Normen
BBetrG 1991 §1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
BBetrG 1991 §1;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs2 Z7;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 10. August 1995 wurde der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 und Abs. 3 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 2. März 1995 illegal - ohne im Besitz des erforderlichen Reisedokumentes und entsprechenden Sichtvermerkes zu sein - nach Österreich eingereist und habe am 3. März 1995 einen Asylantrag eingebracht. Dieser Antrag sei mit Bescheid vom 9. März 1995 gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, abgewiesen worden. Dieser Paragraph besage, daß die Asylbehörde einem Asylantrag nur dann stattzugeben hätte, wenn es sich bei dem Asylwerber um einen Flüchtling handle und der Tatbestand der direkten Einreise vorliege. Das Bundesasylamt Traiskirchen habe dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung komme nur jenen Asylwerbern zu, die gemäß § 6 Asylgesetz direkt ins Bundesgebiet eingereist seien. Da beim Beschwerdeführer der Tatbestand der direkten Einreise nicht habe vorgefunden werden können, komme ihm somit auch nicht die behauptete Aufenthaltsberechtigung zu. Deshalb, und da sein Antrag auf Gewährung von Asyl abgewiesen worden sei, seien die fremdengesetzlichen Bestimmungen auf ihn anwendbar. Denn der rechtskräftige Abschluß des Asylverfahrens sei für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht erforderlich. Weiters führte die belangte Behörde aus, daß mit dem Irak kein Sichtvermerksabkommen bestehe und der Beschwerdeführer daher zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet nicht berechtigt und damit unter Mißachtung der Bestimmungen des Fremdengesetzes in das Bundesgebiet gelangt sei. Er sei innerhalb eines Monats nach der Einreise betreten worden. Zum Einwand des Beschwerdeführers, wonach gemäß Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlinge weder wegen illegaler Einreise noch wegen rechtswidriger Anwesenheit bestraft werden dürften, hielt die Behörde fest, daß es sich hier nicht um ein Strafverfahren, sondern um ein verwaltungsbehördliches Verfahren handle. Die vom Beschwerdeführer angeführten Mittel zu seinem Unterhalt aus der Bundesbetreuung erachtete die belangte Behörde nicht als ausreichend, da ein durchsetzbarer Rechtsanspruch darauf nicht gegeben sei. Weiters sei in § 37 FrG die Unzulässigkeit einer Ausweisung nicht angeführt. Bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides sei nicht zu prüfen, in welches Land der Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben werde. Mit der Verfügung der Ausweisung sei aber nicht zwangsläufig die Abschiebung in das Heimatland verbunden. Auch eine neuerliche Einreise in das Bundesgebiet sei dem Beschwerdeführer durch die Ausweisung nicht verwehrt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG in der hier anzuwendenden Fassung vor der FrG-Novelle 1996 können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6).
Der Beschwerdeführer macht zunächst Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und führt hiezu im wesentlichen aus, er habe bei seiner Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Baden am 8. März 1995 sein Vorbringen vor dem Bundesasylamt im Asylverfahren auch zu seinem Vorbringen im fremdenpolizeilichen Verfahren erhoben. In diesem Verfahren des Bundesasylamtes habe er ausführlich den Sachverhalt dargestellt, der ihn zu seiner Desertion und Flucht aus dem Irak bewogen habe und darauf hingewiesen, daß ihm im Fall seiner Abschiebung in den Irak dort die Todesstrafe bzw. eine unmenschliche Strafe drohe. Die erstinstanzliche Behörde wäre, wie sich aus § 37 Abs. 3 FrG ergebe, auf Grund dieser Angaben verpflichtet gewesen, dazu Erhebungen durchzuführen. Durch das diesbezügliche Versäumnis habe sie ihre Verpflichtung zur vollständigen Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes verletzt, da ohne die Prüfung der von ihm aufgeworfenen Behauptungen eine gesetzmäßige Entscheidung über seine Abschiebung nicht möglich sei. Eine abschließende Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes hätte ergeben, daß die Ausweisung gegen § 37 FrG verstoße und die von der erstinstanzlichen Behörde angenommenen Gründe für eine Ausweisung nicht vorliegen würden.
Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, daß sich § 37 Abs. 3 FrG ausschließlich auf Verfahren betreffend die Zurückweisung oder Zurückschiebung von Fremden bezieht, nicht jedoch auf Ausweisungsverfahren. Der Beschwerdeführer verkennt auch, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land, somit auch nicht in seinen Heimatstaat, auszureisen habe oder daß er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0600). Das dem Vorbringen des Beschwerdeführers entnehmbare Anliegen, die belangte Behörde hätte durch weitere Erhebungen den Beweggründen für die Desertion und Flucht aus dem Irak nachzugehen gehabt, ist somit nicht Gegenstand des die Ausweisung betreffenden Verwaltungsverfahrens.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß die von der belangten Behörde verfügte Ausweisung gemäß § 36 FrG sehr wohl zu seiner Abschiebung führen könne. Die im § 37 FrG genannten Gründe seien daher bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Ausweisung zu beachten gewesen. Es wäre geradezu sinnwidrig, die der Durchsetzung eines Bescheides entgegenstehenden zwingenden gesetzlichen Bestimmungen bei der Erlassung des Bescheides außer acht zu lassen. Selbst im Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. März 1995 werde festgestellt, daß der Irak vom totalitären Regime des Saddam Hussein beherrscht werde und willkürliche Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen das alltägliche Leben kennzeichneten. Desertion unterliege demnach militärstrafrechtlicher Ahndung. Seit 1994 sei ein Gesetz in Kraft, welches die Abtrennung der Ohren bei Desertion vorsehen würde. Weiters werde im genannten Bescheid festgestellt, daß die Türkei immer wieder Iraker in den Nordirak zurückschiebe, sodaß die Ausweisung daher letztlich dazu führen würde, daß der Beschwerdeführer zwangsweise in den Irak zurückkehren müßte, wo ihm die Todesstrafe bzw. eine unmenschliche Strafe drohe.
