Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 15. April 1996 wurde der Beschwerdeführer wegen Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz in vier Fällen bestraft. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Nach Ausweis des vorgelegten Verwaltungsaktes wurde am 30. November 1995 das Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eingeleitet. Mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 12. März 1996 wurde der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung aufgefordert. Dieses Schreiben wurde unter der Anschrift W-Dorf, Hauptstraße nn, am 15. März 1996 nach erfolglosem Zustellversuch postamtlich hinterlegt und am 5. April 1996 als nicht behoben an die Behörde erster Instanz retourniert. Das daraufhin ergangene Straferkenntnis vom 15. April 1996 wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch am 25. April 1996 unter der Anschrift W-Dorf, Hauptstraße nn, noch am selben Tag für den Beschwerdeführer postamtlich hinterlegt. Auch diese Sendung wurde am 14. Mai 1996 als nicht behoben an die Behörde erster Instanz retourniert.
Mit Schreiben vom 30. Juli 1996, bei der Behörde erster Instanz eingelangt am 1. August 1996, erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen das Straferkenntnis vom 15. April 1996 und brachte dazu vor, er habe diesen Bescheid (Straferkenntnis) nie persönlich erhalten, noch gesehen, noch Kenntnis darüber erhalten. Seit dem 28. Oktober 1995 habe er sich um seine Großmutter M J gekümmert, da sein Großvater an diesem Tage verstorben sei. Er habe sich ständig bei seiner Großmutter in W befunden, wohin er weder Post noch Information über irgendwelche Vorgänge, seine Person betreffend, bekommen habe. Nach dem Begräbnis seines Großvaters habe er sich in die Firma begeben, wo man ihm erklärt habe, er habe da aus vielen, nicht näher dargelegten Gründen, nichts mehr zu tun. Offiziell sei er am 18. Jänner 1996 abgemeldet worden, habe schon vorher aber keine Handlungsvollmacht für die Firma mehr gehabt, da seine Mutter N S die alleinige Entscheidungsbefugnis für sich in Anspruch genommen habe. Wäre er rechtzeitig über den Vorgang und die damit verhängten Strafen informiert worden, wäre er bemüht gewesen, diese termingerecht zu behandeln. Dieser Berufung legte der Beschwerdeführer Kopien des Auszuges aus dem Sterbebuch, der Todesbestätigung, der Parte betreffend seinen Großvater sowie eine Bestätigung seiner Großmutter über die von ihm erbrachte Pflegeleistung ab 28. Oktober 1995 bei.
Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers im wesentlichen damit, dieser habe nur geltend gemacht, "zum Zeitpunkt der Hinterlegung des erstinstanzlichen Bescheides vom gewöhnlichen Aufenthaltsort vorübergehend abwesend gewesen zu sein, weil er sich bei seiner Großmutter in W aufgehalten habe, um welche er sich nach dem Tod seines Großvaters gekümmert hätte" und erachtete dieses Vorbringen nicht als geeignet, einen Zustellmangel aufzuzeigen, der die erfolgte Hinterlegung unzulässig gemacht hätte, weil eine in diesem Sinne relevante vorübergehende Abwesenheit nur dann vorliege, wenn der Empfänger dadurch behindert sei, Zustellvorgänge wahrzunehmen, wie etwa im Falle einer Reise, eines Urlaubes oder eines Krankenhausaufenthaltes. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe sich um seine Großmutter kümmern müssen, weshalb er keine Zeit gefunden hätte, sich über Vorgänge seine Person betreffend zu informieren, stelle eine Abwesenheit dar, die einer beruflichen Abwesenheit von der Wohnung während des Tages gleichzuhalten sei; es liege also keine vorübergehende Abwesenheit vor. Ausgehend vom Tag der Zustellung durch Hinterlegung am 25. April 1996 habe die Rechtsmittelfrist am 9. Mai 1996 geendet, sodaß die erst am 31. Juli 1996 zur Post gegebene Berufung offensichtlich verspätet gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation des Begriffes der Ortsabwesenheit, insbesondere aber auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gegen die unrichtige Zitierung seiner Berufungsausführungen und ergänzte diese durch die mit Urkunden belegte Behauptung, er habe sich vom 24. April 1996 bis zum 21. Mai 1996 im Ausland befunden.
Zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf, daß auf letzteres Vorbringen im Sinne des § nn VwGG und dem daraus abgeleiteten Neuerungsverbot nicht einzugehen war. Die Beschwerde erweist sich aber dennoch als berechtigt.
Die Behörde hat, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist, und das Ergebnis ihrer Ermittlungen dem Rechtsmittelwerber vor ihrer Entscheidung vorzuhalten. Hiebei hat die Behörde nach § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen vorzugehen, zumal der Berufungswerber nicht verpflichtet ist, von vornherein alle Umstände anzuführen, aus denen er die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ableitet. Wird dies von der Rechtsmittelbehörde unterlassen, trägt sie das Risiko einer Bescheidaufhebung wegen unterlaufener Verfahrensmängel (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, Seite 1258, wiedergegebene Judikatur). Wohl macht ein von einem Postbediensteten ordnungsgemäß ausgestellter Rückschein über die Zustellung eines Poststückes durch Hinterlegung als öffentliche Urkunde Beweis über die Rechtswirksamkeit der Zustellung, es ist aber möglich, als Empfänger Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen. Dabei ist es Sache des Empfängers, konkrete Umstände vorzubringen, aus denen sich eine Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der Zustellung ergeben könnte.
Dieser ihn treffenden Mitwirkungspflicht ist der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nachgekommen, indem er nicht nur behauptet hat, seit 28. Oktober 1995 ständig in W bei seiner Großmutter aufhältig gewesen zu sein, sondern auch jeglicher Funktion im Betrieb entkleidet und mit 18. Jänner 1996 auch als Geschäftsführer abgemeldet worden zu sein, was im Hinblick darauf beachtlich erscheint, daß die Zustellanschrift die Betriebsstätte war (die Privatanschrift des Beschwerdeführers ist nach Ausweis des Aktes der Behörde erster Instanz in S, B-Straße 194). Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, allenfalls durch Anfrage beim zuständigen Postamt zu klären, dank welcher Umstände der Zusteller dennoch Grund zur Annahme zu haben glaubte, die Abgabestelle werde vom Beschwerdeführer noch regelmäßig benützt. Dabei hätte auch die Tatsache Berücksichtigung finden müssen, daß die vorausgegangenen behördlichen Postsendungen als nicht behoben zurückgestellt worden waren.
Insoweit die Behörde von einer "so gut wie" ständigen Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers von der Abgabestelle ausgeht, entfernt sie sich vom Akteninhalt. Dem Wortlaut der Berufung ist ein "ständiger" Aufenthalt in W zweifelsfrei zu entnehmen. Ausgehend von der unrichtigen Wiedergabe des Berufungsvorbringens beurteilte die belangte Behörde den Begriff der Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers als "mit einer beruflichen Abwesenheit von der Wohnung während des Tages" vergleichbaren, die Zustellung nicht hindernden Abwesenheit. Unter Zugrundelegung der tatsächlich in der Berufung enthaltenen Angaben kann aber davon nicht die Rede sein. Ginge man vielmehr davon aus, daß der Beschwerdeführer seit 28. Oktober 1995, also über ein halbes Jahr, ständig in W und nicht mehr an der Abgabestelle aufhältig gewesen war, so erwiesen sich die Zustellungen im Verfahren als gesetzwidrig. Dadurch, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der oben aufgezeigten Verfahrensverletzungen zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. nn6/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens hatte zu erfolgen, weil ein Einheitssatz nach den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Kostenbestimmungen nicht vorgesehen ist, die Umsatzsteuer in dem für Schriftsatzaufwand festgesetzten Pauschalaufwand bereits enthalten ist und Bundesstempel lediglich in dem für die Rechtsverteidigung erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden konnten.
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