VwGH 96/05/0191

VwGH96/05/019130.5.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Thurn & Bauer GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Edmund Thurn, Rechtsanwalt in Murau, Anna Neumannstraße 22, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 30. April 1996, Zl. MD-VfR - B XVII - 8/94, betreffend einen Kostenersatz gemäß § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67a Abs1 Z2;
AVG;
BauO Wr §129 Abs6;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG;
BauO Wr §129 Abs6;
B-VG Art129a Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin gehört die Liegenschaft Geblergasse 72 in Wien XVII. Auf Grund einer Baubewilligung vom 14. Mai 1992 war sie berechtigt, das Dachgeschoß des dort befindlichen Hauses mit drei Wohnungen auszubauen.

Am Mittwoch, dem 1. September 1993 verständigte der Mieter einer Wohnung im 2. Stock dieses Hauses die Baupolizei davon, dass Niederschlagswässer in die Wohnung eindringen. An Ort und Stelle wurde vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, daraufhin festgestellt, dass im Zuge eines Dachgeschoßausbaues die Dacheindeckung abgetragen worden sei und auf Grund mangelhafter bzw. fehlender Isolierung Niederschlagswässer in die benützten Wohnungen des letzten Hauptgeschoßes eindringen würden. Es wurde noch am selben Tag die Magistratsabteilung 25 verständigt und als Sicherungsmaßnahme angefordert, dass in den Bereichen der fehlenden Dacheindeckung diese Flächen zu verschalen und regendicht abzudichten seien.

Die Beschwerdeführerin richtete an die Magistratsabteilung 37 ein undatiertes Fax, welches dort am 2. September 1993 einlangte.

Darin führt sie aus:

"Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir die Firma Schibich 1100 Wien Schrankenberggasse 5 beauftragt haben, das Dach ordnungsgemäß abzudecken."

Die Magistratsabteilung 25 beauftragte am 2. September 1993 die Firma G.H., folgende Sicherungsarbeiten durchzuführen:

"Die fehlende Dacheindeckung ist durch eine vollflächige Schalung und Dachpappe zu ersetzen. Die vorhandene Dachabdeckung ist provisorisch niederschlagsdicht in Stand zu setzen (übersteigen)."

Der Auftragnehmer erklärte sich bereit, mit den Sicherungsarbeiten am 2. September 1993 unter Einsatz von drei Mann zu beginnen und diese zügig zu vollenden. Tatsächlich wurden am 2. September 1993 die Arbeiten aufgenommen; am 3. September 1993 war ein Teil der Dachfläche bereits geschlossen; am 7. September 1993 wurden die Arbeiten fortgesetzt und am 9. September 1993 fertig gestellt. Für die Durchführung dieser Maßnahme legte die Firma G.H. der Behörde am 17. September 1993 eine detailliert aufgeschlüsselte Rechnung über S 95.282,90, welcher Betrag von der Magistratsabteilung 25 geprüft und als richtig befunden wurde.

Der Beschwerdeführerin teilte die Magistratsabteilung 25 mit Schreiben vom 25. Oktober 1993 mit, dass wegen Gefahr im Verzuge gemäß § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien an dem Gebäude ohne Anhörung der Partei auf Gefahr und Kosten des Eigentümers die Dacheindeckung provisorisch niederschlagsdicht hergestellt werden musste.

Mit Bescheid vom 23. November 1993 schrieb die Magistratsabteilung 25 der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 6 der BauO für Wien die mit S 95.282,90 bestimmten Kosten für die Durchführung der genannten Maßnahme vor. Durch amtliche Wahrnehmungen sei festgestellt worden, dass der Bauzustand der auf dieser Liegenschaft befindlichen Baulichkeit eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen bedeutet hätte. Nach der zitierten Gesetzesbestimmung fielen die der Behörde dabei erwachsenen Auslagen dem Verpflichteten zu Last.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass sie den Spenglereibetrieb H.Sch. mit der Instandsetzung beauftragt habe und diese Firma am Montag, dem 6. September 1993 begonnen hätte. H.Sch. hätte aber festgestellt, dass Instandsetzungsarbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits im Gange waren. Die Beschwerdeführerin hätte regelmäßig den Zustand des Daches kontrolliert und auf jeden Fall nach Kenntnis eines solchen Schadens eine Abdichtung vorgenommen. Es habe sich nicht um Bauschäden im Sinne des § 129 Abs. 2 der BauO für Wien gehandelt, sondern um Nässeschäden durch die an Ort und Stelle befindliche Baustelle. Auf Grund der in Angriff genommenen baulichen Maßnahmen sei die Dacheindeckung geöffnet worden, um Material und Maschinen einbringen zu können. Dies sei der Behörde bekannt gewesen. Verwiesen wurde auch auf den am 2. September 1993 ergangenen Bauauftrag, nach dem die Dacheindeckung binnen acht Tagen hätte in Stand gesetzt werden müssen. Nostandspolizeiliche Maßnahmen parallel zu einem baupolizeilichen Auftrag seien nur zulässig, wenn wegen Säumigkeit des Hauseigentümers ein gefahrdrohender Zustand eingetreten sei. Bei ordnungsgemäßer Verfahrensabwicklung hätte die Behörde, da die Beschwerdeführerin ihrerseits ein konzessioniertes Unternehmen mit der Behebung beauftragt habe, niemals notstandspolizeiliche Maßnahmen setzen dürfen.

