Normen
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §4;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litk;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §1;
BauO Stmk 1968 §4;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litk;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 2. Dezember 1994 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für eine Wohnhausanlage, bestehend aus 15 drei- bis fünfgeschoßigen Wohngebäuden, 20 Aufstellhütten für Müllgefäße und Fahrräder sowie einer Tiefgarage mit insgesamt 240 Abstellplätzen. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der westlich an dieses Bauvorhaben anschließenden Liegenschaft.
Über dieses Ansuchen wurde mit Ladung vom 1. März 1995 eine mündliche Verhandlung für den 20. März 1995 anberaumt, zu der auch der Beschwerdeführer als Anrainer nachweislich unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. In der Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, bei der gegenständlichen Bauplanung sei auf die Lärmimmissionen seines metallverarbeitenden Betriebes nicht angemessen Bedacht genommen worden. Diese Immissionsbelastungen lägen über den raumordnungsgemäßen Belastungsgrenzen für Wohnbaugebiete. Es sei Vorsorge zu treffen, daß dem Industriebetrieb aus dieser Divergenz in Hinkunft kein Nachteil in der Tätigkeitsausübung und in künftigen Erweiterungen erwachse. Im bestehenden Gebäudekomplex des Beschwerdeführers bestehe im 1. Stock eine Betriebswohnung, diese werde durch die Lärmimmissionen und Luftverunreinigungen der Garagenzu- und Abfahrt belastet. Die Fläche des Bauplatzes stelle eine durch Müllablagerungen aufgefüllte Schottergrube dar. Eine Öffnung der gegenwärtigen Überdeckung bringe die Gefahr der Bildung und Ausströmung von Gasen aus dem Verrottungsprozeß der Ablagerungen mit sich. Im Industriebetrieb auf dem Grundstück des Beschwerdeführers bestehe die akute Gefahr einer zusätzlichen Gesundheitsbelastung der Arbeitnehmer aus derartigen Immissionen.
Nach Einholung eines Schall- und umwelttechnischen Gutachtens, das dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme zugestellt wurde, erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz mit Bescheid vom 27. Juni 1995 die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Die Einwendungen des Beschwerdeführers und anderer Nachbarn wurden teils ab-, teils zurückgewiesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, das Gutachten sei ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, da er zum Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend gewesen sei. Zu Unrecht seien neben dem Betrieb des Beschwerdeführers Wohnungen geplant worden. Der Bauplatz habe ein Grundstück im Sinne des Vermessungsgesetzes 1968 darzustellen, Teile des Bauplatzes stünden noch im Eigentum Dritter. Sodann wird auf das Gutachten, das die Behörde erster Instanz eingeholt hat, inhaltlich eingegangen und gerügt, daß die tatsächliche Situation nicht ausreichend berücksichtigt worden sei; es sei zwar nunmehr eine Einhausung der Garagenzufahrt vorgesehen, jedoch könne diese Maßnahme nicht als ausreichender Immissionsschutz für die Wohnung auf dem Grundstück des Beschwerdeführers angesehen werden. Der Bauplatz stelle eine nicht standsichere Müllablagerungsstätte dar, während der Ausführung des Bauvorhabens sei mit Gasaustritten zu rechnen.
Während des Berufungsverfahrens hat die belangte Behörde das Verwaltungsverfahren durch Einholung eines weiteren Gutachtens des Vertreters des Amtes für Umweltschutz vom 22. August 1995 ergänzt. Dieser kam nach Durchführung von Schallmessungen an zwei Meßpunkten im Bereich der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers zu dem Schluß, daß sich tagsüber bei dem Meßpunkt 1 das Istmaß mit 53 dB, das Prognosemaß mit 52 dB, das Summenmaß somit mit 56 dB und damit eine Erhöhung um 3 dB ergäbe, für den Meßpunkt 2 wurde ein Istmaß von 58 dB, ein Prognosemaß von 57 dB, somit ein Summenmaß von 61 dB und eine Erhöhung von ebenfalls 3 dB ermittelt. Während der Nachtsituation wurde an diesen Meßpunkten keine Erhöhung des Summenmaßes ermittelt, das Prognosemaß liegt hier um 12 dB (erster Meßpunkt) bzw. um 10 dB (zweiter Meßpunkt) unter dem Istmaß.
