetner, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 21. März 1996, GZ. GA 15-95/1342/05, betreffend u.a. Einkommensteuer 1984 bis 1988, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
BAO §184 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin der am 7. März 1990 verstorbenen (im Folgenden als Erblasserin bezeichneten) E.K..

Die Erblasserin verfügte über Grundbesitz und hatte für den Streitzeitraum neben anderen Einkünften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, insbesondere von Wohnungen in der Liegenschaft E-Straße in Wien, erklärt.

Im Zuge einer Prüfung der Aufzeichnungen (§ 151 Abs. 1 BAO) gelangte die Prüferin zum Ergebnis, dass acht Sparbücher der Erblasserin zuzurechnen seien. Anhand der mit 1. Jänner 1989 erzielten Einlagestände und der bekannten Eröffnungsdaten der Sparbücher wurden die Zinsengutschriften und Einzahlungen im Streitzeitraum geschätzt.

Diese Einzahlungen flossen in die von der Prüferin vorgenommene Vermögensdeckungsrechnung ein, aus der die Prüferin nicht erklärte Einkünfte in einer von ihr festgelegten Höhe errechnete. Die Prüferin ging von nicht erklärten Mietrechtsablösen aus.

Das Finanzamt folgte der Prüferin und setzte mit Bescheiden vom 30. Dezember 1994 u.a. die Einkommensteuer für 1984 bis 1987 fest, wobei frühere Einkommensteuerbescheide für diese Jahre mit Berufungsvorentscheidung vom 9. Oktober 1991 bereits aufgehoben worden waren. Weiters nahm das Finanzamt mit Bescheid vom 30. Dezember 1994 das Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer für 1988 wieder auf und setzte die Einkommensteuer für dieses Jahr neu fest. Die Bescheide des Finanzamtes verwiesen in der Begründung jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung und die darüber aufgenommene Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass keine Ablösen zuzuschätzen wären, weil "von ihr" grundsätzlich keinerlei Beträge bei der Vergabe von Wohnungen verlangt würden. Dies sei bei den Substandardwohnungen, um welche es sich handle, gar nicht möglich. Eine in der Beilage zur Berufung enthaltene Aufstellung weise Personen aus, die im Prüfungszeitraum eine Wohnung erhalten hätten, noch im Hause wohnten und als Zeugen befragt werden könnten. Zu den Sparbüchern brachte die Berufung vor, dass die Zuordnung an die Erblasserin nicht gerechtfertigt sei, es "vielmehr durch das Zusammenfallen widriger Umstände (siehe Vernehmungsprotokolle) zu einem Zusammenhang zwischen meiner Mandantin und den Sparbüchern" gekommen sei. In der Vermögensdeckungsrechnung sei von der Hinzurechnung der Einlagen Abstand zu nehmen. Auf Grund der sich dann ergebenden Vermögensdeckungsrechnung hätte die Erblasserin durchaus von ihren Einkünften leben können.

