VwGH 96/12/0214

VwGH96/12/021424.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell sowie die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der A in P, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Mai 1996, Zl. 1 - 500272/Pens.-96, betreffend Zurechnung nach § 9 PG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §52;
AVG §60;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1 idF 1985/426;
PG 1965 §9 Abs1;
VwRallg;
AVG §39 Abs2;
AVG §52;
AVG §60;
BDG 1979 §14 Abs1 Z1;
BDG 1979 §14 Abs3;
PG 1965 §36 Abs1;
PG 1965 §9 Abs1 idF 1985/426;
PG 1965 §9 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1937 geborene Beschwerdeführerin steht als Oberlehrerin i. R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark; sie war bis zu ihrer mit Wirkung vom 30. April 1996 erfolgten Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LLDG) als Lehrerin der Verwendungsgruppe L3 mit "Praxisunterricht in Nähen und Werken" in der einjährigen ländlichen Haushaltungsschule St. Martin-Friedberg, Steiermark, tätig.

Mit Schreiben vom 18. April 1996 beantragte die Beschwerdeführerin im Zuge ihres Pensionierungsverfahrens die Zurechnung von Jahren wegen Erwerbsunfähigkeit, weil sie auf Grund ihres Alters, ihres Krankheitszustandes und ihrer Leiden erwerbsunfähig sei.

Die belangte Behörde entschied mit dem angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Ihrem Antrag vom 18. April 1996 auf Zurechnung von Jahren zu Ihrer ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit kann gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340/1965, in Verbindung mit § 2 Absatz 1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes, LGBl. Nr. 124/1974, in der jeweils geltenden Fassung nicht stattgegeben werden."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des § 9 Abs. 1 PG 1965 und Hinweis auf den Antrag der Beschwerdeführerin weiter ausgeführt, die bei der Behörde vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten seien einer nochmaligen Beurteilung unterzogen worden. Wie aus der abschließenden Beurteilung des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. Peter W., praktischer Arzt in Graz, vom 14. März 1996 hervorgehe, sei der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin zwar soweit eingeschränkt, daß eine Dienstfähigkeit für die volle Ausübung ihres Dienstpostens als Oberlehrer nicht gegeben sei. Sie sei jedoch als ausgebildete Schneidermeisterin in der Lage, Näharbeiten auch zu Erwerbszwecken durchzuführen. Dies würde zwar nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses mit zeitlichen Vorgaben, wohl aber z.B. auf Werkvertragsbasis möglich sein, wo die Tätigkeit je nach "Beinbeschwerden" frei eingeteilt und ohne Zeitdruck durchgeführt werden könne. Aus den Feststellungen des ärztlichen Sachverständigen habe die im Spruch getroffene Entscheidung abgeleitet werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Zurechnung von Jahren zu ihrer ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit nach § 9 Abs. 1 PG 1965 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes durch unrichtige Anwendung der erstgenannten Norm, sowie der Vorschrift über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wird vorgebracht, die Bescheidbegründung zur Frage der Erwerbsfähgikeit der Beschwerdeführerin beschränke sich auf einen Absatz im Ausmaß von acht Zeilen. Abgesehen vom Wort "Beinbeschwerden" werde der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin bzw. dessen Beeinträchtigung überhaupt nicht dargestellt. Es sei daher nicht nachvollziehbar, ob die Behauptung hinsichtlich der angeblich verbliebenen Leistungsfähigkeit, nämlich daß die Beschwerdeführerin Näharbeiten zu Erwerbszwecken durchführen könne, folgerichtig aus den Annahmen über ihren Gesundheitszustand bzw. dessen Beeinträchtigung ableitbar sei. Weiters sei völlig unklar, in welchem zeitlichen Umfang diese "Näharbeiten" von gesundheitlicher Seite her gesehen als zumutbar betrachtet worden seien. Der Beschwerdeführerin sei auch nicht bekannt, ob diese Mängel auf die angeführten ärztlichen Beurteilungen zurückzuführen seien, da ihr diese bisher nicht zur Kenntnis gebracht worden seien, worin ohne Zweifel ein Mangel der Gewährung des Parteiengehörs liege. Die Beschwerdeführerin sei dadurch daran gehindert gewesen darzulegen, daß sie selbst zu den behördlicherseits angenommenen Erwerbstätigkeiten in Form von Werkverträgen jedenfalls nicht in einem erheblichen Ausmaß gesundheitlich in der Lage gewesen wäre.