Dieses Gutachten wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis und Stellungnahme übermittelt, der sich dazu ablehnend äußerte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Stadtsenates als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und des Berufungsvorbringens führte die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung im wesentlichen aus, im Geltungsbereich der Steiermärkischen Bauordnung ließen die relevanten Bestimmungen erkennen, daß sie nur einen Schutz des Nachbarn vor Immissionen durch das beabsichtigte neue Bauvorhaben enthalten, darüber hinaus aber "keinen Schutz" des Konsenswerbers vor bereits errichteten Betriebsanlagen auf einem Nachbargrundstück. Keinsfalls bestehe ein subjektives Recht des Inhabers eines Gewerbebetriebes, wenn sich aufgrund der Emissionen aus seinem eigenen Betrieb ergäbe, daß das zu errichtende Gebäude näher zu seiner Betriebsanlage stünde als eine neu zu errichtende Betriebsanlage von einem Wohnhaus entfernt errichtet werden dürfte.
Zur Frage, ob durch das Zu- und Abfahren von PKW"s im Bereich der geplanten Garagenzu- und Abfahrt eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft zu erwarten sei, seien Gutachten eingeholt worden, aus denen sich nachvollziehbar und schlüssig ergebe, daß bei Überlagerung der Istsituation mit dem Prognosemaß keine Erhöhung der Istsituation entstehe, das heiße, daß das Summenmaß ident mit der Istsituation sei, sodaß die Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen obsolet gewesen sei. Mit anderen Berufungsvorbringen sei der Beschwerdeführer präkludiert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Mitspracherecht des Nachbarn ist im Falle einer beschränkten Parteistellung, wie es für Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis eingeschränkt, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10317/A, ausgeführt, daß die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde dabei insofern auf jenen Themenkreis eingeschränkt ist, in dem der Nachbar, der ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurde, rechtzeitig Einwendungen erhoben hat. Die Präklusion ist nicht nur von der Berufungsbehörde sondern auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten.
Gemäß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (BO) in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1991 kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn sich diese auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese Bauvorschriften sind im § 61 Abs. 2 lit. a bis k BO taxativ aufgezählt. Gemäß § 61 Abs. 2 lit. b leg. cit. zählt hiezu die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist (§ 3 Abs. 2 BO). Für das zu bebauende Grundstück ist im Flächenwidmungsplan 1992 die Widmung "Allgemeines Wohngebiet" festgelegt. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers liegt im Industrie- und Gewerbegebiet. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgeführt, daß im Geltungsbereich der Steiermärkischen Bauordnung die Aufzählung der im § 61 Abs. 2 normierten Nachbarrechte erkennen läßt, daß subjektive Rechte nur dahingehend eingeräumt wurden, daß sich die Nachbarn von beantragten Bauprojekten in dem in der Bauordnung näher genannten Ausmaß gegen Immissionen auf ihren Grundstücken, die vom beantragten Projekt ausgehen, wenden können. Weder § 4, noch die im § 61 Abs. 2 BO genannten Bestimmungen ließen erkennen, daß sie nicht nur einen Schutz des Nachbarn vor Immissionen durch das beabsichtigte neue Bauvorhaben auf seinem Grundstück enthalten, sondern darüber hinaus etwa einen "Schutz des Konsenswerbers vor bereits errichteten Betriebsanlagen auf einem Nachbargrundstück" beinhalten (vgl. aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 12. Oktober 1995, Zl. 95/06/0163, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Beschwerde enthält keine über die bisherige Diskussion hinausgehenden Argumente für das Vorliegen eines derartigen subjektiven Rechtes, sodaß sich der Verwaltungsgerichtshof auch aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles nicht veranlaßt sieht, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen.