Eine Stellungnahme der Prüferin zur Berufung verwies im Wesentlichen auf die Prüferfeststellungen. Die Beschwerdeführerin hielt auf Vorhalt dieser Stellungnahme abermals fest, dass die Erblasserin keinerlei Ablösen oder sonstige Zahlungen für die Vergabe der Wohnungen verlangt hätte und dass die Zuordnung der Sparbücher nicht bewiesen worden sei. In einer neuerlichen Stellungnahme zu diesem Vorbringen ergänzte die Prüferin, dass die Ablösen vermutlich von Personen geleistet würden, die weder einen Mietvertrag besäßen noch ordnungsgemäß an der genannten Adresse gemeldet wären.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung (betreffend Einkommensteuer) als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde rechnete die Sparbücher der Erblasserin zu und begründete dies damit, dass die ursprüngliche Behauptung, die Sparbücher hätten dem K.T. gehört, durch dessen eigene Aussage widerlegt sei. Unglaubwürdig seien seine Aussagen, die Sparbücher hätten anderen Polen gehört und er sei lediglich Verwahrer gewesen. Unglaubwürdig sei dies deshalb, weil die Losungsworte auf die Erblasserin bzw. die Beschwerdeführerin hindeuteten, da es sich um die Vornamen der Erblasserin und der Beschwerdeführerin sowie um Liegenschaften handelte, welche der Erblasserin bzw. der Beschwerdeführerin gehört haben. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass Polen derartige Losungsworte verwendeten. Darüber hinaus sei es unwahrscheinlich, dass diese ihre Sparbücher dem K.T. und dieser sie der Erblasserin zur Verwahrung übergeben hätte. Da die Beschwerdeführerin die Herkunft der für die getätigten Transaktionen erforderlichen Mittel nicht habe aufklären können, sei davon auszugehen, dass diese Mittel aus nicht erklärten Mieteinnahmen stammten, allerdings nicht aus Mietrechtsablösen, sondern aus Mieteinnahmen von Personen, die keinen schriftlichen Mietvertrag abgeschlossen hätten und an der genannten Adresse auch nicht gemeldet wären. Die Zurechnung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei erfolgt, weil dies am Wahrscheinlichsten sei, zumal die Beschwerdeführerin solche Einkünfte bereits erklärt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche ausschließlich die Festsetzung der Einkommensteuer für den Streitzeitraum betrifft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Zurechnung der Sparbücher ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Unrichtigkeit in der Beweiswürdigung nur dann aufzugreifen hat, wenn sie zufolge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze oder das allgemeine menschliche Erfahrungsgut das Ausmaß einer Rechtsverletzung in der behördlichen Ermittlung der Sachverhaltsgrundlagen angenommen hat (vgl. jüngst etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zlen. 99/13/0025 und 0026). Wenn die belangte Behörde der ursprünglichen Behauptung der Beschwerdeführerin, "die Sparbücher sind mir von dem nach Polen zurückgereisten K.T. zur Verwahrung übergeben worden", und der Aussage des K.T., "die Sparbücher gehören anderen in Polen wohnenden Bekannten und ich habe keinen Zugriff", keinen Glauben geschenkt hat, weil es sich bei den Losungsworten der Sparbücher um die Vornamen der Erblasserin bzw. der Beschwerdeführerin bzw. um deren Liegenschaften handelte, und die Sparbücher deshalb der Erblasserin zurechnete, kann in der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung kein derartiger Fehler erkannt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass dann, wenn in einem mängelfreien Verfahren ein Vermögenszuwachs festgestellt wird, den der Abgabepflichtige nicht aufklären kann, die Annahme gerechtfertigt ist, dass der unaufgeklärte Vermögenszuwachs aus nicht einbekannten Einkünften stammt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. September 2000, Zl. 97/13/0143). Das Vorliegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses löst diesfalls die Schätzungsbefugnis der Behörde nach § 184 Abs. 2 BAO aus, wobei eine solche Schätzung in einer dem unaufgeklärten Vermögenszuwachs entsprechenden Zurechnung zu den vom Abgabepflichtigen erklärten Einkünften zu bestehen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2000, Zl. 95/14/0077, m.w.N.).

Im Beschwerdefall fehlt es jedoch an einem mängelfreien Verfahren zur Feststellung eines Vermögenszuwachses. Die Begründung des angefochtenen Bescheides erschöpft sich in der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin die Herkunft der für die getätigten Transaktionen erforderlichen Mittel nicht habe aufklären können, und geht dabei von den "Prüferfeststellungen" aus, dass "für den Zeitraum 1984 bis inklusive 1988 keine Aufzeichnungen vorliegen" und daher "die Zinsgutschriften dieser Jahre und die für den per 1.1.1989 erreichten Guthabensstand notwendigen Einzahlungen im Schätzungsweg ermittelt" worden seien. Eine in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene Übersicht lässt erkennen, dass die Prüferin von einem Stand von 0,-- bei Eröffnung des jeweiligen Sparbuchs (im Jahr 1973 bzw. 1975 bzw. 1976 bzw. 1978) ausgehend jährlich gleich bleibende Zuwächse, bestehend aus steigenden Zinsenbeträgen und fallenden Einzahlungen, bis zum (von der Bank bekannt gegebenen) am 1. Jänner 1989 erreichten Guthaben auf den Sparbüchern angenommen hat. Die belangte Behörde bleibt jegliche Erklärung schuldig und aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist keinerlei Anhaltspunkt ersichtlich, weshalb der Guthabensstand zum 1. Jänner 1989 auf diese Weise erreicht worden sei und nicht etwa schon in den (bis zu zehn) Jahren vor Beginn des Streitzeitraumes höhere Einzahlungen getätigt und höhere Guthaben erreicht worden wären.

Die der Erblasserin zugerechneten Einzahlungen auf die Sparbücher im Streitzeitraum können daher nicht als in einem mängelfreien Verfahren ermittelt angesehen werden, fanden jedoch in dieser Höhe in die vorgenommene Vermögensdeckungsrechnung Eingang.

Damit hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Es erübrigt sich, auf die weitere Verfahrensrüge hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen Einkunftsquelle einzugehen.

Da der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist, war er im Umfang seiner Anfechtung (betreffend Einkommensteuer 1984 bis 1988) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. Dezember 2001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte