VwGH 96/01/1047

VwGH96/01/104711.11.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin OKoärin. Mag. Unterer, über die Beschwerde des M in Zwettl, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, Haslacher Straße 17, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. März 1996, Zl. Gem(Stb) - 37598/2-1996/Mah/Sku, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. März 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers - eines nigerianischen Staatsangehörigen - vom 28. April 1995 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die Anträge der Gattin und der Kinder des Beschwerdeführers auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311" (StbG), abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, in der Verwaltungsstrafkartei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung schienen im Zeitraum von 1992 bis 1995 insgesamt 18 Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers auf. Die hohe Anzahl der Verwaltungsübertretungen lasse den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer nicht nur eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstelle, sondern auch eine solche für die öffentliche Sicherheit sein könne. Die Anzahl der Übertretungen zeuge jedenfalls davon, daß der Beschwerdeführer mit den zur Wahrung der öffentlichen Ordnung bestehenden Rechtsvorschriften in erheblichem Konflikt stehe. Der Beschwerdeführer habe die Ansicht vertreten, es handle sich lediglich um geringfügige Übertretungen. Wenn auch die Geringfügigkeit der einzelnen Übertretungen unbestritten sei, sei doch deren ungewöhnlich hohe Zahl bedenklich. Die Äußerung des Beschwerdeführers, er halte die Verwaltungsübertretungen nicht für relevant, untermauere die Einschätzung, daß der Beschwerdeführer nicht "die Grundsätzlichkeit der Befolgung bestimmter Rechtsvorschriften als Voraussetzung der öffentlichen Ordnung erkannt hat".

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dabei vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Rechtsvorschriften mißachten. Aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die - allenfalls - negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck. Dies gilt insbesondere auch für Verstöße gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0376).

Der vorliegende Bescheid enthält zur Beurteilung dieser Kriterien jedoch keine ausreichenden Feststellungen. Die belangte Behörde hat lediglich festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Zeitraum von 1992 bis 1995 insgesamt 18 mal wegen Verwaltungsübertretungen bestraft wurde. Weiters hat sie lediglich ausgeführt, daß zwar die einzelnen Übertretungen geringfügig seien, deren große Zahl jedoch eine negative Prognose rechtfertige.

Zur Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers erforderliche Feststellungen über die Art und Schwere der den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen zugrundeliegenden Straftaten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0118) fehlen zur Gänze. Dieser Verfahrensmangel hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, der Beschwerdeführer stelle nach seinem bisherigen Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar.

Es sei hinzugefügt, daß im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz zu überprüfen ist, ob der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, während es im vorliegenden Verfahren darauf ankommt, daß der Fremde nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich hiebei um verschiedene Voraussetzungen. Die für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zuständige Behörde hat überdies das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG eigenständig nach staatsbürgerschaftsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, ohne hiebei an Entscheidungen der Fremden- oder Aufenthaltsbehörden gebunden zu sein.

Aufgrund des aufgezeigten Verfahrensmangels war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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