Soweit der Beschwerdeführer damit gegen die Zulässigkeit der Ausweisung vorbringt, er sei in seinem Heimatstaat verfolgt und sich dabei auf § 37 und § 36 FrG bezieht, geht dieser Einwand deshalb fehl, weil Gegenstand des angefochtenen Bescheides nicht die Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit seiner Abschiebung bzw. Zurückweisung oder Zurückschiebung aus den dort genannten Gründen in einen bestimmten Staat, sondern allein die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 17 FrG ist. Der Prüfung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat Irak dient das Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG, welches auf Antrag des Fremden einzuleiten ist. Ein diesbezüglicher Antrag wurde vom Beschwerdeführer auch am 8. März 1995 gestellt (Aktenseite 35). Der Umstand, daß über diesen noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, steht der Ausweisung nicht entgegen. Der Abschiebungsschutz gemäß § 54 Abs. 4 FrG hinsichtlich des vom Beschwerdeführer bezeichneten Staates (Irak) kommt ihm ohnehin bis zum rechtskräftigen Abschluß des von ihm bereits initiierten Verfahrens gemäß § 54 FrG zu.
Der Beschwerdeführer bringt auch vor, daß durch die in Anbetracht der Bedeutung der verfahrensgegenständlichen Frage für ihn und seine Familie kurzen und oberflächlichen Einvernahme am 8. März 1995 in sein Recht auf rechtliches Gehör gesetzwidrig eingegriffen worden sei. Die erstinstanzliche Behörde wäre gerade im Hinblick auf seine mangelnden Sprachkenntnisse und mangelnde Erfahrung im Umgang mit österreichischen Behörden verpflichtet gewesen, ihn zu seinen Angaben detaillierter zu befragen und nicht nur in wenigen Minuten sein Vorbringen in einem anderen Verfahren zur Entscheidungsgrundlage zu machen.
Dem ist entgegenzuhalten, daß eine (allfällige) Verletzung des Parteiengehörs nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 1983, Zl. 82/11/0252) nur dann eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG begründet, wenn die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, muß der Beschwerdeführer jene entscheidenden Tatsachen in der Beschwerde bekanntgeben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind. Der Beschwerdeführer bringt nun nicht vor, welches Vorbringen zu erstatten ihm verwehrt gewesen wäre und legt somit die erforderliche Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.
Soweit die Beschwerde auf § 19 FrG Bezug nimmt, ist dem zu entgegen, daß im Fall einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit.
- anders als im Fall einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 leg. cit. - § 19 leg. cit. nicht anzuwenden ist, und die darin normierte Bedachtnahme auf das Privat- und Familienleben im Hinblick darauf nicht zum Tragen kommt, daß die Ausweisung schon vom Tatbestand des § 17 Abs. 2 FrG her innerhalb kurzer Frist nach der Einreise erfolgt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0978).
Die Beschwerde ist dennoch begründet.
Der Beschwerdeführer hat nämlich bereits in seiner Berufung vorgebracht, daß er bei der Grenzkontrolle auf dem Flughafen Wien-Schwechat seinen "Antrag auf Asyl bekanntgegeben" habe, und daß ihm dort die Einreise gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 gestattet worden sei. Die belangte Behörde ist jedoch zu ihrer Ansicht, der Beschwerdeführer sei unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und es habe bei ihm "der Tatbestand der direkten Einreise" nicht vorgefunden werden können, ohne Bedachtnahme auf dieses Vorbringen gelangt. Das Fehlen einer Auseinandersetzung mit dem das Bestehen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 geltend machenden Berufungsvorbringen ist wesentlich, war doch aufgrund dessen die belangte Behörde nicht in der Lage zu beurteilen, ob einer Ausweisung des Beschwerdeführers § 9 Abs. 1 leg. cit. entgegenstand.
Soweit die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG, somit darauf stützte, er habe den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermocht, hat sie die Rechtslage verkannt, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, daß dies beim Beschwerdeführer trotz seiner - von der belangten Behörde festgestellten - Aufnahme in die Bundesbetreuung der Fall und seine Ausweisung im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten sei. Die Ausweisung eines Asylwerbers, dessen Lebensbedarf aus Mitteln des Bundes nach den Vorschriften des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, bestritten wird, kann nicht als eine Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung angesehen werden (vgl. zur Unzulässigkeit einer auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG gestützten Ausweisung von Fremden, die aus öffentlichen Mitteln Leistungen erhalten, das hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/0463; vgl. auch zu § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0888). Hat der Gesetzgeber nämlich die Förderungswürdigkeit bestimmter Asylwerber während des Asylverfahrens anerkannt, so kann ihm nicht unterstellt werden, er hätte gleichzeitig gemäß § 17 Abs. 3 FrG die sofortige Beendigung von deren Aufenthalt als im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten angeordnet.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weil die Aufhebung aus diesem Grund einer solchen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 592 unten zitierte hg. Rechtsprechung).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 25. September 1998
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