VwGH 95/20/0006

VwGH95/20/000616.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1994, Zl. 4.345.203/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, ist am 4. August 1994 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 5. Oktober 1994 einen Asylantrag gestellt.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt am 13. Oktober 1994 gab er zusammengefaßt an, er sei im Jahr 1988 als Anhänger des Ayatollah Montazeri wegen Beteiligung an einer politischen Veranstaltung gegen die Regierung festgenommen und für die Dauer von 6 Monaten inhaftiert worden. Danach sei er wieder freigelassen worden und habe seinen Beruf als Lehrer weiter ausüben können. Er habe sich aber weiterhin politisch betätigt. Deshalb seien immer wieder von den iranischen Behörden bei ihm Hausdurchsuchungen (insgesamt sieben) durchgeführt worden, bei denen jedoch nie belastendes Material gefunden worden sei. Er habe sich schließlich an einer von den Modjahedin organisierten Aktion beteiligt, die die "Liquidierung" des Präsidenten Rafsanjani anläßlich einer geplanten Eröffnung eines Busbahnhofes in Isfahan am 19. April 1994 zum Ziel gehabt habe. Zu diesem Zweck habe er zwei Maschinenpistolen in seinem Haus verwahrt, die im Zuge der zuletzt durchgeführten Hausdurchsuchung am 9. April 1994 entdeckt worden seien. Davon sei er von seiner Frau verständigt worden, weshalb er unverzüglich aus dem Iran geflüchtet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 14. Oktober 1994 erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und ihm damit die Gewährung von Asyl versagt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat zwar richtig auf die hg. Judikatur hingewiesen, daß grundsätzlich weder aus Hausdurchsuchungen noch aus Verhören oder Anhaltungen allein Verfolgung oder begründete Furcht vor einer solchen abgeleitet werden kann (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S. 30f., angeführte Judikatur), und es einer aktuellen Verfolgungsgefahr bedarf, somit eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen nicht auf Ereignisse gestützt werden kann, die mit der Flucht in keinem objektiv nachvollziehbaren zeitlichen Konnex mehr gesehen werden können (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0716).

Im gegebenen Fall hat der Beschwerdeführer seine Furcht vor Verfolgung aber nicht nur auf die durchgeführte Hausdurchsuchung allein, sondern vor allem darauf gestützt, daß dabei Kriegsmaterialen vorgefunden worden seien, die er zur Ausführung eines Mordanschlages auf den iranischen Präsidenten Rafsanjani versteckt habe. Auch wenn sich aus den niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt nicht ergibt, daß das geplante Attentat den Behörden bekannt geworden wäre, würde dem behaupteten Auffinden der Waffen im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Beschwerdeführers im Jahr 1988 und seiner dadurch dokumentierten politischen Auffälligkeit sowie seiner weiteren, nach seinen Angaben auch den Behörden bekannt gewesenen politischen Oppositionstätigkeit Asylrelevanz zukommen. In diesem Zusammenhang käme also auch der Anhaltung im Jahr 1988, selbst wenn diese grundsätzlich zutreffend von der belangten Behörde mangels zeitlichen Konnexes mit seiner späteren Flucht nicht berücksichtigt worden ist, dennoch Bedeutung zu. Gerade die angenommenen zahlreichen Hausdurchsuchungen vor der zuletzt (nach den Behauptungen des Beschwerdeführers aus Sicht der iranischen Behörden) erfolgreichen, würden dafür sprechen, daß die Behörde dem Beschwerdeführer aufgrund dieses Umstandes eine zu verfolgende politisch-oppositionelle Gesinnung unterstellte. Daß es sich bei der Teilnahme an einem derartigen Mordkomplott als aktives Mitglied durch Verheimlichen von Waffen und Waffentransporten nur um ein rein kriminelles Delikt handelte, hat die belangte Behörde (anders als noch das Bundesasylamt) ohnehin nicht angenommen. Darin wäre auch nach hg. Auffassung ein politisch motiviertes Verbrechen zu erblicken, wäre doch die behauptete Aktion gerade gegen einen bedeutenden Träger der Staatsgewalt gerichtet gewesen. Daran änderte auch der Umstand nichts, daß derartige Umsturzversuche strafrechtlich verfolgt werden.

Das Hauptargument der belangten Behörde für die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers liegt in der angenommenen Unglaubwürdigkeit des behaupteten Mordkomplottes und der angegebenen Aufdeckung von Waffen durch die Behörden in seiner Wohnung.

Insoweit die belangte Behörde dies aber damit begründet, daß es "logisch nicht nachvollziehbar" wäre, daß der Beschwerdeführer nach sieben erfolglos verlaufenen Hausdurchsuchungen Waffen in seiner Wohnung versteckt (gehalten) habe, erweist sich diese Begründung nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht schlüssig. Der Beschwerdeführer hatte bei seiner Befragung durch das Bundesasylamt zu Protokoll gegeben, daß bei den zuvor stattgefundenen sieben Hausdurchsuchungen kein für ihn "belastendes Material aufgefunden" worden sei. Dies läßt nun sowohl die Deutung zu, daß der Beschwerdeführer vorher kein derartiges belastendes Material versteckt hatte, als auch die Möglichkeit, daß er belastendes Material bis zuletzt derart versteckt halten konnte, daß dieses trotz zahlreicher Kontrollen nicht "aufgefunden" werden konnte, sodaß er bei Verwahrung der Waffen keine großen Befürchtungen hegen mußte, zumal die Verwahrung nach seinen Angaben nur kurzfristig erfolgen sollte. Die Auffassung der belangten Behörde, die Teilnahme des Beschwerdeführers an dem behaupteten Attentat sei deshalb nicht glaubhaft, weil seine Schilderungen nur allgemein gehalten wären und lediglich abstrakte Behauptungen darstellten, ist in dieser Form ebenfalls nicht schlüssig begründet. Aus dem Protokoll über die niederschriftliche Befragung geht nämlich nicht hervor, daß der Beschwerdeführer aufgefordert worden wäre, entsprechend fundierte Angaben über die geplante Ausführung des Attentates, Struktur und Arbeitsweise der für die Ausführung verantwortlichen Organisation darzulegen, um die Glaubwürdigkeit dieses Mordkomplottes und seiner Teilnahme darzutun. Wenn der Beschwerdeführer dazu in der Beschwerde geltend macht, daß er in der Berufung seine neuerliche Einvernahme angeboten hatte, um allfällig erforderliche Konkretisierungen auf unter dem Gesichtspunkt der umfassenden Ermittlungspflicht der belangten Behörde noch zu stellende Fragen vornehmen zu können, so ist der Beschwerdeführer damit im Ergebnis im Recht.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Für das fortgesetzte Verfahren ist ergänzend darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer nach dem Akteninhalt bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Bundespolizeidirektion Wels am 11. August 1994 in Widerspruch zu seiner Aussage vor dem Bundesasylamt angegeben hatte, daß bereits im März 1993 anläßlich einer bei ihm stattgefundenen Hausdurchsuchung zwei russische Maschinenpistolen vorgefunden worden seien, worauf er eingehend verhört worden sei. Seither sei sein Haus wiederholt durchsucht worden und er im selben Jahr als Lehrer entlassen worden. Weiters findet sich im Akt (AS 20) eine Meldung eines Bediensteten der Bundespolizeidirektion Wels vom 18. August 1994, wonach der Beschwerdeführer einen von ihm begonnenen "Hungerstreik" damit begründet haben soll, daß er "nach Hause" wolle. Bei einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wird sich die belangte Behörde auch mit den angeführten Widersprüchen und Ungereimtheiten in den Aussagen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben, wobei dazu dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben sein wird.

Der Kostenspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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