VwGH 96/01/0694

VwGH96/01/069425.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde 1. des II, 2. der GI, 3. des SI, 4. des UI und

5. des UI, alle in F, die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, dieser und die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 19. Juni 1996, Zl. Ia 370-165/92, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1965 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1965 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 19. Juni 1996 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 13. November 1991 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985", BGBl. Nr. 311 (StbG), und die Anträge der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft - daß der Antrag vom 13. November 1991 hinsichtlich der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer als Erstreckungsantrag zu verstehen ist, bleibt in der Beschwerde unbekämpft - "gemäß §§ 16, 17 und 18 StbG" abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Erstbeschwerdeführer habe seit 18. August 1977 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Er sei seit 5. Oktober 1984 mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer seien die mj., aus dieser Ehe entstammenden Kinder.

Der Erstbeschwerdeführer sei vom Bezirksgericht Dornbirn am 3. November 1992 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen und am 19. November 1992 vom Bezirksgericht Feldkirch wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden.

Von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch sei er wie folgt bestraft worden:

mit Bescheid vom 12. März 1993, Zl. X-8893-1990, wegen Übertretungen nach §§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a u. Z. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe von S 5.000,--;

mit Bescheid vom 12. März 1993, Zl. X-8893/1990, wegen Übertretungen nach §§ 1 Abs. 1 u. 9 Bazillenausscheidergesetz mit einer Geldstrafe von S 700,--;

mit Bescheid vom 14. August 1990, Zl. X-11990-1990, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 700,--;

mit Bescheid vom 6. August 1990, Zl. X-13780-1990, wegen einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 lit. a Parkabgabegesetz mit einer Geldstrafe von S 400,--;

mit Bescheid vom 15. Mai 1991, Zl. X-13378-1990, wegen Übertretungen nach §§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a u. Z. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe von S 5.000,--;

mit Bescheid vom 21. November 1990, Zl. X-21446-1990, wegen Übertretungen nach § 29 Abs. 1 lit. n Abfallgesetz mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;

mit Bescheid vom 7. Dezember 1990, Zl. X-22747-1990, wegen einer Übertretung nach § 29 Abs. 1 lit. n Abfallgesetz mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;

mit Bescheid vom 14. Mai 1991, Zl. X-3648-1991, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;

mit Bescheid vom 24. Juli 1991, Zl. X-2526-1991, wegen Übertretungen nach § 132 Abs. 1 lit. a Abgabenverfahrensgesetz mit einer Geldstrafe von S 2.000,--;

mit Bescheid vom 5. Juni 1991, Zl. X-9307-1991, wegen Übertretungen nach § 52 lit. a Z. 1 u. 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid vom 6. Juni 1991, Zl. X-9811-1991, wegen Übertretungen nach §§ 52 lit. a Z. 1 u. 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid vom 30. Jänner 1992, Zl. X-23150-1991, wegen Übertretungen nach §§ 24 Abs. 1 lit. a u. 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 500,--;

mit Bescheid vom 26. Februar 1992, Zl. X-3632-1992, wegen einer Übertretung nach § 7 Abs. 1 lit. a Parkabgabegesetz mit einer Geldstrafe von S 500,--;

mit Bescheid vom 23. September 1992, Zl. X-19536-1992, wegen Übertretungen nach §§ 24 Abs. 1 lit. a u. 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 600,--;

mit Bescheid vom 4. November 1992, Zl. X-22639-1992, wegen Übertretungen nach §§ 20 Abs. 2 u. 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 700,--;

mit Bescheid vom 21. Juli 1993, Zl. X-14574-1993, wegen Übertretungen nach §§ 102 Abs. 1 und 7 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 4 KDV mit einer Geldstrafe von S 500,--;

mit Bescheid vom 21. Juli 1993, Zl. X-14574-1993, wegen einer Übertretung nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 100,--;

mit Bescheid vom 14. April 1994, Zl. X-20627-1993, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 1.500,--;

mit Bescheid vom 17. Februar 1994, Zl. X-25298-1993, wegen einer Übertretung nach § 22 Abs. 2 und 32 Abs. 1 Bauarbeiterurlaubsgesetz mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;

mit Bescheid vom 20. April 1994, Zl. X-8626-1994, wegen einer Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. a KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 100,--;

mit Bescheid vom 20. April 1994, Zl. X-8626-1994, wegen einer Übertretung nach § 102 Abs. 10 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 100,--;

mit Bescheid vom 21. Juli 1994, Zl. X-16809-1994, wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 500,--;

mit Bescheid vom 21. Juli 1994, Zl. X-16809-1994, wegen einer Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. a KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 300,--;

mit Bescheid vom 12. Dezember 1994, Zl. X-21663-1994, wegen einer Übertretung nach § 15 Abs. 2 Kommunalsteuergesetz mit einer Geldstrafe von S 5.000,--;

mit Bescheid vom 15. Februar 1995, Zl. X-28086-1994, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 2.000,--;

mit Bescheid vom 21. März 1995, Zl. X-5568-1995, wegen Übertretungen nach §§ 24 Abs. 1 lit. a u. 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 600,--;

mit Bescheid vom 1. Juni 1995, Zl. X-9477-1995, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;

mit Bescheid vom 20. Juni 1995, Zl. X-12898-1995, wegen einer Übertretung nach § 42 Abs. 1 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 700,--;".