Über Vorhalt der Berufungsbehörde verwies die Beschwerdeführerin abermals darauf, dass sie selbst bereit gewesen wäre, die Abdichtungsarbeiten vornehmen zu lassen und dass der am 2. September 1993 ergangene Bauauftrag eine achttägige Frist enthalten hätte. Die Magistratsabteilung 25 bestätigte der Berufungsbehörde mit Schreiben vom 2. August 1994, dass auf Grund von Erfahrungswerten eine solide Notdachkonstruktion die zum Ziel führende Maßnahme gewesen sei, da die Bestandsdauer der Konstruktion nicht bekannt gewesen sei, und dass eine Mieterin glaubhaft mitgeteilt habe, dass es seit Wochen hinein geregnet habe und der Hauseigentümer keine Sicherungsmaßnahmen beauftragt habe. Die Magistratsabteilung 37 verwies in einem Schreiben an die Berufungsbehörde vom 27. Dezember 1994 darauf, dass die angeordnete Art der Ausführung des Notdaches als die geringste Maßnahme erschienen sei, die den gewünschten Zweck garantiert habe. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge der Ausführung von nicht genehmigten Baumaßnahmen die Möglichkeit des Wassereintrittes herbei geführt. Die Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung des Übelstandes hätten keiner Genehmigung bedurft und hätten unabhängig von einem Bauansuchen erfolgen können.

Auch zu diesen Beweisergebnissen gab die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Unbestrittenerweise sei es zumindest am 1. September 1993 zum Eindringen von Niederschlagswässern in Wohnungen im letzten Hauptgeschoß des Hauses gekommen. Ursache sei die teilweise Entfernung der konsensgemäßen Dachabdeckung gewesen. Dem Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen, wonach Gefahr im Verzug vorgelegen sei, sei die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher Basis entgegen getreten. Das von ihr beauftragte Unternehmen wäre nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin erst am 6. September 1993 tätig geworden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde; die Beschwerdeführerin macht eine rechtswidrige Anwendung der §§ 129 Abs. 2, 135 Abs. 1 BauO für Wien geltend und behauptet die Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einer im Ergebnis anders lautenden Entscheidung hätte gelangen können.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass ein am 2. September 1993 ergangener Bauauftrag hier nicht gegenständlich ist; der angefochtene Bescheid spricht allein über die auf Grund der am 2. September 1993 und den Folgetagen durchgeführten notstandspolizeilichen Maßnahme entstandenen Kosten im Sinne des § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien (BO) ab.

Gemäß § 129 Abs. 6 BO kann die Behörde bei Gefahr im Verzuge auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage anordnen und sofort vollstrecken lassen.

Ob die Voraussetzungen des § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien vorgelegen und die von der Behörde dem ausführenden Unternehmen in Auftrag gegebenen Arbeiten demnach notwendig und zweckmäßig waren, kann im Verfahren über die Kosten dieser Maßnahmen nicht mehr überprüft werden. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden nämlich die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes (siehe hiezu auch § 2 Z. 2 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 über den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien, LGBl. Nr. 53/1990). Unterlässt aber die von einem Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt betroffene Partei die Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Akt beim unabhängigen Verwaltungssenat, dann ist rechtlich davon auszugehen, dass ein solcher Verwaltungsakt gegenüber einem zur Maßnahmenbeschwerde Befugten nicht in dessen subjektiv-öffentlichen Rechte rechtswidrig eingegriffen hat. Wurden daher die nach § 129 Abs. 6 der Bauordnung für Wien durchgeführten notstandspolizeilichen Maßnahmen nicht vor dem unabhängigen Verwaltungssenat bekämpft, dann kann die Frage ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit im Kostenersatzverfahren nicht mehr aufgerollt werden, weil insoweit eine Bindung der Behörde an die mangels Bekämpfung geltende Rechtmäßigkeit der notstandspolizeilichen Maßnahmen besteht, die auch deren Erforderlichkeit im Sinne des Gesetzes umfasst (hg. Erkenntnis vom 24. November 1998, Zl. 98/05/0131, mwN).

Auch im vorliegenden Fall hätte die Beschwerdeführerin als die von einem Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt betroffene Partei eine Beschwerde gegen diesen Akt beim unabhängigen Verwaltungssenat einbringen müssen. Dies hat sie nicht getan, weshalb die Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der notstandspolizeilichen Maßnahmen im Kostenersatzverfahren nicht mehr aufgerollt werden kann. Die weitwendigen Beschwerdeausführungen, die sich gegen Art und Umfang der notstandspolizeilichen Maßnahme richten, hätten Inhalt einer solchen Maßnahmenbeschwerde an den UVS sein können. Blieb die Maßnahme aber unbekämpft, sind diese Fragen im Kostenersatzverfahren nicht mehr zu prüfen.

Hinsichtlich der Höhe der der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Kosten liegt eine detaillierte, von der Behörde geprüfte Abrechnung vor. Konkrete Einwendungen dagegen hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht erhoben; sie hat nur immer wiederholt, dass der von ihr beauftragte Unternehmer Kosten von S 17.766,-- veranschlagt hätte. Da sie die Erforderlichkeit einzelner durchgeführter Arbeiten bestreitet, kann dieser im Akt nicht erliegende und offenbar nie vorgelegte Kostenvoranschlag als Vergleichsbasis nicht herangezogen werden, weil jener Kostenvoranschlag offenbar nicht dieselben Arbeiten zum Inhalt hat. Eine konkrete Bestreitung der einzelnen Rechnungspositionen ist durch die Beschwerdeführerin nie erfolgt. Ausgehend von einer Bindung der Behörde an die mangels Bekämpfung geltende Rechtmäßigkeit der notstandspolizeilichen Maßnahmen, die auch deren Erforderlichkeit im Sinne des Gesetzes umfasst, konnte auf Grund der aufgeschlüsselten, im Einzelnen nicht bekämpften Rechnung die Festsetzung der Höhe nach erfolgen.

Die Beschwerde erwies sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Mai 2000

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