Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §34 Abs4;
AVG §35;
AVG §37;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
B-VG Art129a Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1 impl;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §34 Abs4;
AVG §35;
AVG §37;
AVG §73 Abs2;
AVG §73;
B-VG Art129a Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1 impl;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Jänner 1995 verhängte der Bundesminister für Inneres gegen den Beschwerdeführer gemäß § 35 erster Fall AVG eine Mutwillensstrafe in der Höhe von S 500,--. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde folgendes aus: Der Beschwerdeführer sei Vertreter des T, der am 17. März 1994 beim Amt der Wiener Landesregierung einen Verlängerungsantrag auf Aufenthaltsbewilligung gestellt habe. Dieser Antrag sei vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 9. August 1994, zugestellt am 17. August 1994, abgewiesen worden. Gegen diesen abweisenden Bescheid habe T. fristgerecht mit Schriftsatz vom 25. August 1994 das Rechtsmittel der Berufung eingebracht, wodurch wegen des Verzichts der Einbringungsbehörde auf eine Berufungsvorentscheidung die Zuständigkeit zur Entscheidung auf das Bundesministerium für Inneres als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen sei. Als Vertreter des T. habe der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 3. Oktober 1994, eingelangt beim Bundesminister für Inneres am 5. Oktober 1994, einen Antrag gemäß § 73 AVG auf Übergang der Zuständigkeit der Entscheidung im gegenständlichen Verfahren (Aufenthaltsbewilligung für T.) gestellt.
Nach Auffassung der belangten Behörde sei die bescheidmäßige Erledigung des Antrages auf Aufenthaltsbewilligung durch den Bescheid vom 9. August 1994, zugestellt am 17. August 1994, innerhalb der in § 73 AVG festgesetzten verfahrensrechtlichen Frist erfolgt. Da zum Zeitpunkt des vom Beschwerdeführer eingebrachten Devolutionsantrages im Verfahren auf Aufenthaltsbewilligung bereits die Berufung beim Bundesminister für Inneres anhängig gewesen sei, hätte die erkennende Behörde diesen vom Beschwerdeführer eingebrachten Antrag nur zurückweisen können. Da der Beschwerdeführer den Devolutionsantrag genau zu dem Zeitpunkt eingebracht habe, als er als bevollmächtigter Vertreter des T. von der bereits eingebrachten Berufung hätte wissen müssen, habe die belangte Behörde als erwiesen angenommen, es habe dem Beschwerdeführer die Nutz- und Zwecklosigkeit des Anbringens bewußt sein müssen und es sei seine Absicht gewesen, durch Bewirkung des Überganges der Zuständigkeit zur Bescheiderlassung auf den Bundesminister für Inneres zusätzliche behördliche Aktivitäten hervorzurufen, um den Abschluß des anhängigen Verwaltungsverfahrens zu verschleppen. In der Sache selbst sei offenkundig gewesen, daß durch den Antrag für T. - auch in zeitlicher Hinsicht - nichts zu erreichen gewesen sei.
Die Einbringung des Devolutionsantrages sei daher - auch im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - offenbar mutwillig erfolgt. Bei der Festlegung des Strafausmaßes habe die belangte Behörde zu berücksichtigen gehabt, daß keine gleichartige, zu einem früheren Zeitpunkt erfolgte Bestrafung bekannt sei, zur Erreichung des Strafzweckes aber eine geringere Strafe als S 500,-- als nicht ausreichend erachtet werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 4. Oktober 1995, B 686/95, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab; antragsgemäß wurde sie dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der Beschwerdeführer ergänzte seine Beschwerde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, indem er hinsichtlich des Sachverhaltes auf seine Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof verwies. Geltend gemacht werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Nichtbestrafung nach dem AVG verletzt.
In der Begründung der Beschwerde wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei von T. schriftlich bevollmächtigt worden, dessen Interessen wahrzunehmen. T. habe dem Beschwerdeführer die Bestätigung des Landeshauptmannes von Wien vom 17. März 1994 über die Einreichung des Antrages auf Erteilung der Verlängerung der Wirksamkeit einer bisher erteilten Aufenthaltsberechtigung übergeben und den Beschwerdeführer beauftragt und bevollmächtigt, ihn in diesem seit 17. März 1994 anhängigen Verwaltungsverfahren rechtsfreundlich zu vertreten. Da der Landeshauptmann von Wien seit dem 17. März 1994 an T. nach dessen Informationen keinen Bescheid über die Antragserledigung zugestellt hätte, habe der Beschwerdeführer im Auftrag seiner Partei einen Devolutionsantrag am 3. Oktober 1994 verfaßt und am 4. Oktober 1994 an die belangte Behörde übersendet. Mit der Einbringung dieses Devolutionsantrages sei der Beschwerdeführer erstmals als bevollmächtigter Parteienvertreter für T. aufgetreten.
Am 22. Jänner 1995 habe die belangte Behörde mit dem am 6. Februar 1995 zugestellten Bescheid der Berufung vom 9. August 1994 Folge gegeben und der Partei eine gültige Aufenthaltsberechtigung erteilt. Am 23. Jänner 1995 habe die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer als bevollmächtigten Rechtsvertreter der Partei den mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Bescheid, mit dem eine Mutwillensstrafe verhängt wurde, erlassen.
In seiner Beschwerdeergänzung legt der Beschwerdeführer auch einen Aktenvermerk vor, der von T. unterfertigt ist, demzufolge dieser die Tatsache der erfolgten Zustellung des abweisenden Bescheides des Landeshauptmannes von Wien sowie die Tatsache des durch einen Dritten dagegen eingebrachten Rechtmittels dem Beschwerdeführer erstmals am 16. Februar 1995 eröffnet habe.
Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, daß sein Vorgehen keineswegs als "offenbar mutwillig" verstanden werden konnte. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn er nachgewiesenermaßen die Tätigkeit der belangten Behörde im Bewußtsein der Nutzlosigkeit seines Devolutionsantrages in Anspruch genommen hätte.
Mangels eines von der Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens habe der Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung gehabt, weshalb er erstmals im Rahmen des verwaltungsbehördlichen Beschwerdeverfahrens in der Lage sei, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen.
Seinem am 4. Oktober 1994 eingebrachten Devolutionsantrag sei die Information durch T. zugrunde gelegen, daß diesem auf Grund seines Antrages vom 17. März 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bisher keine solche erteilt worden sei, weshalb der Auftrag erteilt worden sei, die rechtlich notwendigen Schritte zum Erreichen dieses Zweckes unverzüglich in die Wege zu leiten. Dazu habe T. dem Beschwerdeführer das Original seines Reisepasses vorgelegt, aus welchem ersichtlich gewesen sei, daß T. am Tag der Informationserteilung im Reisepaß keine Vignette über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hatte. Es sei für den Beschwerdeführer nicht erkennbar, weshalb er hätte wissen müssen, daß der Inhalt der erteilten Information unrichtig gewesen sei. Nur bei Vorliegen dieses Sachverhaltes könne allenfalls von einer mutwilligen Inanspruchnahme der belangten Behörde gesprochen werden. Der angefochtene Bescheid enthalte auch keinerlei nachvollziehbare Begründung, weshalb die Einbringung des Devolutionsantrages als "offenbar mutwillig" bezeichnet werden könne.
Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß ihm die belangte Behörde kein Parteiengehör gewährt habe. Bei Gewährung des Parteiengehöres hätte der Beschwerdeführer behaupten und beweisen können, daß er auf Grund der von T. erteilten Information und der von diesem vorgelegten Urkunden davon habe ausgehen können und müssen, daß über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zeitpunkt der Einbringung des Devolutionsantrages keine sachliche Erledigung vorgelegen sei.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde abzuweisen und dem Beschwerdeführer den Ersatz der Prozeßkosten aufzuerlegen. In ihrer Gegenschrift wiederholte die belangte Behörde zunächst die Bescheidbegründung des angefochtenen Bescheides, fügte aber ergänzend hinzu, daß es der Beschwerdeführer "offenkundig" unterlassen habe, sich vor der Ergreifung eines Rechtsmittels im Verwaltungsverfahren darüber zu erkunden, ob und inwieweit diese Tätigkeit im Interesse des von ihm Vertretenen liege. Die "Offensichtlichkeit der Kontaktlosigkeit" zwischen dem Beschwerdeführer und der Vernachlässigung der Interessenswahrung des Mandanten sei für die belangte Behörde schlüssig und nachvollziehbar gegeben gewesen. Zwar habe die belangte Behörde nicht die Berufspflichten des Beschwerdeführers zu beurteilen gehabt, jedoch sei die belangte Behörde gemäß § 9 der Rechtsanwaltsordnung (RAO) dazu verpflichtet gewesen, das Handeln des Rechtsvertreters vor dem Hintergrund der in dieser Norm umschriebenen Berufsverpflichtung zu sehen. Nach dem Sachverhalt sei es "vollkommen offensichtlich", daß der Beschwerdeführer "auf die Rechtstellung seiner Mandantschaft ohne Rücksichtnahme nur auf Grund eigener Motive somit mutwillig das Rechtsmittel der Devolution bei der belangten Behörde eingebracht" habe, obwohl er bei einer gewissenhaften Vollziehung der Vertretungsbefugnis hätte wissen müssen, daß der Antrag die belangte Behörde zu einer zusätzlichen Aktivität zwinge, welche in der Sache selbst keinerlei positive Wirkung für den Mandanten habe erbringen können. Diese Mutwilligkeit werde auch durch weitere Verfahren des Beschwerdeführers mit "fast konkludenten Sachverhalten offenbar". Zur Rüge der Verletzung des Parteiengehöres führt die belangte Behörde aus, daß nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Parteiengehör zu gewähren sei, wenn nur unbestrittene Tatsachen zugrundegelegt würden. Der in der Beschwerdeschrift ausgeführte Sachverhalt decke sich vollkommen mit der im bekämpften Bescheid festgestellten rechtlich relevanten materiellen Wahrheit.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 35 AVG kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- verhängen. Diese Bestimmung findet auch auf berufsmäßige Parteienvertreter Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1954, Slg. NF Nr. 3500/A). Verfahren über Mutwillensstrafen stellen keine solchen wegen Verwaltungsübertretungen im Sinne des Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG dar (vgl. zu Ordnungsstrafen gemäß § 34 AVG das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 94/17/0427).