Selbst unter Beachtung der schwerwiegenden Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides sei aber noch erkennbar, daß die belangte Behörde auch von einer unrichtigen materiell-rechtlichen Beurteilung ausgegangen sei. Wer gesundheitlich in einem solchen Grade wie die Beschwerdeführerin beeinträchtigt sei, daß er im Rahmen seines Dienstverhältnisses nicht mehr einsetzbar gewesen sei, der könne auch eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit nicht ausüben. Durch diese Arten von Erwerbstätigkeiten würden nämlich Anforderungen gestellt, die in der Summe regelmäßig mindestens so groß seien, wie diejenigen im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Angesichts dessen sei es besonders "nebulös", welche Erwerbsmöglichkeit die belangte Behörde mit dem Hinweis auf die Durchführbarkeit von Werkverträgen der Beschwerdeführerin unterstellen wolle. Es bleibe im Dunkeln, von wem die Beschwerdeführerin solche Werkverträge erhalten solle, welches Ausmaß diesbezüglich vorzustellen sei, ob allenfalls an "Schwarzarbeit" gedacht sei, weil die Möglichkeit einer entsprechenden Gewerbeausübung nicht behauptet werde. Jeder Anhaltspunkt fehle dahingehend, ob mit einer solchen Tätigkeit ein Einkommen erzielt werden könne oder nicht. Nach dem Gesetzessinn könne es keinen Zweifel daran geben, daß ein Einkommen in einem erheblichen Ausmaße erforderlich wäre, der mindestens den Einkommensverlust durch die frühzeitige Pensionierung ausgleichen müsse. Nach der wirtschaftlichen Realität sei es eine völlige Illusion, daß die Beschwerdeführerin durch allfällige Zufallsaufträge ein nennenswertes Einkommen erzielen könnte oder daß sie angesichts der vielen nicht im Arbeitsprozeß stehenden nähkundigen Frauen über einen engsten Kreis hinaus Werkverträge eingehen könnte. Es sei daher trotz der dargestellten Verfahrensmängel völlig offenkundig, daß der Beschwerdeführerin in Wahrheit ein zumutbarer Erwerb im Sinne des Gesetzes unmöglich sei; dies selbst dann, wenn grundsätzlich ein Erwerb durch Näharbeiten in Betracht gezogen würde. Eine solche Tätigkeit sei der Beschwerdeführerin aber auch der Art nach nicht zumutbar. Ihre Ausbildung als Schneiderin stelle zwar eine der Grundlagen für ihre Lehrertätigkeit dar, diese enthalte jedoch eine zusätzliche Qualifikation und eine entsprechende höhere soziale Stellung. Die belangte Behörde selbst spreche nicht einmal von Schneiderei - welche sozial- und einkommensmäßig auch sehr niedrig eingestuft sei - sondern nur von "Näharbeiten", eine Tätigkeit, die ein Großteil der Frauen beherrsche und für die es dementsprechend kaum einen "Markt" gebe, sondern die aus diesem Grunde auch in ihrer beruflich-sozialen Einstufung der Hilfsarbeit gleichzusetzen sei. Das dafür bezahlte Entgelt sei im übrigen sowohl im nachbarschaftlichen Bereich (Schwarzarbeit) wie auch im gewerblichen und industriellen Bereich auf der untersten Ebene gelegen.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Vorweg ist festzustellen, daß es sich bei der Beschwerdeführerin um eine land- und forstwirtschaftliche Landeslehrerin handelt, auf deren Dienst(Pensions)verhältnis das LLDG 1985, BGBl. Nr. 296, Anwendung findet. Nach dessen § 114 Abs. 1 Z. 2 gilt für diesen Personenkreis das PensionsG 1965, und zwar nach Abs. 2 in der jeweils geltenden Fassung. Es ist daher § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, in der Fassung der 8. Pensionsgesetznovelle, BGBl. Nr. 426/1985 (PG 1965) - entgegen dem Spruch des angefochtenen Bescheides aber nicht auf Grundlage des Steiermärkischen Landesbeamtengesetzes - anzuwenden.

Diese Bestimmung lautet:

"(1) Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch 10 Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 PG 1965 die Auffassung, daß die Behörde die in einem Verfahren nach der genannten Gesetzesstelle entscheidende Rechtsfrage, ob der Beamte noch "zu einem zumutbaren Erwerb" fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen hat; hiebei hat sie zunächst auf Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Sachverständigengutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können. Letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung.

In einem dem Standpunkt des Beamten nicht vollinhaltlich Rechnung tragenden Bescheid nach § 9 Abs. 1 PG 1965 hat die Behörde entsprechend den §§ 58 Abs. 2 und 60 AVG und § 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 in einer sowohl die Wahrnehmung der Rechte durch den Beamten als auch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, beispielsweise Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Erwerbsfähigkeit bedeutet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in der Lage zu sein, durch eigene Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Lebensunterhalt zu verdienen. Diese Fähigkeit ist abstrakt zu beurteilen; es kommt aber darauf an, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Einsatzfähigkeit in den bestimmten Tätigkeiten vorliegen. Hiebei ist auch zu berücksichtigen, ob die Einsatzfähigkeit auch im Hinblick auf die üblichen Erfordernisse in der Arbeitswelt (z.B. Einhaltung der Arbeitszeit oder Fähigkeit zur Selbstorganisation) gegeben ist. Die Erwerbsfähigkeit setzt jedenfalls eine im Arbeitsleben grundsätzlich notwendige gesundheitliche durchgehende Einsatzfähigkeit voraus (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1994, Zl. 93/12/0150).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zwar die Begriffe der Dienstunfähigkeit und der Erwerbsunfähigkeit nicht deckungsgleich, sondern handelt es sich bei der Erwerbsunfähigkeit um den weiteren Begriff; dies schließt aber nicht aus, daß medizinische Gutachten, die im Ruhestandsversetzungsverfahren herangezogen wurden, auch im Verfahren nach § 9 Abs. 1 PG 1965 zu berücksichtigen und die dort festgestellten Leidenszustände (sofern sie medizinisch fundiert sind) in die Überlegungen miteinzubeziehen sind (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 91/12/0025, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid - wie die Beschwerde zutreffend darlegt - bei weitem nicht gerecht.