Bei den vom Beschwerdeführer übertretenen Normen, insbesondere jenen des Kraftfahrgesetzes, der Straßenverkehrsordnung und des Bazillenausscheidergesetzes, handle es sich um Bestimmungen zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit. Gerade die wiederholte Nichtbeachtung von Verbotszeichen und die Geschwindigkeitsüberschreitungen seien keine Verfehlungen minderen Unrechtsgehalts, sondern durchaus gewichtige Verletzungen der Rechtsordnung. Die "qualifizierte Häufigkeit und Beharrlichkeit" mit der der Erstbeschwerdeführer Rechtsvorschriften mißachtet habe, lasse den Schluß zu, daß er möglicherweise auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit sowie öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften mißachten werde. Es könne daher derzeit nicht davon ausgegangen werden, daß der Erstbeschwerdeführer Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden. Er erfülle daher die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht.

Da die Erstreckung der Verleihung nur gemeinsam mit der Verleihung selbst erfolgen könne, seien auch die Erstreckungsanträge der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet. Bei der gemäß der angeführten Gesetzesstelle vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 95/01/0215). Dies ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - insbesondere auch bei Verstößen gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, der Fall (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0376). Soweit der Beschwerdeführer ausführt, die große Anzahl der Übertretungen des KFG und der StVO sei nicht auf einen charakterlichen Mangel zurückzuführen, sondern habe ihren Grund darin, daß er beruflich sehr viel mit seinem PKW unterwegs sei, ist ihm entgegenzuhalten, daß eine Anzahl von 18 Bestrafungen wegen Übertretungen der StVO oder des KFG innerhalb eines Zeitraumes von nicht einmal fünf Jahren selbst bei einer Person, die überdurchschnittlich viel mit dem PKW unterwegs ist, auf eine gleichgültige Haltung gegenüber diesen Rechtsvorschriften schließen läßt. Darüber hinaus ist gerade von einem Berufsfahrer mit einer großen jährlichen Kilometerleistung zu verlangen, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften eine besondere Sorgfalt an den Tag zu legen.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe auch Anonymverfügungen in ihre Auflistung aufgenommen, ist auszuführen, daß der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom 12. Juli 1995 aufgefordert wurde, in den Akt Einsicht zu nehmen und zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Damit hat die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs Genüge getan (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 237, E 55b zu § 37 AVG wiedergegebene hg. Judikatur). Der Vertreter des Beschwerdeführers hat am 20. Juli 1995 auch tatsächlich Akteneinsicht genommen. Im Akt befand sich dabei auch eine Auskunft über sämtliche von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellten Bestrafungen. Hätten sich dabei - entgegen der Vorschrift des § 49a Abs. 8 VStG - auch Anonymverfügungen befunden, was die belangte Behörde im übrigen in der Gegenschrift in Abrede stellt, wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, dies im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer in seiner am 4. Februar 1996 bei der belangten Behörde eingelangten Stellungnahme lediglich darauf verwiesen, daß es sich bei den ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen um geringfügige Verfehlungen handle. Beim Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe auch Anonymverfügungen berücksichtigt, handelt es sich somit um eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde entgegenhält, sie habe wiederholt Strafbescheide zweimal angeführt, übersieht er, daß die belangte Behörde dies nur bei solchen Bescheiden getan hat, mit denen der Beschwerdeführer tatsächlich wegen zweier Übertretungen bestraft wurde.

Die in der Beschwerde angeführte Tatsache, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1995 nur viermal - sohin weniger oft als in den Vorjahren - und im Jahr 1996 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides kein einziges Mal wegen Verwaltungsübertretungen bestraft worden sei, hat die belangte Behörde im Hinblick auf den seit der letzten Bestrafung verstrichenen Zeitraum von nur einem Jahr und die große Anzahl der vom Beschwerdeführer insgesamt begangenen Rechtsbrüche zu Recht nicht als Anhaltspunkt dafür herangezogen, daß aus diesen Umständen bereits auf ein künftig zu erwartendes Wohlverhalten geschlossen werden könnte.

Die belangte Behörde gelangte daher ausgehend von den vielfachen Verstößen des Beschwerdeführers gegen die Rechtsordnung zu Recht zu der Auffassung, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden. Die auf das Vorliegen des Einbürgerungshindernisses des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG gestützte Abweisung des Ansuchens um Verleihung der Staatsbürgerschaft erweist sich daher als frei von den vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen.

Da die unter den Voraussetzungen des § 16 StbG (für die Ehegattin) und des § 17 StbG (für die Kinder) zu gewährende Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 18 leg. cit. nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbungszeitpunkt verfügt werden darf, hat die belangte Behörde auch die Anträge der Zweitbeschwerdeführerin und der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu Recht abgewiesen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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