Strafbarer Mutwille bei Ergreifung von Rechtsmitteln - dazu zählt auch ein Antrag gemäß § 73 AVG - hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Bewußtsein von der Grundlosigkeit des Rechtsmittels zur Voraussetzung. Mutwillig wird ein Rechtsmittel daher dann ergriffen, wenn sich der Rechtsmittelwerber wissentlich auf einen unrichtigen Tatbestand stützt oder wenn es zweifellos und auch ihm bewußt ist, daß der vorliegende Tatbestand keinen Grund zur Beschwerde gibt (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1928, Slg. Nr. 15.245/A). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung in der Folge dahingehend präzisiert, daß auf Seiten desjenigen, der das Rechtsmittel einbringt, ein offenbar mutwilliges Handeln erforderlich ist. Wenn das Gesetz neben der Mutwilligkeit, d.h. neben einem von der Absicht, die Behörde zu behelligen, geleiteten und von dem Bewußtsein getragenen Handeln, daß mit dem Rechtsmittel der erstrebte Zweck überhaupt nicht verwirklicht werden kann, noch verlangt, daß der Mutwille offenbar ist, so läßt sich daraus erkennen, daß die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschehen muß, daß jedermann die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, hätte erkennen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1954, Slg.NF. Nr. 3410/A). Die Verhängung einer Mutwillensstrafe über einen Vertreter einer Partei ist nach dieser Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn der Vertreter ohne Ermächtigung durch einen den konkreten Fall betreffenden Auftrag die Berufung in offenbar mutwilliger Gebrauchnahme seiner allgemein gehaltenen Ermächtigung eingebracht hätte (vgl. das eben zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1954). Eine derartige offenbar mutwillige Einbringung eines Rechtsmittels hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. dann angenommen, wenn ein Rechtsanwalt am selben Tag einen Devolutionsantrag einbringt, an dem ihm auf seine telefonische Anfrage von der Behörde mitgeteilt wird, daß der Zustellvorgang des von ihm urgierten Bescheides bereits im Gange sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0046).
Mit einer solchen Konstellation, wie sie dem zuletzt zitierten Erkenntnis zugrundeliegt, ist allerdings der vorliegende Fall nicht zu vergleichen. Die belangte Behörde hat jegliche Ermittlungen darüber unterlassen, ob der von ihr angenommene Informationsstand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Einbringens des Devolutionsantrages tatsächlich gegeben war, ob jener also von der erfolgten Zustellung eines erstinstanzlichen Bescheides und einer Berufung durch den von ihm Vertretenen bereits wußte. Nur wenn diese Annahme zutraf, konnte § 35 AVG überhaupt herangezogen werden. Anders als die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides wie auch in ihrer Gegenschrift vorbringt, konnte sie sich ohne nähere Erhebungen über den Informationsstand des Beschwerdeführers für das Vorliegen des Tatbestandes der Mutwilligkeit auf Seiten des Beschwerdeführers keineswegs auf "Offensichtlichkeit" berufen. Die belangte Behörde gewährte dem Beschwerdeführer zu ihrer maßgeblichen Sachverhaltsannahme auch kein Parteiengehör. Der belangten Behörde ist daher ein Verfahrensfehler anzulasten, bei dessen Vermeidung sie, wie die Ausführungen des Beschwerdeführers zeigen, zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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