Mit dem Vorbringen, der Bauplatzbereich umfasse Grundstücke mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen, es liege kein einheitlicher Bauplatz nach dem Vermessungsgesetz vor, ist der Beschwerdeführer präkludiert, sodaß nicht darauf einzugehen ist, ob dem Nachbarn in dieser Hinsicht ein subjektiv-öffentliches Recht eingeräumt ist.
Der Behauptung, der Bauplatz sei insofern nicht zur Bebauung geeignet, als es sich um eine ehemalige Abfalldeponie handle, aus der infolge der Bauführung Gasaustritt zu befürchten sei, vermag der Beschwerdeführer keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte darzutun, weil aus der taxativen Aufzählung der Nachbarrechte in § 61 Abs. 2 BO abzuleiten ist, daß in bezug auf die Beschaffenheit von Bauplätzen (§ 1 BO) kein Nachbarrecht besteht. Im übrigen haben die während des Verfahrens durchgeführten Ermittlungen, insbesondere die Probebohrungen ergeben, daß nur Bauschutt, Steine und Platten abgelagert wurden.
Die Verfahrensrüge, die Erhebungen und Feststellungen über mögliche Immissionsbelastungen der Wohnraumbereiche in Objekten auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers seien unzureichend, ist insofern unberechtigt, als der Beschwerdeführer meint, die Messungen hätten jeweils an den geöffneten Fenstern durchgeführt werden müssen. Ausschlaggebend ist vielmehr die Immissionssituation an der Grundstücksgrenze, dementsprechend hat der Gutachter die Meßpunkte, wie sich aus dem beigelegten Lageplan ergibt, an der Grundstücksgrenze angeordnet. Auf den in der Beschwerde behaupteten Echoeffekt ist aufgrund des aus § 41 Abs. 1 VwGG ableitbaren Neuerungsverbotes nicht einzugehen. Im übrigen geht schon aus dem Gutachten, das die Behörde erster Instanz eingeholt hat, hervor, daß schallabsorbierendes Material verwendet wird.
Dennoch ist die Verfahrensrüge im Ergebnis berechtigt: Der Begründung ihres Bescheides zufolge ging die belangte Behörde davon aus, daß sich aus den Gutachten vom 10. Mai und 22. August 1995 nachvollziehbar und schlüssig ergebe, daß bei Überlagerung der Istsituation mit dem Prognosemaß keine Erhöhung der Lärmsituation entstehe. Diese Ausführungen treffen jedoch ausschließlich auf die Situation bei Nacht zu (letzte Seite des Gutachtens vom 22. August 1995), während sich aus der vorletzten Seite dieses Gutachtens (Beilage (7) 5/1) ergibt, daß an den zwei Meßpunkten tagsüber das Summenmaß eine Erhöhung von jeweils 3 dB erfährt. Das Summenmaß liegt am Meßpunkt 1 bei 56 dB, am Meßpunkt 2 bei 61 dB. Mit diesem Maß wird aber auch das nach der ÖNORM S 5021 für das allgemeine Wohngebiet zulässige Immissionsmaß von einem LA,eq = 55 dB (tagsüber) überschritten. Bei dieser Sachlage durfte aber die belangte Behörde nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß das Bauvorhaben durch die Gestaltung der Garagenein- und Ausfahrt im westlichen, an das Grundstück des Beschwerdeführers angrenzenden Bereich diesen in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletze. Es hätte jedenfalls einer Verfahrensergänzung in der Form bedurft, daß die mitbeteiligte Bauwerberin zu weiteren lärmdämmenden Maßnahmen (etwa durch Errichtung einer schalldämmenden Wand oder Weiterführung der Einhausung etc.) verhalten worden wäre. Erst nach einer Weigerung der Bauwerberin, das Bauvorhaben entsprechend zu modifizieren, hätte die belangte Behörde die Baubewilligung zu versagen gehabt.
Da damit die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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