Es ist dem angefochtenen Bescheid insbesondere nicht zu entnehmen, von welchem Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin die belangte Behörde überhaupt ausgegangen ist. Der Hinweis auf die nochmalige Beurteilung der "vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten" und die abschließende Beurteilung durch einen namentlich genannten gerichtlich beeideten Sachverständigen können die belangte Behörde nicht von der verfahrensrechtlichen Verpflichtung entbinden, den entscheidenden Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren zu erheben, der Beschwerdeführerin dazu Parteiengehör zu gewähren und in der Begründung den für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Da der Beschwerdeführerin zu den ärztlichen Gutachten unbestritten das Parteiengehör nicht eingeräumt wurde, kann die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift hiezu vertretene Auffassung, sie wäre nicht verpflichtet gewesen, das ärztliche Gutachten in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiederzugeben, und es handle sich bei ihrer Entscheidung um eine reine Rechtsfrage, bei der kein Parteiengehör vorgesehen sei, nicht nachvollzogen werden. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß der von der Behörde vorzunehmenden rechtlichen Beurteilung die Feststellung des wahren Sachverhaltes unter Einräumung des Parteiengehörs voranzugehen hat. Die Beschwerdeführerin führt diesbezüglich aus, daß sie mangels Parteiengehörs verhindert war, "eine Präzisierung zu veranlassen bzw. zu erwirken, daß den Tatsachen entsprechend erwiesen wird, daß ich selbst zu der bereits angegebenen Erwerbstätigkeit in Form von "Werkverträgen" jedenfalls in einem erheblichen Ausmaß gesundheitlich nicht in der Lage bin".

Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, erweist sich der angefochtene Bescheid jedenfalls mit einer relevanten Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Soweit der mangelhaften Begründung des angefochtenen Bescheides weiters entnommen werden kann, liegt aber auch offensichtlich eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor, weil die belangte Behörde von einer falschen Rechtsauffassung hinsichtlich der aus § 9 Abs. 1 PG 1965 folgernden Notwendigkeit zur Auseinandersetzung sowohl mit der Frage der Erwerbsfähigkeit als auch der Zumutbarkeit ausgegangen ist. Dem Grunde nach zutreffend zieht die belangte Behörde bei der Beschwerdeführerin, bei der die persönlichen Voraussetzungen für die Ausübung ihres erlernten Berufes in Form eines sogenannten freien Dienstvertrages (- in diesem Sinne ist beim gegebenen Zusammenhang der verwendete Begriff "Werkvertrag" zu verstehen -) gegeben sind (- die Beschwerdeführerin ist gelernte Schneidermeisterin -), diese Form der Erwerbsmöglichkeit mit in Betracht. Selbstverständlich ist aber auch eine solche Erwerbstätigkeit, nämlich in Form eines freien Dienstvertrages, näher, nämlich entsprechend einem Berufsbild bzw. einem berufskundlichen Gutachten, zu spezifizieren, um auch diesbezüglich sowohl die gesundheitliche Eignung als auch die Zumutbarkeit dieser Erwerbsmöglichkeit überprüfen zu können. Dies ist aber im Beschwerdefall nicht erfolgt. Die Zumutbarkeit von "Näharbeiten zu Erwerbszwecken" wird von der belangten Behörde bezogen auf die seinerzeitige Tätigkeit der Beschwerdeführerin als selbstverständlich vorausgesetzt. Diese Auffassung teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht, weil für die Zumutbarkeit neben der Vorbildung doch entscheidend ist, welche soziale Geltung einer beruflichen Tätigkeit in der Gesellschaftsordnung beigemessen wird (vgl. auch Erkenntnis vom 9. April 1970, Slg. Nr. 7775/A). Der Beschwerdeführerin als ehemaliger L3-Lehrerin und gelernter Schneidermeisterin wird allenfalls eine qualifizierte Tätigkeit in diesem Bereich, nicht aber jegliche Gelegenheitsarbeit als "Flickschneiderin" in diesem Sinne zumutbar sein. Letztlich hat sich die belangte Behörde auch mit der Frage der sonstigen persönlichen Lebensumstände der Beschwerdeführerin überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Da die belangte Behörde die notwendigen Erhebungen und Feststellungen, offenbar ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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